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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Eingeständnis



Chris
07.05.2003, 00:59
Ich habe diese Seite schon länger in meinen Bookmarks, doch bis heute wollte ich mir nicht eingestehen, dass ich diese (und wahrscheinlich auch andere) Hilfe brauche.

Ich bin Spieler.

Wahrscheinlich wie die Meisten anderen auch, von denen ich hier gelesen habe. Ob mein Schicksal besser ist als das von anderen? Nein, wahrscheinlich nicht und vielleicht doch, ich weiss es ehrlich gesagt nicht. Ich versuche einfach nur mich selber und meine Gedanken erst einmal zu ordnen, wahrscheinlich ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, mir selber einzugestehen, dass ich Ende bin, am Boden zerstört. Klingt jetzt wahrscheinlich ziemlich drastisch, ist aber so, leider...

Wie in den meisten anderen Berichten hier auch zieht sich meine "Karriere" jetzt schon über acht Jahre hin. Damals übernahm ich neben dem Studium noch einen Nebenjob in einer Spielhalle hier bei uns in Düsseldorf. Dann nach einiger Zeit kam ein schwerwiegendes und tiefgreifendes negatives Ereignis, das mich beinahe in die Verzweiflung trieb. Die genauen Umstände werden wohl keinen interessieren, sie sind auch nicht wirklich relevant, aber als Resultat fing ich an zu spielen. Erst mit Freunden, und immer nur "ein paar Mark". Das nahm allerdings schnell Ausmaße an, die nicht mehr zu kontrollieren waren. Das Geld rann mir immer schneller durch die Finger, meine Konten wurden gesperrt, ich war gezwungen mir bei Verwandten Geld zu leihen. Die Einsätze wurden schließlich immer höher, vor allem Unterhaltungsautomaten hatten es mir angetan. Meine bevorzugten Favoriten (Asterix, Crown J., Funny Land etc. pp.) wurden mit immer mehr Geld gefüttert, meistens war schon zwei Tage nach dem Monatsersten kein Geld mehr auf dem Konto. "Spielen" war schon lange nicht mehr die Motivation, "gewinnen" schon eher. Mit Unterhaltung gab ich mich nicht mehr zufrieden, jetzt mussten es die großen Bilder sein, die Hauptgewinne und das riskanteste Risiko. "5000 Punkte soll der Hauptgewinn sein? Das kommt noch mindestens drei Mal...", höre ich mich immer noch sagen, aber natürlich war das Einzige, was ich bekam Verlust, Verlust und noch einmal Verlust. Hier im Forum scheint das aber kein unbekanntes Phänomen zu sein, von daher rechne ich damit, das viele das nachvollziehen können. Der Abrutsch war vorprogrammiert, mein Studium schleift seit vier Jahren völlig, ich leihe mir Geld um zu spielen und hatte auch schon zwei Kredite, die ich mir zum spielen aufgenommen habe. Meine seelische und psychische Verfassung ist labil, depressiv und manchmal sogar suizidal. Das spielen löste und löst meine Probleme nicht, aber das wollte (und will) mir wahrscheinlich nicht klar werden. Heute bin ich vollständig pleite, habé es nicht geschafft meine Ausbildung zu beenden und weiss nicht mehr weiter. Dafür denke ich jeden Tag daran weiterzuspielen, noch einmal den "großen" Gewinn einzufahren, aber mein Verstand sagt mir, dass ich den nicht bekommen werde. Der Jackpot ist hoffentlich ein Ende der Spielsucht. Ich bin nicht alleine mit meinen Sorgen, das ist mir klar. Als FM eines der größten deutschen Suizidforen im Netz weiss ich, dass es Leute mit wesentlich schlimmeren Problemen gibt, aber das nützt mir nichts. Meine Freundin, die übrigens von meinem Problem weiss, war der Meinung, dass ich jetzt "egoistisch" genug sein muss, um mich endlich um meine Probleme zu kümmern und ich denke, dass sie Recht hat. Irgendjemand hatte hier in einem thread gesagt, dass "sein Verstand begriffen habe, dass ihm das spielen nichts bringt, aber der Verstand ausgeschaltet wird und er den Weg in die Spielhölle immer wieder findet..." Das trifft meine Situation ziemlich gut und ich hoffe noch einen Ausweg zu haben, eine letzte Chance alles doch noch zum Guten zu wenden, zu einem Leben ohne die Spielsucht.

Jetzt ist der Beitrag wieder viel länger geworden, als ich es eigentlich wollte und doch nicht lange genug, um Details zu nennen, die vielleicht nützlich wären. In jedem Fall bin ich dankbar, dass es dieses Forum gibt und hoffe auf einige Resonanzen und Feedback.

