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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Meine Tochter



Manfred
12.06.2003, 11:00
Hallo,

ich bin momentan total verzweifelt und weiß einfach nicht weiter. Meine Frau ist vor 2 Wochen an Krebs verstorben. Ging leider sehr schnell, da sie nicht zum Arzt ging und als man es endlich feststellte, war es zu spät. Bei einer Operation versagte dann ihr Herz. Nun habe ich in den Unterlagen meiner Frau nach wichtigen Dokumenten gesucht und dabei ihr Tagebuch gefunden. Nach langem Zögern habe ich es gelesen. Dort schrieb sie, dass unsere Tochter (24) seit 4 Jahren Spielerin ist und erst ihr Geld verspielt hat und dann der Prostituion nachging, um Geld zu bekommen. Ich muß dazu sagen, dass ich leider ein vielbeschäftigter und erfolgreicher Unternehmer bin. Dadurch hatte ich wenig Zeit für die Familie. Finanziell und gesellschaftlich stehen wir eigentlich sehr gut da. Natürlich verfluche ich das jetzt alles, kann es aber leider nicht rückgängig machen. Ich mache mir soviele Vorwürfe. Ich weiß jetzt nur nicht, wie ich mich meiner Tochter gegenüber verhalten soll. Ich will sie nicht verletzen oder verlieren. Ist sie aus dem Teufelskreis noch herauszuholen? Hat jemand vielleicht Erfahrung oder kennt jemand, der das auch gemacht hat? Bin für jeden Rat dankbar.

Habe das auch in einem anderen Forum geschrieben, aber dort gefällt es mir nicht. Wird auf Einzelne sehr herumgehackt und sind verletzend dort. Ich hoffe, dass das hier nicht so ist

norbert
12.06.2003, 13:56
hallo manfred, bin auch selbständig, erfolgreich - naja es gibt mich seit 9 jahren. das tagebuch ist bestandteil des erbes, es gehört dir nicht allein. was geschehen ist ist vorbei und läßt sich nicht zurückdrehen. gib deiner tochter das tagebuch und sage ihr einfach, daß es für dich unendlich wichtig wäre, wenn sie bereit ist mit dir zu reden. zeit ist immer dass was wir am wenigsten haben. auch eine bestimmte art zu arbeiten kann sucht sein, kann das weglaufen, nichtheranlassen von problemen und "banalitäten" sein. sage ihr doch, daß du dir dafür gern 1 wochenende oder wann immer sie will, zeitnehmen würdest... und wenn sie das tut, höre zu, verteidige dich nicht,gib keine ratschläge,mache keine vorwürfe, bitte um ein wenig zeit zum verstehen und redet dann unbedingt nochmals miteinander,vielleicht ein paar tage später. jede schnell äußerung,wertung, beratschlagung wird als oberflächlich und besserwisserei an ihr abperlen oder birgt zumindest die gefahr. wenn deine frau bescheid wußte hat deine tochter also schon mal den schritt getan, jemanden einzubeziehen. dies ist eigentlich das schwerste. sei nicht sauer daß du es nicht warst, oder laß es sie wenigstens nicht spüren. denn wenn ich ehrlich bin, ich wäre natürlich auch enttäuscht. ich wünsch dir kraft, wenn sie weg davon will, wird sie deine kraft brauchen. gruss norbert. ich würde mich freuen von dir zu hören. es gibt auch angehörigen gruppen, um verstehen zu können. allen gute 24 stunden

Kary
12.06.2003, 15:44
ich habe Dir auch schon in dem anderen Forum geantwortet und im Grunde dasselbe geschrieben wie Norbert. Ich hoffe, hier findest Du mehr Ruhe als drüben, um über Deine Probleme zu schreiben. Aber wo auch immer, ich werde mich bemühen Dir zuzuhören und da zu sein.

Liebe Grüße
Kary

Manfred
12.06.2003, 17:14
Danke für Eure lieben Ratschläge. Ja Kary, das andere Forum ist mir zu unruhig. Ich bleibe hier, schaue mir aber noch ein anderes an. Einer gab mir den Tipp www.die-spielsucht.de. Kennst Du das auch und bist Du auch dort? Werde mich dort mal anmelden, sieht sehr gepflegt aus.

Nun aber zu meinem Problem. Meine Tochter hat sich meiner Frau nicht anvertraut. Meine Frau hat es herausgefunden. Ein alter Freund der Familie sprach mit ihr darüber, als er sie in einem "Etablishment" angetroffen hat. Meine Frau hat dann einen Privatdedektiv beauftragt und der hat es herausgefunden. Ich erinnere mich, dass meine Frau vor einiger Zeit mit mir etwas besprechen wollte, aber ich hatte einen Großauftrag und keine Zeit für Familienprobleme. Ich Vollidiot!!!!!!! Meine Frau hat das alles alleine durchleben müssen. Sie hatte keinen, nur ihr Tagebuch. Ich fühle mich so schuldig an ihrem Tod.

