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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Meine Geschichte



Marco
07.10.2003, 19:10
Mein Name ist Marco. Ich bin 27 Jahre alt, arbeite als Journalist und wohne in der Schweiz. Als ich zwölf Jahre alt war stand ich zum ersten Mal vor einem Geldspielautomaten. Genauer gesagt war es ein Geschicklichkeitsspiel, bei dem es nur wenig Geld zu gewinnen gab. Die Einsätze waren gering, der Gewinn auch, und entscheidend war nicht alleine das Glück, sondern auch das Geschick. Ich habe an diesem Automaten vielleicht 7 Euro verspielt, ein Verlust, der mich damals enorm schmerzte. Danach kam ich viele Jahre nicht mehr in Berührung mit Glücksspielautomaten, zumal sie in den meisten Kantonen (in Deutschland Bundesländer) nach und nach verboten wurden (bis auf einige staatlich bewilligte Automatenspielbanken, zu denen minderjährige aber keinen Zutritt hatten).

Erneut in Kontakt mit Spielautomaten kam ich auf einer Interrail-Tour 1999. Ich spielte unter anderem in der neuen Spielbank am Potsdammer Platz und in Skandinavien, wo Automaten, Blackjack- und Roulette-Tische in vielen Pubs zu finden sind. Ich hatte mich allerdings unter Kontrolle, verspielte insgesamt vielleicht 100 Euro.

Dicker kam es dann während eines Sprachaufenthaltes in Neuseeland. Dass mich Glücksspiele faszinieren, wusste ich schon längst und es war mir auch bewusst, dass ich durch das Spiel eine Gratwanderung unter die Füsse nehme. Nichts desto trotz besuchte ich zum ersten Mal ein Spielcasino. Das Casino in Auckland ist riesengross: Es gibt dort über 1000 Spielautomaten und über 100 Spieltische. Glanz und Glitzer, sowie die Aussichten auf einen grossen Gewinn faszinierten mich.

Nach anfänglichen Verlusten erlebte ich die Glückssträhne meines Lebens. Am Automatenspiel, beim Blackjack und insbesondere beim Roulette gewann ich viele Abende hintereinander, obwohl ich mit sehr bescheidenen Einsätzen spielte. Innert weniger Zeit gewann ich rund 5000 Dollar (ca. 3000 Euro) und war alsbald vom Gedanken besessen, dass diese Glückssträhne wohl für immer anhalten würde.

Sie tat es aber nicht. Ich habe während meiner Zeit in Neuseeland (rund 3 Monate) fast täglich in Spielcasinos gespielt (und mir während dieser Zeit viele Schönheiten dieses wunderbaren Landes entgehen lassen). Die 5000 Dollar habe ich wieder verloren. Zwar gewann ich immer mal wieder grössere Summen (mal 1000 Dollar, mal 2000 Dollar), unterm Strich dürfte ich letztlich aber etwa 1000 Euro verzockt haben.

Das war kein Problem, das konnte ich mir leisten. Ausserdem glaube ich heute, dass ich trotz abgebrochener Pechsträhne trotzdem riesiges Glück gehabt habe: Drei Monate Exzessiv-Casino und ein Verlust von "nur" 1000 Euro – wer kann das schon von sich sagen?

Zurück in der Schweiz wurde es allerdings schlimmer. Damals, im Jahr 2000, gab es nur einige Automatenspielbanken, die ich alsbald aufsuchte. Ich denke, dass ich damals schon süchtig war. Die Verluste wurden schnell grösser als damals in Neuseeland: mal verzockte ich 400 Euro an einem "schönen Nachmittag", an einem anderen warens schon 700 Euro, und so weiter und so fort. Das hab ich mir damals noch leisten können, weil ich als Journalist nicht schlecht verdiene. Ausserdem gab es in der Nähe meines Wohnortes keine Automatenspielbank, ich musste mit dem Zug rund eineinhalb Stunden fahren.

