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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Helfen Selbsthilfegruppen???



timothy
18.05.2003, 13:14
Hi Folks,

ich bin Spieler - aus - basta. Seit 1996 - und nur Roulette. Aber bin ich krank? Ich habe mich in letzter Zeit etwas intensiver mit der Thematik "Spielsucht" beschäftigt. Aber nur, weil ich ziemlich am Ende bin. 8,30 € bis zum Monatsende, ca. 100.000 € Schulden. Wohnung zum 31.5. weg - alles ziemlich mies. Was ich nicht so richtig nachvollziehen kann: Nie, wirklich nie habe ich dieses so oft beschworene Kribbeln oder gar körperlich Schmerzen wenn ich mal nicht spielen gehen konnte verspürt. Auch habe ich die Zeit im Casino nie als angenehm, beruhigend, vertraut empfunden. So z.B. daß ich mehr als 5, 6 Stunden oder länger dort bleiben _möchte_.
Meine Aufenthalte dort dauerten meist zwischen 30 Minuten und vielleicht 2 Stunden. Entweder, weil ich mein "Gewinnziel" erreicht habe oder weil das Geld alle war. Und meine Intention ist nur der Gewinn.
Warum bin ich erstmalig ins Casino gegangen. Weil es mich interessiert hatte. Ich hatte mit "Black Jack" angefangen. Auf einer früheren Dienstreise, 1993, nach Lettland war ich mal in einem Nachtclub. Da wurde "Black Jack" angeboten und wir hatten schnell 20 $ verspielt. Egal - das war witzig. Aber ein Freund sagte mir:"Black Jack" kann man gewinnen. Und das blieb in meinem Hinterkopf. Irgendwann 1996 kaufte ich mir mal ein paar Bücher zu "Black Jack" und ging, nachdem ich ein bißchen geübt hatte mit einer Freundin ins Casino. Ich spielte etwas, hatte 80,- DM gewonnen, fand das witzig und es war ein netter Abend. Ein paar Tage später besuchte wir wieder, diesmal ein anderes Casino in unserer Stadt. Dort war der mind. Einsatz bei "BJ" aber 20,- DM. Das war mir zuviel und so spielten wir mit den beiden 10,- DM Eintrittsjetons Roulette (ich kannte da noch nicht mal die Regeln). Wir gewannen 230,- DM - es war ein schöner Abend. Fertig. ABER: In meinem Hinterkopf blieb:"Mann, hier kannst du ja richtig Geld machen". Sei es wie es sei - ein paar Tage später allein ins Casino, 1.000,- DM dabei - und los. Ich hatte schon 580,- DM nach einer Stunde gewonnen. Ich spielte immer gegen die Chance - also z.B. nach 5 mal Rot -> Schwarz mit der "Martingale". Das lief bis dahin auch ganz gut. Dann sah ich an einem Tisch etwa 7 mal Rot. Ich also mit 50,- DM dagegen auf Schwarz. Das Ende vom Lied: 10.000,- DM verloren (EC-Karte, Kreditkarte). Und anstatt nun zu sagen : Shit - dann lassen wir es eben -> nein:"Verdammt. Die können mir doch nicht mein Geld wegnehmen". Das hole ich mir wieder. Und allein dieser Antrieb treibt mich immer wieder ins Casino. Ich habe viele "Systeme" ausprobiert. Gewann mal ganz gut. Hatte aber schon zwei Totalpleiten hinter mir. Aber immer wieder Geld beschafft. Ich wollte alle Verluste (wie bereits erwähnt mittlerweile 100.000 €) zurück gewinnen. Und nur darum geht es mir (sage ich mal einfach so). Egal - worauf ich eigentlich hinaus will: Ich war nun Vorgestern endlich, auch auf Druck (!!!) meiner Freundin, bei einer Beratungsstelle. Erstes Gespräch, Analyse der Situation etc. Die Meisten werden das Kennen. Und natürlich auch: Selbsthilfegruppe. Am Montag erster Termin. Aber helfen denn diese Gruppen? Ich habe da immer so ein Bild vor Augen, wie man es aus dem Fernsehen kennt. Z.B. "Einer flog übers Kuckucksnest"(okay, die waren "verrückt"), "Schwule Männer-Gruppe" etc. Also irgendwie immer "lächerlich". Was bringt das? Nur als "Kontrollorgan", "Disziplinierung"? Ich habe in meiner "Karriere" schon erfahren, was für ein geschickter Lügner man werden kann.
Vielleicht kann mir ja jemand sagen, was diese Gruppen bewirken, für ihn bedeuten?