Ich weiß nicht, wie ich mich meiner Tochter näher soll. Soll ich einfach sagen, hey Susann, lass uns reden? Ich weiß auch nicht, ob ich ruhig bleiben kann. Es ist einfach zuviel momentan für mich.

Danke fürs Zuhören

Kary
12.06.2003, 19:27
nein, in dem von Dir benannten Forum bin ich nicht. Ich bin schon aktiv in diesen zwei Foren und das kostet viel Zeit und Energie. Ein drittes wäre mir einfach zu viel. Ich brauche immer mal wieder auch Abstand und Pausen, um mich hier nicht zu sehr zu verlieren und zu verausgaben.
Tja, Ihr scheint ja ganz schön was versäumt zu haben in den letzten Jahren in Eurer Familie. Das Reden scheint viel zu kurz gekommen zu sein, wenn ich das richtig verstehe. Ich verstehe die Schuldgefühle gegenüber Deiner Frau, aber mal ehrlich, sie war doch alt genug, um selber für sich zu sorgen und zu sprechen. Bei so einem Problem wie mit Deiner Tochter gibt es einfach keinen, absolut keinen Grund nicht darauf zu BESTEHEN, dass Du Dir Zeit dafür nimmst. Ich weiß nichts von Eurer Beziehung, aber ich glaube, da hat jeder seinen Teil zu beigetagen, um echte Beziehung mit Kommunikation, Vertrauen usw. zu verhindern oder gar nicht erst zustande kommen zu lassen. Aber dafür ist es jetzt zu spät, denn sie ist tot. Aber, so schlimm das alles auch ist, so kann es auch eine Chance sein. Eine Chance für Dich und Deine Tochter aus den gemachten Fehlern zu lernen. Eine Chance, das wiedergutzumachen, was mit Deiner Frau nicht geklappt hat. Eine Chance eine Beziehung aufzubauen, eine echte, tiefe, innige Beziehung.
Ich sage das nicht einfach daher, sondern spreche aus eigener Erfahrung. Ich habe vor zehn Jahren meine Mutter an die Sucht verloren und lange getrauert, um sie als Mensch, um verpasste und nicht genutzte Gelegenheiten.......
Ich war wütend, dass sie mich hier einfach allein zurückgelassen hat, ich war erleichtert, dass das Leid endlich für sie ein Ende hatte, ich war hin und her gerissen zwischen Wut, Trauer, Schmerz, Erleichterung, Tränen, kurz ich war völlig durch den Wind.
Und irgendwann habe ich angefangen zu begreifen, dass ich ihren Tod nicht mehr rückgängig machen kann, dass ich die ganze Sch..... nicht mehr ändern kann und das mir nur eines bleibt: Mich um die zu kümmern, die noch leben und leiden. Bei mir war es mein Vater mit dem ich damals anfing eine Beziehung aufzubauen, hatte ich vorher kaum etwas mit ihm zu tun gehabt. Es ist nie zu spät. Er hatte nicht den Mut mit mir zu sprechen, also habe ich langsam damit angefangen und mittlerweile haben wir eine sehr offene, innige, friedvolle, ehrliche Beziehung. Das hat viele Anläufe, viele Versuche, viele Tränen, viel Energie, viel Einfühlvermögen, viele Auseinandersetzungen und einen Haufen Schmerzen gekostet, aber ich kann Dir Mut machen und sagen, es hat sich gelohnt.
Sprich Deine Tochter an. Rede mit ihr über Deine Trauer. Sage ihr, dass Du langsam beginnst Deine Fehler zu sehen und wie leid es Dir tut. Sprich über Dich und Deine Gefühle, tue das, was Du all die Jahre versäumt hast und ich bin mir sicher, dann wird auch sie Vertrauen finden und sich langsam öffnen.
Dafür wünsche ich Dir ganz viel Mut, Ehrlichkeit und Kraft, jede Menge Geduld und Einfühlvermögen. Denn das wirst Du brauchen. Deine Frau und Deine Tochter werden es Dir auf ihre Weise danken. Und letztlich bist Du Dir das selber schuldig.

Viele Grüße
Kary

Daria
12.06.2003, 21:48
Hallo Manfred,

zunächst einmal möchte ich Dir mein tiefes Mitgefühl aussprechen - das mit Deiner Frau tut mir sehr leid! Ich kann mir nur ansatzweise vorstellen, was Du gerade durchmachst....