Gewonnen hab ich in diesen Automatenspielbanken so gut wie nichts mehr (was ja auch kein Wunder ist, die Gewinnchancen bei den Tischspielen sind ja doch um einiges grösser als bei den Automaten). Der einzige Gewinn, den ich während dieser Zeit einfuhr, betrug 350 Euro. Diesen Gewinn wollte ich in einen dreitägigen Kur-Aufenthalt in Österreich investieren. Mir war auch klar, weshalb ich dort hin wollte: es gab dort eine Spielbank, in der man – im Gegensatz zur Schweiz – auch Roulette und Blackjack spielen konnte. Die Bilanz dieser Reise: 1000 Euro verzockt. Ein weiteres Mal reiste ich in eine österreichische Stadt, ebenfalls um zu spielen: die Bilanz dieser Reise: 1500 Euro verzockt.

Noch immer hab ich mir das leisten können, weil ich ja noch immer nicht so oft spielen konnte. Wirklich schlimm wurde es aber im Sommer 2002, als in der Schweiz ein neues Spielbankengesetz in Kraft trat. Seither gibt es bei uns mehr Spielbanken, und es kann auch Roulette und Blackjack gespielt werden. Von meinem Wohnort aus erreiche ich die nächstgelegene Spielbank innert 20 Minuten, eine andere in 40 Minuten. Zwei weitere Spielbanken befinden sich je eineinhalb Stunden von mir entfernt. Die Verlockung wurde also grösser – im Gegensatz zu meinen Gewinnen.

Klar: Ich gewann mal 750 Euro, mal 350, dann wieder 200, meistens allerdings verlor ich. Auffallend war in allen Gewinn-Fällen: Geld nach Hause genommen hab ich immer nur dann, wenn ich aus terminlichen Gründen gezwungen war, die Spielbank zu verlassen. Ich bin zwar mit der Zeit vorsichtig geworden, verspielte nicht mehr so viel aufs Mal. Dafür spielte ich öfters, nicht täglich, aber oftmals wöchentlich oder an zwei Tagen hintereinander. Steter Tropfen hölt den Stein und eines Tages war mein Erspartes futsch.

Ich war zwar immer genug stark, nicht über meine finanziellen Verhältnisse zu spielen. Das heisst, ich habe keine Schulden gemacht und niemanden angepumpt. Ich habe alles daran gesetzt, mein Leben so weiter zu führen wie bis an. Unter allen Umständen wollte ich vermeiden, dass jemand von meinem Doppelleben erfährt.

Das ist mir gelungen: Ich hatte immer genug Geld, um auszugehen, meine Rechnungen zu bezahlen und mit meinen Freunden ins Wochenende oder in Urlaub zu fahren. Ich habe genau gerechnet, kalkulliert, nicht dass irgendwann mal auffallen würde, dass ich Knapp bei Kasse wäre.

Daneben habe ich aber munter weiter gespielt, jeden freien Euro in die Spielbanken getragen. Auffallend war: Sobald ich kein freies Geld mehr hatte, war es für mich kein Problem, nicht zu spielen (auch wenn ich noch Geld für Rechnungen, unvermeidlicher Lebensunterhalt auf dem Konto hatte). Dies vermutlich deshalb, weil mir die Dringlichkeit der Verheimlichung meiner Sucht doch noch wichtiger schien als das Spiel.

Ich kann nicht sagen, dass ich während dieser Zeit permanent unglücklich gewesen wäre. Ich führte mein soziales Leben weiter, ging pflichtbewusst zur Arbeit, traf mich mit meinen Freunden. Erst wenn ich wieder Geld frei hatte, nahm der Drang zum Spielen zu. Wenn ich dann verlor, war ich eine Zeitlang todunglücklich, dann aber auch wieder froh, weil der Drang zu Spielen weg war. Es klingt verrückt: Ohne freies Geld fühlte ich mich wohler, als mit freiem Geld – denn dieses musste so schnell wie möglich weg.

Ich denke, die Motivation des Spielens war für mich folgende: Ich war auf der Suche nach Glück. Ich war (und bin es vielleicht noch immer) besessen vom Gedanken, echtes Glück erspielen zu können. Ich bin meist dann spielen gegangen, wenn mir langweilig war (an Wochenenden zum Beispiel, wenn grad keine Freunde da waren und andere Freunde ihre Zeit mit ihren Freundinnen verbringen). Wenn ich schon kein Glück in der Liebe habe, so sagte ich mir, habe ich vielleicht ja Glück im Spiel. Wenn ich dann einsehen musste, dass ich weder Glück in der Liebe noch Glück im Spiel habe, war dies besonders deprimierend und das Schlimmste aller erdenklichen Gefühle.