Gruß euch allen
Timothy

P.S. Ich habe das Problem schon erkannt, weigere mich aber, es als Krankheit zu sehen (wenn denn Gier (Gier?) eine Krankheit ist, dann bin ich vielleicht doch krank). Aber bin ich "anders" krank als die meisten hier? Eigentlich wollte ich nur alles zurück gewinnen - und dann aufhören. Aber dieser Gedanke ist wohl lächerlich, oder?

P.P.S. Zumindest habe ich mich meiner Umgebung (Freunde, Bekannte, Eltern) offenbart. Um diesen schei--- Druck der Heimlichtuerei weg zubekommen.
Aber eigentlich sage ich mir "Geh' doch einfach nicht mehr hin. Ist doch ganz einfach." Wenn da nicht immer noch im Hinterkopf die Ansicht wäre:"Das Spiel ist zu gewinnen. Ohne Druck - mit Disziplin würde es gehen. Cool bleiben - langsam (!!!) vorgehen..." Na, ihr kennt das ja bestimmt.

Sandra
18.05.2003, 15:48
Hallo Timothy,

in Deinem Beitrag habe ich mich selbst wiedererkannt - ich habe beim Roulette auch eine Menge Geld verloren und gegelaubt und meinem Umfeld gegenüber behauptet, daß ich nur weiterhin ins Casino gehen würde um mein Geld zurückzugewinnen. Und davon war ich auch - ähnlich wie Du - absolut überzeugt. Mittlerweile wage ich das aber anzuzweifeln. Mein Schuldenberg bewegt sich in ähnlichen Dimensionen wie der Deine. Aber in dem ganzen Zeitraum, den ich als "ich gehe dahin um mein Geld zurückzugewinnen" bezeichnet habe, ist mein Schuldenberg immer größer und größer gewurden. Ich habe zwar auch oft gewonnen, aber dieses Geld dann meist kurze Zeit später (entweder am selben Tag oder am darauffolgenden oder aber in der folgenden Woche) wieder verspielt. Ich habe die Kontrolle über mein Spielen verloren, wollte das aber nicht wahrhaben. Habe geglaubt, daß irgendwann der Tag kommt, an dem ich reingehen, 100 Euro verspielen und wieder gehen kann, ohne nochmal Geld am Automaten zu ziehen. Oder ein paar 100 zu gewinnen und zu gehen. Aber es hat nicht mehr geklappt. Manchmal schon, aber wie gesagt, dann war es auch bald doch wieder verloren. Du hast geschrieben, Du hast Schulden von ca. 100.000 Euro. Dieses Geld zurückzugewinnen ist anstrengend - aber machbar - denkst Du - aber dann stelle Dir die Gegenfrage, wie es soweit kommen konnte. Wenn es möglich ist, es zurückzugewinnen, warum ist der Schuldenberg dann so groß geworden?????
Ich wage auch anzuzweifeln, daß mir Selbsthildegruppen etwas bringen...und wenn man selbst nicht davon überzeugt ist, und sich innerlich dagegen sperrt, bringt es vermutlich auch nichts...