Vielleicht steht es mir gar nicht zu - Dir "kluge" Ratschläge zu geben - denn schließlich versuche ich ja gerade selbst - dem Sumpf zu entfliehen. Aber vielleicht gelingt es mir ein wenig - die Situation Deiner Tochter nachzuvollziehen - denn schließlich bin ich auch Spielerin. Fest steht in jedem Fall, dass sie sehr sehr verzweifelt sein muß, wenn sie schon zur Geldbeschaffung der Prostitution nachgeht. Ich bin mir sicher, dass Du nicht drumherum kommen wirst - den ersten Schritt zu tun - denn dazu fehlt ihr mit Sicherheit der Mut - zu groß ist ihr Scharmgefühl - viel zu sehr fühlt sie sich beschmutzt. Ich selbst habe keine Sekunde darüber nachgedacht - mich meinen Eltern anzuvertrauen - und das - obwohl ich wirklich ein gutes Verhältnis zu ihnen habe - ich weiß nicht - wie es wäre, wenn sie mich darauf ansprechen würden - aber wahrscheinlich würde alles aus mir herausplatzen. Aber nur Du allein kannst Deine Tochter einschätzen - nur Du allein kennst den richtigen Weg - um sich ihr zu nähern. Vielleicht ist dieser unsagbar traurige Zeitpunkt ein Anfang um aufeinander zuzugehen. Ich wünsche Dir ganz viel Kraft - aber glaube mir eins - Deine Tochter wird sich Dir nicht von sich aus anvertrauen - sonst hätte sie es längst getan.

Alles hat einen tieferen Sinn - auch wenn man es manchmal nicht sehen möchte - aber mit Sicherheit trifft Dich keine Schuld am Tod Deiner Frau! Vorwürfe zermürben Deine Seele - und lähmen Dich davor zu handeln - vergangene Dinge kann man nicht mehr rückgängig machen - doch Du muß Dir ein wenig Zeit geben - um dieses Vergangene zu verarbeiten - und dann sehe nach vorn - zu dem Menschen, der Dir geblieben ist - und der Dich sehr braucht...!

Ganz viel Kraft wünscht Dir
Daria

Jürgen
12.06.2003, 23:37
Hallo Manfred,
der Verlust den Du durch Tod Deiner Frau erlitten hast ist für Dich sehr schmerzlich, ich möchte Dir auf diesem Wege mein aufrichtiges Beileid aussprechen. Vor ein paar Wochen noch wart Ihr, warst Du noch am Kämpfen, nun ist dieser Kampf ausgestanden. Deine Frau ist nicht mehr unter Euch,
nun bist Du im Moment auf Dich alleine gestellt, und Du
wirst damit leben müssen und wohl auch damit zurechtkommen.
Für Dich, für Euch, ist alles noch dermaßen frisch und jetzt ungewohnt, dieses Tal der Tränen. Auch Deine Tochter hat ihre Mutter verloren, hat im Moment als engsten Punkt
nun ihren Vater.
So schwer es für Dich nun ist, zu erkennen die Tochter ist
erwachsen, sie ging ihren eigenen Weg, einen Weg den ein Vater niemals für sein Kind akzeptieren würde, sei ihr jetzt Vater. Versuche es, zeige ihr, dass Ihr beide getroffen seid, versucht Euch gegenseitig Schutz zu geben.
Es ist alles noch so offen, es tut Euch beiden weh.
Das Tagebuch enthüllt, die Bedrängnis Deiner Tochter besteht seit längerer Zeit, wenn ich es richtig interpretiere. Es ist nicht nötig jetzt eine Lösung zu managen, das hat etwas Zeit. Ich kenne Deine direkte Situation nicht, weiß nicht, was Ihr beide für Möglichkeiten habt, miteinander zu sprechen.
Vielleicht denkt Deine Tochter, Du weißt alles, vielleicht
denkt sie auch, Du weißt von ihr so gut wie gar nichts?
Versuche mit ihr zu sprechen, zeige Dich ihr auch als Vater, der um ihre Mutter trauert, der mit ihr zusammen
traurig ist, der mit Ihr sprechen möchte, sprechen über
das was in einem sich ereignet hat, sich ereignet.
Ich würde das zusätzliche Problem im Moment außen vor lassen. Über miteinander Reden wird sich wahrscheinlich schon bald eine wie auch immer sich anbietende Lösung zeigen. Deine Tochter ist erwachsen, sie ist Dein Kind, aber
sie lebt zur Zeit in einer anderen Welt und Du kannst nur versuchen, sie allmählich zurückzuholen.
Vielleicht setzt Du Dich auch mit einer Fachberatung in Verbindung, die Deine Tochter irgendwann auch eine Auffangstelle sein kann?
Dein Problem ist im Moment riesig, gehe behutsam an alles ran, diese Kraft brauchst Du.
Ich wünsche Euch alles Gute.


längerer Zeit

Rolf
13.06.2003, 09:44
Von ganzem Herzen alles Gute.

