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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Was soll ich tun? Soll ich mich einmischen?



Mario
31.03.2003, 20:30
Hallo,

ich würde gerne Eure Meinung dazu hören, inwiefern ich mich als Freund in das Suchtproblem einer Freundin einmischen soll. Ich habe lange gebraucht, zu erkennen, daß es eine Krankheit ist, die man nicht einfach so abstellen kann. Auch ich habe den Fehler gemacht meine Freundin finanziell zu "unterstützen", weil ich immer dachte, daß ihr das weiterhilft, einen Neuanfang zu starten und die Sucht in den Griff zu bekommen. Ich muss nicht erwähnen, daß der Fall nicht eingetroffen ist.
Jetzt ist sie wieder in finanziellen Schwierigkeiten und ich weiss, daß ich ihr nichts mehr geben darf, aber es gibt noch Freunde, die das Problem nicht erkannt haben und ihr Geld leihen könnten. Nun überlege ich, diesen Freunden zu sagen, daß sie ihr nichts mehr leihen sollen. Wobei ich dabei auch ein schlechtes Gewissen habe und Angst habe, daß sie dann andere Wege sucht, um an Geld zu kommen. Auf der anderen Seite weiss ich, daß es ihr nur für den Moment helfen wird und sie in ein paar Wochen wieder dort stehen kann wo sie jetzt ist. Und zusätzliche Schulden bei Freunden hat.
Habt Ihr da Erfahrungswerte oder einen guten Tipp?

Vielen Dank schonmal,
Mario

claus
31.03.2003, 21:20
hallo Mario,
wenn es deine Freundin ist, dann sag ihr mal das Du sie magst, aber ihr Verhalten als Spieler dir nicht gefällt.
Ganz klar und ruhig, ansonsten misch dich nicht in IHRE Angelegenheiten........Du hilfst ihr nicht damit.......
Sondern Du verlängerst nur ihr Leiden.
Das sage ich Dir als Claus der Spieler 17 jahre abstinent, hätte schon länger clean sein können aber immer kam jemand und stahl mir meine Krisen (meist Menschen die ihre eigene Probleme nicht lösen konnten)und ich konnte nicht aufhören mit dem Spielen, weil ich keine Konsequenzen daraus ziehen konnte aus meinem Handeln.
Jetzt hab ich mein Leben in meine Hände genommen und dulde keine Einmischung
Wünsch dir das richtige Händchen für dich
Gruss
Claus

Mario
01.04.2003, 17:45
Hallo Claus,

danke für die Antwort, nur habe ich es schon oft versucht. Habe Ihr schon mehrmals gesagt, daß ich das Spielen nicht gutheisse. Wir waren lange Zeit zusammen, doch es hat die Beziehung zerstört, sicher auch durch meine Dummheit, daß ich versucht habe Ihr zu helfen und damit Ihr Leiden/Ihre Spielsucht nur verlängert habe. Ich war nicht konsequent genug, habe immer mehr zugelassen, weil ich geglaubt habe sie schafft es und ich einfach mit der Situation überfordert war.

Deine Anmerkung, daß Dir oft Leute helfen wollten, die mit ihren Problemen nicht klar kommen, kann ich bestätigen, ich habe auch meine Probleme, die sicher auch dazu beigetragen haben, daß die Beziehung kaputt gegangen ist. Und sicher waren auch die Beziehungsprobleme des öfteren Anlaß für sie spielen zu gehen.

Ich versuche meine Probleme nun durch eine Therapie in Angriff zu nehmen und doch ist es so verdammt schwer meine Freundin einfach so gen Abgrund rennen zu lassen.

Welche Art von Hilfe hast Du denn annehmen können bzw. hat Dir wirklich geholfen? Wie kam bei Dir der Wendepunkt, wo Du für Dich selber gesagt hast, jetzt will ich das anpacken? Und wie hast Du es angepackt?

Vielen vielen Dank an Dich, Claus und vielen Dank für dieses Forum. Es ist superklasse, daß man sich hier austauschen kann. Auch wenn ich immer noch hilflos bin, so habe ich doch die Bestätigung von Betroffenen, daß man nichts machen kann, wenn der Spieler selbst nicht will. Ich fühle mich jetzt nicht mehr so schäbig, wenn ich ihr nicht mehr finanziell helfe.

Danke,
Mario

Claus
01.04.2003, 18:44
Ich bin jetzt 56 Jahre alt verheiratet habe 2 Kinder und ich bin vor 19 Jahren durch die Initiative einer Sucht-Beratungsstelle zu einer Spielergruppe gekommen, ohne diese Möglichkeit wäre ich wohl Heute nicht mehr am Leben.
Habe mal versucht meinen Weg heraus aus der Sucht zu beschreiben.