tmothy
18.05.2003, 17:55
Hi Sandra,

wenn das , was ich jetzt schreibe, ein Therapeut liest, der sagt sofort:"Du (also ich) bist noch absolut nicht bereit einzusehen, daß du krank bist". Und vielleicht ist dem so.
Natürlich habe ich versucht zu analysieren, warum ich, trotz des Glaubens, es wäre möglich, die Verluste wieder rein zuholen, immer weiter verliere. Und das Ergebnis meiner Analyse (und jetzt nicht lachen):"Der Druck war zu groß." Denn ich hatte immer Druck, irgend welche Gläubiger waren da, die Miete war zu zahlen, ich mußte von dem zur Verfügung stehenden Geld leben und, und, und...
Und deshalb wollte ich "zuviel". D.h. mit 500,- € ins Casino und möglichst 500,- € (oder mehr) gewinnen. Meiner Meinung nach (leider, oder soll ich sagen "glücklicher weise", kann ich es nicht beweisen) muß man ohne Druck spielen, kleine Gewinne, kapitalisieren....
Ach, ist ja alles Blödsinn. So wie ich rede/schreibe bin ich noch nicht los davon. Und ist ja auch logisch - sonst müsste ich ja nicht "in Behandlung".
Na ja - alles ein bißchen verworren. Aber so sieht es in mir aus. Einerseits die Einsicht: "es geht nicht". Andererseits die Hoffnung, es möge doch gehen. Ich habe Angst, nie wieder von meinen Schulden runter zu kommen, ewig auf dem jetzigen Niveau leben zu müssen.
Auf alle Fälle habe ich mir vorgenommen, nicht mehr ins Casino zu gehen. Ich strebe ein privates Insolvensverfahren an. Und ich brauche dringend einen Job.
Was nun die Selbsthilfegruppe anbetrifft: Ich laß es auf mich zukommen. Ja, meine Einstellung dazu ist (bis jetzt) abwehrend, skeptisch. Es wäre schön, wenn es wirklich helfen würde.
Wie ist es denn nun bei dir? Bist du "in Behandlung". Gehst du zu professioneller Beratung? Oder gehst du immer noch ins Casino? Oder versuchst du, alleine, ohne Hilfe (wie auch immer die aussieht) davon los zukommen?
Wenn du Lust hast, berichte ich dir von meinen Erfahrungen mit der Gruppe (im Rahmen der "zulässigen" Informationen - also mehr meine Gefühle während, nach den Sitzungen).

Auf alle Fälle wünsche ich dir, daß du deine Probleme lösen kannst. Wie ich mir selbiges wünsche

Bye
Timothy

Sandra
18.05.2003, 22:07
Hallo Timothy!

Nun, ich habe nicht gelacht, als ich Deinen Beitrag gelesen habe. Bei mir war es genauso, auch ich habe geglaubt, mit einem Gewinn von mehr als 500 € das Casino verlassen zu müssen, im Hinterkopf die Dinge, zu bezahlen waren, die Raten, die meine Schulden tilgen sollten usw. Bei mir gab und gibt es auch diesen Druck. Aber anstatt zu gewinnen, bin ich immer tiefer in der Schuldenberg hinein"geschlittert". Du hast geschrieben, daß Du Angst hast, nie wieder von Deinen Schulden loszukommen. Aber hast Du keine Angst, das Deine Schulden noch weiter wachsen, wenn Du weiterhin Roulette spielst und das es dann immer schwieriger wird, von Deinen Schulden loszukommen??

Ich habe jetzt ein paar Wochen nicht gespielt. Die Gedanken ans Spielen sind ständig da. Der Wunsch zu spielen auch. Manchmal macht es mich aggressiv, daß ich nicht spielen kann. Manchmal überkommt es mich und ich fühle mich ziemlich schlecht. Der Gedanke daran, daß es noch Ewigkeiten dauern wird, bis ich meine Schulden abbezahlt haben werde und die Frage ob ich sie überhaupt jemals abbezahlt haben werde macht mich verrückt. In Behandlung bin ich nicht. Ich weiß auch nicht so recht, ob ich das will. Aber ob ich es alleine schaffe? Ich weiß es nicht. Timothy, warst Du heute spielen??