Viele liebe Grüße, Rolf

Daria
17.06.2003, 21:58
Hallo Manfred,

wie geht es Dir ? Mache mir ein wenig Sorgen...

Kary
18.06.2003, 08:06
bin ich nicht besorgt, sondern verärgert.

Mit so einem heiklen Thema hier auftauchen, jeder bemüht sich sensibel darauf einzugehen und dann kommt nichts mehr. Da fühle ich mich ausgenutzt. Eine kurze Resonanz wäre sehr nett gewesen, aber wie war das mit den Erwartungen?
Schade, wirklich schade.....

Kary

Manfred
18.06.2003, 11:22
Zunächst möchte ich mich entschuldigen, dass ich solange nichts von mir hab hören lassen. Bitte nicht böse sein mit mir Kary. Aber ich habe viel um die Ohren. Ich möchte mich aber für Eure Ratschläge sehr bedanken. Ich habe sie so gut wie möglich in Anspruch genommen.

Am Wochenende war ich mit meiner Tochter in London. Dort hatte ich einen Geschäftstermin und meine Tochter wollte unbedingt mit. Wir verbrachten dann dort die ganze Zeit, sind erst Sonntag wieder zurückgekommen.

Aber das Wochenende hat sich gelohnt. Habe mir richtig Zeit für Susann genommen und wir haben offen und ehrlich über alles gesprochen. Ja, sie hat sich mir geöffnet. Natürlich nicht alles und hat auch gelogen, aber im Großen und Ganzen war sie ehrlich.

Wir haben jetzt einen Arzt und eine Gruppe gesucht und gefunden, zu der wir beide hingehen. Denn auch ich brauche Hilfe. Natürlich wird es Rückfälle geben, aber darauf kann man sich nicht vorbereiten. Ich werde meine Tochter bei allem unterstützen und hoffen, dass sie den Absprung schafft. Denn wie ich bisher gehört habe, kann sie es nur alleine schaffen. Aber ich werde für sie immer da sein. Ich werde beruflich jetzt auch kürzer treten, um mehr für sie dazusein.

Ich möchte mich hier bei Euch aber nochmal ganz herzlich bedanken. Ihr habt mir super geholfen. Ich finde sowas ehrt Euch. Ich bin jetzt aber auch viel in Christines Forum und habe zu ihr auch persönlichen Kontakt. Auch meine Tochter spricht mit ihr.

Danke Euch allen
Viele liebe Grüße
Manfred

Jürgen
18.06.2003, 11:57
Hallo Manfred,
auch ich war etwas besorgt wegen der doch prekären Situation bei Euch.
Nun zeigt es sich, dass über das miteinander Sprechen
sich scheinbar unüberwindbare Probleme handeln lassen.
Sehr schön für Euch, einen Anfang für eine stabile Zukunft
ist ja gemacht. Nun heißt es nur noch durchhalten, und das wird Euch beiden ja gelingen. Ich wünsche Euch dabei alles Gute.
Für mich ist es natürlich schon von Interesse, wenn Du in einiger Zeit mal eine Rückmeldung über Euer weiteres
Zueinanderfinden geben würdest.

So long
Jürgen

Kary
18.06.2003, 12:35
das freut mich für Euch beide.
Ich bin nicht sauer, war nur enttäuscht keine Resonanz zu bekommen, denn ich mache mir ja auch so meine Gedanken, manchmal vielleicht zu viele. Aber vielleicht sollte ich mir nochmal überlegen wie ehrlich meine Hilfsbereitschaft gemeint ist, denn wenn ich anfange Erwartungen zu hegen, sollte ich mich evt. doch erst mal besser um mich selbst kümmern. Sonst ist der Groll nicht mehr weit und den kann ich mir nicht erlauben.
Es wundert mich doch sehr, wie "schnell" Du das alles auf die Reihe kriegst. Ich bin echt baff. Schwanke zwischen "Das kann doch gar nicht sein" und "Prima, ist ja alles ganz einfach".
Wie auch immer, Du hast ja Hilfe gefunden und ich wünsche Euch beiden, dass Ihr auch weiterhin miteinander ins Gespräch kommt.
Würde mich freuen mal wieder was von Dir und Deiner Tochter zu lesen.

Grüßli
Kary

norbert
18.06.2003, 13:43
Ihr seid ein wahnsinnig großes stück vorangekommen.ich drücke euch die daumen. gruss norbert.allen gute 24 stunden.