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Andrea
20.01.2003, 13:57
Hallo,
ich bin heute zum ersten Mal hier.
Mein Freund hat lange Jahre gespielt und jetzt seit 3 Monaten nicht mehr.
Er besucht eine Gruppe einmal die Woche und ist eigentlich ganz gut drauf.
Aber er will jetzt seine EC-Karte wiederhaben und nur bis Ende des Jahres in diese Gruppe gehen.
Ist das nicht zu überstürzt??
Habe Angst, daß er es nicht schafft.
Andrea

norbert
20.01.2003, 14:33
jaaaa !!!!!!!!! er soll die gruppe nutzen und sich in ihr aktiv einbringen, dann ist es anstrengend - aber auch über diesen weg wird der hormonhaushalt angeregt, fällt das nichtspielen leichter. wir spieler leiden an selbstüberschätzung und selbstdarstellungsdrang. aber wir haben auch im regelfall wirklich große fähigkeiten die genau damit im zusammenhang stehen. wir können menschen für uns gewinnen, wir können sie beeinflussen. wir können positiv ausgedrückt "legenden" glaubhaft entwickeln und darstellen.lasse ihn meine antwort unkomentiert lesen. er soll den leuten in seiner gruppe in die augen schauen. wenn er sich der mehrheit der gruppe überlegen fühlt, dann ist er eigentlich falsch da und er hat noch nich begriffen um was es geht. in meiner gruppe sind zu 95% sehr intelligente menschen und 5% sind in ihrer art "sehr einfach". manches kommt einem so "platt" vor, aber wir haben alle das gleiche problem, ob anwalt,beamter,knacki,bauhelfer oder selbstsändiger. ich selbst trag mich oft mit dem gedanken die gruppe zu schwänzen, weil ich in der zeit richtig kohle im moment verdienen kann, aber meine frau sagt, lasse keine luft ran, was nützt das ganze geld wenn du der versuchung unterliegst und es wieder verspielst. in dem moment fällt es mir schwer meiner frau nachzugeben, denn im durchschnitt macht die stunde die ich eher aufhöre mit arbeiten (nur Januar/februar) ca 250,00 euro/std. aus. aber wenn ich aus der gruppe raus bin, gebe ich ihr recht. er hat auch eine verantwortung für seine gruppe. er sollte sich selbst nicht die chance nehmen.gruss norbert

Andrea
21.01.2003, 11:00
Danke für deine Antwort. Über die Phase, daß er sich der Gruppe überlegen fühlt ist er schon weg. Das hat ihm sein letzter Rückfall wohl gezeigt. Wir gehen zusammen dahin und ich hab ehr das Gefühl, das er einer derjenigen ist, der sich am meisten einbringt.
Er ist wohl auf dem richtigen Weg, ich hab nur Angst, daß er sich selbst zu sehr unter Druck setzt. Er hat mir mal gesagt, wenn er nochmal spielen geht, gibt er auf!
Ich würde ihn gerne versuchen, etwas zurückzuhalten, weiß aber nicht, wie ich es anstellen soll, ohne ihm auf den Schlips zu treten, oder ihm das Gefühl zu geben, ich zweifel an ihm.....
Bin eben nicht so der Typ Bevormundung.
Wie hättest Du das denn aufgenommen?

Jenni
21.01.2003, 13:09
Na wenn er sich einbringt, dann müßte er doch wissen, daß er ohne die Gruppe nicht bestehen kann. Nagut, aber probieren geht über studieren.

Bei mir wars so, ich ging vor ca 3,5 Jahren 6 Monate in die Gruppe und ungefähr nochmal 6 Monate später hatte ich wieder einen Rückfall, der sich bis zum 17.12. durchzog. Und dieser Rückfall wirkte sich viel viel viel schlimmer aus wie das erste mal spielen. Vielleicht hätte ich nicht wieder angefangen zu spielen, wenn mein Mann nicht zu dem Zeitpunkt immernoch gespielt hätte, wer weiß. Was zählt und zählte war der Rückfall. Heute weiß ich genau, daß ich hätte auch weiterhin die Gruppe besuchen müssen um spielfrei zu bleiben, aber das war einmal und ich kann es nicht ändern.