Viele Grüße und den Wunsch auf 24 Stunden ohne Spiel,
Chris

Marcus (Fachstellenteam)
07.05.2003, 11:28
Hallo Chris,

ich verstehe, dass du eine Zeitlang brauchtest, um letztendlich einen Beitrag zu schreiben. Es ist sicher nicht einfach sich einzugestehen, dass man Hilfe braucht, es alleine nicht schafft.
Es erfordert aber nicht nur Überwindung sich zu öffnen, sondern auch Mut und den hast du bewiesen. Du gehst wahrscheinlich das ertse Mal seit 8 Jahren offensiv mit dem Thema um. Das was du schilderst klingt so, als hättest du dich in dieser Zeit immer irgendwie so durchgewurschtelt. Damit soll jetzt Schluss sein!

Einen ersten Schritt hast du gemacht. Du hast Kontakt zu Menschen geknüpft, die wohl sehr gut nachempfinden können, was dich bewegt und belastet.

Wie könnte dein zweiter Schritt aussehen? Hast du eine Idee? Ich denke, wenn du schon eine Zeitlang die Beiträge im Forum passiv mitverfolgt hast, hast du schon einige Möglichkeiten gelesen.
Mach weiter und bleibe aktiv! Denn das ist die Voraussetzung, um etwas zu ändern.
Die Chance auf die du hoffst hast du, du mußt sie allerdings selbst gestalten.

Wenn du schreibst, dass der Beitrag nicht lange genug war, um alles zu erzählen, alles erstmal loszuwerden, dann suche dir eine Möglichkeit weiter zu berichten. Dies kann, muss aber nicht hier im Forum geschehen. Du kannst dich anonymer auch per eMail an uns als Beratungsstelle wenden, oder persönlich eine Einrichtung aufsuchen. Auch eine Selbsthilfegruppe ist oft hilfreich.

Ich würde mich freuen, wenn du am Ball bleibst und davon berichtest, wie dein zweiter Schritt aussieht.

Viel Erfolg,
Marcus

norbert
07.05.2003, 13:22
ja, sei egoistisch und der einzige Jackpot der am ende etwas für uns spieler übrig läßt ist die spielfreie zeit.gruss norbert

Frank
07.05.2003, 23:46
Genau! Das sehe ich auch so. Ich glaube jeder hatte diesen Gedanken :"Einmal den Jackpot abräumen und dann höre ich auf". Aber das stimmt einfach nicht. Wie würde es denn aussehen ? Ein Teil des Jackpots würde "Just for Fun" wieder eingesetzt, und plötzlich ist dieser Teil so gross dass man ihn wieder gewinnen möchte, und das war es dann auch mit dem Gewinn und plötzlich ist alles wieder weg. Wie mag es wohl aussehen, wenn wir plötzlich einen Millionengewinn im Lotto bekommen, hätten wir einen tolles Leben oder würden wir weiter zocken ? Ich glaube die Antwort kennt hier fast jeder. Man empfindet einen Gewinn immer irgendwie als Überschuss den man wieder einsetzen kann, ohne daran zu denken, wie hoch der eigentliche Einsatz war (anstatt jahrelanges Zocken könnte es uns allen viel besser gehen). Ich habe hoffentlich noch rechtzeitig den Punkt gefunden zu erkennen, dass ich krank bin. Ich habe zwar Schulden gemacht, aber spätestens in einem Jahr könnte ich schon wieder im Plus sein und mein Leben geniessen. Ich hoffe dass ich es schaffe.

Frank

norbert
08.05.2003, 14:52
hi, es kann uns nichts schlimmeres widerfahren als den "gewinn" abzuräumen. natürlich liese sich mancher traum vermeintlich schneller erfüllen , aber etweder steht dann der nächste wunsch im raum, oder man ist wirklich an dem punkt, an dem man sich alle wünsche erfüllen könnte. wie öde !!! ich gehe heute wieder in die gruppe. gestern habe ich tatsächlich kurz überlegen müssen ,wie lange ich schon spielfrei bin. 7 monate - eine schöne aber noch sehr kurze zeit.allen gute 24 stunden ! gruss norbert

andreas
09.05.2003, 13:27
Hallo Chris,
Danke für Deinen beitrag, danke, daß Du meine Geschichte niedergeschrieben hast, (oder fast ähnlich).
Das mit dem Jackpot abräumen kenne ich auch. Ich habe im Februar 1990 (trotz Gruppenzugehörigkeit) gespielt und einen großen Gewinn gemacht. Und mir geschworen: Nie wieder!Ich hatte alle Anstrengung der Welt das (Spiel)-geld wieder loszuwerden, meine Hände haben gebrannt und ich wollte mich meiner Gruppe nicht anvertrauen. Ich hatte ja gewonnen! Noch 3X mußte ich sielen gehen mit Verlusten, die den Gewinn bei weitem Übertrumpften, um mir letzendlich meine Lebenslange Machtlosigkeit dem Spielen gegenüber einzugestehen.
Mein Heutiger Jackpot besteht wirklich in der Spielabstinenz: Nicht mehr Lügen, Stehlen, kein Hass, kein Groll, Selbstbewußtsein, einen globalen Freundeskreis,Freude an Musik und Natur. Alles nicht von mir erfundene Erungenschaften, sondern gegebene Freuden aus ehrlicher und aufrichtiger Abstinenz.
Ich wünsche Dir viel Kraft und Mut zu Deinem Glück
Andreas