Mein Genesungsweg:
Ich kann Heute aus meiner persönlichen Erfahrung sagen, das Spielen gehen müssen ist nicht mein Problem. Heute weiß ich, kein Mensch muss Spielen gehen um zu leben, der Punkt ist - ich kann nicht mehr in Würde leben- wenn ich spiele.
Ich wollte leben, das ging aber nur, wenn ich Abstinent vom Spielen bin. Mir haben es die Menschen vorgelebt in den Gruppen und in der Therapie die Sucht (Krankheit) ist nicht das Problem, sondern Ich selbst.
Das heisst, da ich das Problem bin, bin ich auch die Lösung. Es ist in mir selbst (nicht außerhalb von mir). Ich brauche natürlich Hilfe wo ich sie nur kriegen kann und für mich war es schluss-endlich als ich alle meine Helfer meine Partnerin, Freunde, Kollegen, Vorgesetzten, Ärzte, Therapeuten und sogar die Freunde in der Spielergruppe, verarscht- belogen und verprellt hatte.
Ich konnte nicht mehr unterscheiden, was wahr oder gelogen- echt oder falsch ist, was ich tue und sage. Dann erst konnte ich das 12-Schritte Programm der Anonymen annehmen - studieren und auch befolgen - nie perfekt- aber es heißt ja dort auch: "Wir streben keine äußere Vollkommenheit an, sondern lediglich innerlichen Fortschritt", das ist für mich die Lösung bis Heute. Obwohl ich nicht religiös bin und keinerlei Erfahrung hatte darin, habe ich gebetet in meiner Verzweiflung, später aus Dankbarkeit bis Heute.
Was nutzte es mir denn z.B. Wissen zu müssen was Spielsucht ist und warum ich gespielt habe, mir reicht es vollkommen zu wissen - das wenn ich mal anfange mit "zocken" einfach nicht mehr aufhören kann!
Ich bin halt ein Mensch. ich weiß nicht warum ich einfach in der Lage war "Ratschläge" anzunehmen. Eine Ver-Änderung war bei mir nur möglich als ich total fertig war mit allem, meine Frau wollte mich verlassen, mein Chef mir kündigen, die Bank gab mir kein Geld mehr und ich war körperlich und seelisch total am Ende. Alles was ich zu meiner vermeintlichen Genesung tat, war nur Schau für die anderen.
Trotz Gruppenbesuche, ambulanter Therapie habe ich mich selbst in diese Lage gebracht. Erst dann war ich in der Lage abstinent zu bleiben, denn in mir stieg auch die Angst hoch in die Psychiatrie, oder im den Knast zu kommen. Ich habe einige Menschen in den Gruppen erlebt denen das widerfahren ist, oder die Selbstmord begingen, dass wollte ich jedoch nicht. Ich wollte Leben.
Zur Festigung meiner Abstinenz vom süchtigen Spielen und auch dem Alkohol, habe ich eine Therapie in einer psychosomatischen Klinik Heilung von meinen Ängsten und Depressionen finden können.
Die Lösung liegt für mich in dem Bemühen "mir selbst gegenüber absolut ehrlich zu sein". Das Lesen und Anhören des Programms der Anonymen reichte nicht aus, weil es ein Lebensprogramm ist. Ich habe lernen dürfen was „kaptitulieren“ heisst nicht mit Worten, sondern mit Taten. Nicht mit Bittgebeten (An wen auch immer) sondern mit Dankgebeten an eine Kraft die größer ist, als ich selbst. Ohne das ich gleich religiös werden musste. Es ist im spirituellen Bereich und das hat nichts mit Kirche zu tun, so dass ich es für mich annehmen konnte.
Wenn bei mir Heute etwas schief läuft und ich mich gestört fühle, rücke ich durch Besinnung die Reihenfolge durch arbeiten in den Stufen des Programms zurecht. Die Fehlerursache die zugrunde liegt bei mir ist immer das ich „Meine höhere Kraft“ nicht an die erste Stelle setze, sondern das ich selbst oder andere Menschen oder Dinge mich innerlich beherrschen, dann bin ich weg von mir und es geht mir nicht schlecht Erst wenn ich das zurecht rücke in mir und loslasse und Gott übergebe, kann ich handeln und das notwendige einfach tun. Ich bin nicht mehr „Chef“ in meinem Leben sondern Er. In meinem Leben ist also die Reihenfolge jetzt mit dem kapitulieren: Gott, ich selbst, meine Familie, die Gruppe, Arbeit etc. Oft verdrehe ich das aus Eigenwillen, aber durch den regelmäßigen Gruppenbesuch komme ich immer wieder auf Kurs. In den Jahren in denen ich zur Gruppe gehe, habe ich so oft gesehen, das Spielerfreunde glauben wenn sie ab und zu mal kämen und ein bißchen sich mit dem Programm beschäftigen und nicht mehr spielen gehen,. das das reicht, aber früher oder später, rutschen sie wieder aus oder sie fühlen sich innerlich nicht wohl. Über Gruppendynamik weiss ich auch nur soviel, es hat sich bewährt hat das immer einer nach dem anderen spricht und nicht durcheinander und jeder nur von sich selbst und seinen eigenen Erfahrungen berichtet. Hier lerne ich immer wieder neu: „Nicht in den Köpfen anderer denken, sonder nur in meinem eigenen Kopf.
Das habe ich nur schaffen können mit Hilfe meiner Partnerin, die mich loslassen konnte und meine Probleme hat selber lösen lassen, mit ihr habe ich jetzt eine wunderbare Beziehung bereits schon über 33 Jahre. Natürlich und vor allem den Menschen in den Spielergruppen, die es mit mir durch gestanden haben und dafür danke ich jeden Tag, indem ich versuche meinen Teil zum weiterbestehen dieser Gemeinschaft zu tun z.B. durch regelmäßige Meetingsbesuche.
gute 24 Stunden Claus

Mario
01.04.2003, 21:12
Hallo Claus,

tausend Dank für Deine Worte. Wie und was Du schreibst gibt mir Mut und Verständnis. Ich glaube, ich werder versuchen ... nein, ich MUSS es schaffen, sie loszulassen und egal was passiert... ES IST IHR DING.

Viele Freunde haben mir das schon gesagt, aber es von Dir zu hören bzw. nochmal bestätigt zu bekommen, hilft mir weiter.

Ich danke Dir für Deine offenen Worte und wünsche Dir weiterhin alles Gute.

Gruß,
Mario