Weißt Du, ich glaube, das Dein Mann versucht, sich selbst zu bestätigen, indem er dann irgendwann mal aufhören möchte. Ich persönlich, bedingt durch die Erfahrung die ich gemacht habe, kann nur sagen er solls versuchen, denn von dieser Meinung kannst Du ihn wahrscheinlich nicht abbringen egal wie sehr Du redest und machst und tust. Tja, wie soll ich sagen, er meint es nicht böse, daß auf gar keinen Fall, er will für sich allein eine Bestätigung, daß liegt nun mal in der Eigenschaft ein Mensch zu sein.

Ich hoffe, ich konnte Dir etwas helfen.

Viele liebe liebe Grüße
Jenni

Jenni
21.01.2003, 13:15
Liebe Andrea,

bis Ende des Jahres sind noch über 11 Monate, warte doch erst einmal ab. Vielleicht ändert er ja seine Meinung und Gedanken bis dahin.
Versuch nicht ihn dazu zu bringen, das er weiter zur Gruppe (in 11Monaten) geht, sonst hört er aus Trotz vielleicht schon früher auf.

Nicht umsonst heißt es einmal Spieler immer Spieler, einmal Alkoholiker immer Alkoholiker (Alkoholiker, dürfen ja bekanntlich nichts mit Alkohol versetztes (Weinbrandbohne z.b.) nach der Genesung essen/trinken).

MFG
Jenni

Andrea
21.01.2003, 13:43
Danke Jenni, für Deine Antworten.
Genau diese Geschichte - einmal Alkoholiker - immer Alkoholiker - kenne ich von zuhause. Da gibts auch nix süßes mehr mit Alkohol drin - wegen meinem Vater.
Das schlimme ist, daß ich auch schon mal meine Mutter fragen wollte, wie sie so durch die nasse Zeit von meinem Vater gekommen ist und warum sie z.B. nicht mit in seine Gruppe geht (ich gehe ja mit). Aber das ist immer noch so ein Tabu-Thema bei uns, daß ichs lieber lasse.
vielleicht wär´s mir ne Hilfe, wer weiß das schon.
Diese Antworten hier helfen mir aber schon weiter.
Ich werd meinen Freund erstmal machen lassen und nur beobachten. Er kann es eh nur allein schaffen, und nur wenn er wirklich will. Ist trotzdem sauschwer, daneben stehen und sich raushalten!
Aber ich versuchs......
Andrea

Peter
21.01.2003, 19:22
Hi Andrea
Also ich stimme Norbert erstmal zu.
Deinem Freund die Karte zu geben wäre der größte Fehler.
Eigentlich darfst Du Ihm nie wieder eine EC-Karte in die Hand drücken.
Ich sehe das bei mir sehr deutlich. Meine Frau hat mir vertraut und nach einem Jahr spielfreier Zeit die Karte für eine Abhebung mit gegeben. Das Ende vom Lied, ich habe mehr abgehoben und verzockt. Ich wundere mich nur, dass ich nicht mehr abgehoben habe. Früher hätte ich dies getan.
Meine Frau tut mir so unendlich leid. Ich bekomme alles und danke es Ihr, in dem ich wieder Rückfällig geworden bin.In der Spielbude verabschieden sich halt die guten Vorsätze und eine, sorry.. Leck mich am Arschstimmung macht sich breit....
Ups, ich schweife ab.
Also keine Karte, egal ob Sprüche kommen wie," Ich bin clean, ich habe schon so und so lange nicht mehr gespielt, vertraue mir " usw usw.
Klar, es ist schwer jemanden zu bevormunden und Ihn wie ein kleines Kind zu behandeln, aber glaub mir, das Theater geht wieder von vorne los.
Und 3 Monate reichen nicht aus um jemand von der Spielsucht zu befreien, das wäre ja ein Wunder.
Naja und den Besuch der Gruppe abzubrechen, wäre der größte Fehler, aber ich glaube, das weißt Du.
Man könnte jetzt sagen, nicht jeder ist so wie Du, vielleicht hat ers ja kapiert. Ich sage nur nee hat er nicht. Ich kenne das von mir und anderen. Es ist immer und überall gleich.
Gejammer und Geheule vor den Frauen aber die Gedanken sind wo anders.