Timothy
18.05.2003, 22:24
"Guten Abend" Sandra,

nein, ich war heute nicht spielen. Letzten Mittwoch, also vor 4 Tagen war ich das letzt mal im Casino. Ich hatte 350,- € , und nachdem ich 300 verspielt hatte war Schluß. Jetzt habe ich mir noch eine Monatskarte für Arbeitslosenhilfeempfänger gekauft, den Kühlschrank voll gemacht und habe noch 8,30 €.
Bis zum Monatsende. Meine Freundin, mit der ich am Freitag bei der Beratungsstelle war, gibt mir kein Geld (was ja auch richtig ist). Aber sie geht mit mir zusammen Lebensmittel kaufen. Und am 31. gibt es ja wieder Geld. Dies geht auf das Konto meiner Ex-Frau (ich habe kein eigenes Konto mehr). Davon wird dann die Miete bezahlt (mit meinem Vermieter, dem ich auch heute "reinen Wein" eingeschenkt habe, konnte ich mich ersteinmal einigen. Obwohl ich auch hier schon 3.300,- € Schulden habe). Und meine "Ex" teilt mir, auf meinen Wunsch, dann Geld zum Leben zu.
Ja, ich habe Angst. Und vielleicht hilft mir diese Angst, nicht mehr zu spielen.
Du schreibst, daß du keine prof. Hilfe in Anspruch nehmen möchtest. Das kann ich gut nachvollziehen. Auch ich tat mich schwer damit. Was heißt "tat" - quatsch: ich tue mich schwer damit. Erst der massive Druck meiner Freundin, die ganz klar mit Trennung gedroht hat, brachte mich dazu, diese Beratungsstelle aufzusuchen. Aber glaub mir, bereits nach diesem ersten Gespräch fühlte ich mich besser. Dann das Gespräch mit meinem Freund, dem ich 25.000,- DM schulde. Und er ist weiterhin mein Freund. Auch meine Freundin hält zu mir. Und sogar mein Vermieter hat, zumindest noch, Verständnis. Das sind ganz nette Leute. Und es tut weh, wenn man solche Leute, wie auch meinen Freund, meine Freundin - soviel Mensche, die man mag, liebt, die einem vertrauen hintergeht.
Hast du jemanden, mit dem du dich austauschen kannst?
Glaub' mir - man muß mit jemanden reden können.

Ich drück' dir die Daumen, daß du es alleine schaffst. Aber denk' trotzdem noch einmal über prof. Hilfe nach. Wie gesagt, mein Angebot, dir zu berichten, steht. Brauchst es nur anzunehmen.

Bis dahin alles Gute
Timothy

Claus
18.05.2003, 22:32
Und natürlich auch: Selbsthilfegruppe. Am Montag erster Termin. Aber helfen denn diese Gruppen? Ich habe da immer so ein Bild vor Augen, wie man es aus dem Fernsehen kennt. Z.B. "Einer flog übers Kuckucksnest"(okay, die waren "verrückt"), "Schwule Männer-Gruppe" etc. Also irgendwie immer "lächerlich". Was bringt das? Nur als "Kontrollorgan", "Disziplinierung"? Ich habe in meiner "Karriere" schon erfahren, was für ein geschickter Lügner man werden kann.
Vielleicht kann mir ja jemand sagen, was diese Gruppen bewirken, für ihn bedeuten?
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Hallo Timothy,
auf deine Aussage oder Frage mit den Spieler SHG antworte ich Dir in Form eines Witzes:
"Sitzen zwei Irre in der Klapse vorm PC und lesen in den Spielsucht-Foren die Beiträge und Aussagen von nassen "Zockern" die immer noch alles "Griff haben" wie sie denken! Ind Kontolliert Soielen können!?
Da sagt der eine Irre zum anderen: "Sowas läuft noch frei herum und uns haben sie in die Psychiatrie gesperrt"!

Gruss Claus

Timothy
18.05.2003, 22:59
Hi Claus,

ich verstehe zwar, was du mit dem Witz zum Ausdruck bringen willst. Allerdings beantwortet er, der Witz, nicht unbedingt meine Frage.

Gruß
Timothy

kary
19.05.2003, 07:41
Hallo,

ich selbst gehe seit vielen Jahren in eine Selbsthilfegruppe und kann nur sagen: Schleppt Euren Körper in die Gruppe, der Geist wird folgen.

Alles Liebe
Kary