Torsten
21.01.2003, 19:57
Hallo Andrea.Meiner Meinung nach solltest Du Deinem Freund auf gar keinen Fall die Karte zurückgeben.
Bei mir war es so,das ich in meiner "Spielzeit" jeglichen Bezug zum Geld verloren hatte.Mit der Karte kam ich immer schnell an neues Geld.Geld hatte keinen Wert mehr für mich.Nur noch den Zeitwert.Wie lange kann ich mich mit dem Betrag X in der Spielhalle aufhalten=wielange geht es mir gut und habe ich keine Probleme.
In der Klinik in der ich war hatten wir eine Geldeinteilung.70 DM pro Woche.Das reichte für Zigaretten und was ich zusätzlich noch brauchte.
Im Anschluss daran habe ich eine freiwillige Betreuung in Finanzangelegenheiten mir geben lassen.
Das war eine reine Vorsichtsmaßnahme, um nicht ständig der Gefahr ausgesetzt zu sein, beliebeig oft an größere Mengen Geld zu kommen.Ich wollte abstinent bleiben und so habe ich diese Unterstützung angenommen, da ich keinen hatte, der für mich das Geld verwalten konnte.So bekam ich dann auf meinen Wunsch 150 DM pro Woche, wovon ich leben mußte und die ich mir einteilen mußte.Trotzdem war es mein Ziel dies irgendwann alleine zu bewältigen.Ich hatte eine Karte nur für Auszüge und habe mich so mit meinen Finanzen auseinander gesetzt.Diese Betreuung habe ich erst nach einem Jahr gelöst,als ich schon so lange im Bewusstsein gelebt hatte, wieviel Gefahren es für einen Rückfall gibt.Ich musste erst wieder neu lernen, welchen Wert Geld hat.
Dazu auch ein Beispiel aus meiner Klinikzeit.Überlege mal was man in 1 Std theoretisch an Geld verspielen kann, wenn man an 4 Automaten gleichzeitig spielt.
20 Cent pro Spiel,4 Spiele in der Minute.
20*4*60min*4 Automaten = 192 Euro
Dafür kann ich zum Beispiel heute 480 Bildzeitungen kaufen und lesen.Das ist ein Zeit raum von 1,5 Jahren.
Oder wenn ich pro Zeitung 1 Std lese sind das 480 Std= 20 Tage ununterbrochen lesen.
Nur um die Wertigkeit von Geld zu verdeutlichen.
1 Std spielen an 4 Automaten oder 20 Tage lesen?

Und ich hatte eine Woche nach Auflösung meiner Betreuung einen Rückfall.2* 400 DM an 2 Tagen.Und das nach 21 Monaten Abstinenz,11 Wochen Klinikaufenthalt und Jahrestreffen eine Woche zuvor.
Warum sich der Gefahr aussetzen, wenn es nicht unbedingt sein muss? Abstinenz zu bleiben ist schwer und deshalb habe ich mir diese Gefahr des Geldes lange vom Hals gehalten.
Abstinenz zu bleiben heißt aber auch Verantwortung für sein Leben zu übernehmen.Und das geht nicht von jetzt auf gleich.
Noch heute vermeide ich es größere Geldbeträge als 100 Euro im Portmonnaie zu haben.Dann zahle ich es sofort auf mein Konto ein.Ebenso schaue ich das mein Konto nach Monatsbeginn und Überweisung aller laufenden Kosten geräumt ist.Der Rest kommt auf ein Sparkonto.Die Karte dieses Kontos ist ohne Geheimzahl,und die Bank in der Innenstadt,11 km entfernt.Bis da brauche ich mit der U-Bahn ca. 1Std. Soviel Druck das ich das in Kauf nehme 1Std hin zur richtigen Zeit, also Langeweile in der Bahn und 1Std zurück baut sich bei mir nicht mehr auf.Das ist heute diesbezüglich mein Hindernis oder meine Sicherheit.Ebenso habe ich mich in allen umliegenden Spielotheken sperren lassen um auch diese Gefahr nicht zu haben.
Damit will ich Dir nur aufzeigen,wie schwer es sein kann abstinent zu bleiben.Ich lebe mit meiner Krankheit, jeden einzelnen Tag. Und irgendwann wird dieses Verhalten zur Gewohnheit und es fällt immer leichter abstinent zu bleiben.
Aber die Gefahren bleiben.

Damit wollte ich Dir nur zeigen, wie es bei mir, einem Spieler ist.Hoffe Dir damit ein wenig helfen zu können.

Gruß Torsten

Torsten
21.01.2003, 20:16
Ich habe mich auch unter Druck gesetzt und irgendwann konnte ich dem nicht mehr Stand halten.Hatte zu wenig Gespräche, zu wenig Ausgleich um Druck abbauen zu können.Dazu kam zu viel Zeit, weil Urlaub, alleine, und Auflösung von Betreuung.Dann wie erwähnt der Rückfall, nach 21 Monaten.Da habe ich zuerst gedacht das kann doch nicht sein nach so langer Zeit.Ich habe mich 2 Täge verkrochen, mit keinem gesprochen.Dann habe ich mich jemandem anvertraut und geredet.Aus diesem Gespräch und dem rückfall habe ich soviel gelernt und mitgenommen,das ich bis heute wieder abstinent bin.Mir wurde vor Augen geführt, was ich bis dahin schon alles geschafft hatte.Und das war ne ganze Menge.Gleichzeitig habe ich in dem gespräch gemerkt,wo der Unterschied zwischen dem Rückfal und dem "Spielen" vorher war.Ich bin mit Geld rausgegangen, obwohl ich nicht gewonnen hatte und habe es wieder aufs Konto eingezahlt.Sonst bin ich immer ohne Geld da raus gegangen.
Das soll nur soviel heißen: Rückfälle können passieren und man kann draus lernen und was positives herausnehmen.Und darauf lässt sich aufbauen.und somit bin ich weiter jeden Tag meinen Weg gegangen.Ohne aufgeben,ohne Rückfall in alte Verhaltensweisen von Ausreden,Lügennetz aufbauen und Unehrlichkeit.Weil es mein Leben ist, und nur meins.Also bin ich ehrlich zu mir, dann kann ich es auch zu anderen sein.Es lohnt sich.

Gruß Torsten

Marcus (Fachstellenteam)
22.01.2003, 10:09
Hallo Andrea,

im großen und ganzen stimme ich den bisherigen Meinungen zu, dennoch einige Ergänzungen:

Das Thema EC-Karte begleitet uns in unserer Beratungsstelle tagtäglich: "Wann kann ich wieder meine eigene Karte haben?" "Ist es schädlich mehr als 100 € im Portemonnaie zu haben?", etc.

Zunächst einmal ist es wichtig den Betroffenen zu entlasten, was auch bedeutet, ihm Verantwortung abzunehmen, auch für sein Geld. Es stellt also einen Schutzfaktor dar, die EC-Karte eines Spielers an sich zu nehmen.

Allerdings kann dies kein Dauerzustand sein, denn schließlich gilt es Probleme zu bewältigen, nicht, sie künstlich zu umgehen. Ich denk nach 3 Monaten wäre es im Falle deines Freundes sicher noch verfrüht, ihm die Karte zurückzugeben, dafür ist die Abstinenzphase nach noch lang genug, aber wichtiger vielleicht noch: das Problembewußtsein noch nicht genügend ausgebildet.

Sein Leben wieder in den Griff zu bekommen heißt aber nach einer gewissen Zeit auch: verantwortung zu übernehmen, und dazu gehört auch die Verantwortung für das eigene Geld.

Es gibt nur leider kein Datum, dass man empfehlen kann. Aber ich denke die Gruppe wird euch helfen, diese Frage zu beantworten. Gebt euch Zeit!

Grüsse aus Neuss,

Marcus

Andrea
22.01.2003, 12:40
....ihr habt mir wirklich sehr geholfen!
Werde mich erstmal auf "stur" stellen und versuchen, ihm begreifbar zu machen, daß es noch zu früh ist.
Und das - wenn möglich - ohne Streit. Weil eigentlich können wir ja richtig gut reden....

Danke nochmal, bin froh, daß ich hier hingekommen bin!
Andrea

Andrea
27.01.2003, 18:02
Hallo Leute,
ich wollte nur noch mal danke sagen. Er hat es selbst mittlerweile von ganz alleine eingesehen und die Karte bleibt da wo sie ist.
Andrea

norbert
28.01.2003, 12:58
hi, toll von euch beiden. eine gute zeit miteinander