Das letzte Mal gespielt habe ich vor rund drei Wochen. Ich verlor mal wieder alles freie Geld, hatte aber eben noch genug beisammen, um nach Gran Canaria zu fliegen, Ferien, die ich schon lange mit einem Freund vereinbart habe. Zurück aus den Ferien bin ich nun so ziemlich ebenaus, das heisst, kein Geld über, aber auch keine Schulden.

Nach reiflichen Überlegungen habe ich nun einen (vorläufigen) Schlussstrich gezogen. Ich habe gestern einen Brief zur Post gebracht, in dem ich meine Spielsperre für sämtliche Spielbanken der Schweiz beantragte. Das heisst, ich kann habe in den Casinos ab sofort keinen Zutritt mehr. Was das für mich bedeutet, weiss ich in letzter Konsequenz noch nicht. Da ich zur Zeit kein Geld frei habe, ist mein Drang zu spielen im Augenblick nicht sehr gross. Deshalb fiel es mir wahrscheinlich auch relativ leicht, diesen Brief abzuschicken. Wie es allerdings sein wird, wenn ich wieder etwas Geld frei habe, weiss ich nicht. Werden mich Entzugserscheinungen plagen?

Ich gebe zu, ganz konsequent bin ich (noch) nicht: Die Türen zu den österreichischen und den deutschen Spielbanken stehen mir nach wie vor offen. Diese sind allerdings nicht in unmittelbarer Nähe. Regelmässig hinfahren kann ich also nicht, und ein gelegentliches Spiel, so alle zwei Monate mal, könnte ich mir wohl leisten. Ansonsten gibt es in meiner Nähe nur einige ganz kleine Spielhallen (in denen ich mich nicht sperren lassen kann) mit je drei Spielautomaten. Dass ich dort oft spielen werde, schliesse ich aber ziemlich aus, weil mir das bestimmt bald langweilig würde und weil ich Angst davor hätte, erkannt zu werden.

Das wäre also meine Geschichte, die ich hier einfach mal deponieren wollte. Vielleicht mag sie jemand von Euch kommentieren? Ich bin zuversichtlich, durch die mir selbst auferlegten Schranken das Spiel in den Griff zu bekommen. Mitte Dezember bekomme ich ein 13. Monatsgehalt (doppelter Lohn). Spätestens dann werde ich wieder etwas Geld frei haben und damit hoffentlich Sinnvolleres anzustellen wissen.

Herzliche Grüsse,
Marco

Rudi
07.10.2003, 20:49
Halb Schwanger geht genau so wenig, wie halb mit Spielen aufhören. Zu viele Hintertürchen sind auf. Zu viele wenn und aber . Wie ist dein sozialer Status gegenüber deinen gleichverdienenden Kollegen?
Versuch es nicht mit halben Herz! Stehe hinter deiner Sache und suche dir Hilfe. Allein ist es kaum zu schaffen. Du bist intelligent und stark genug aufzuhören. Werde der
Sieger gegen deine Sucht. Du schaffst es ,wenn du willst!!
Ich drücke fest die Daumen für Dich.
Im übrigen bin ich selbst spielsüchtig.3 Jahre bin ich trocken. Ich brauche immer noch Hilfe. Aber es geht mir so gut wie nie.Nicht nur finanziell,insbesondere auch in sozialer Hinsicht.
Kämpfe für dich, eslohnt sich!
Alles Gute,Rudi

Marco
16.10.2003, 15:16
Ich habe gestern vom Casino den Brief erhalten: Ab sofort erhalte ich in sämtlichen Casinos der Schweiz keinen Zutritt mehr – unbefristet. Frühestens nach einem Jahr könnte ich den Antrag ans Casino richten, dass ich wieder spielen möchte. Werd ich aber nicht tun, weil ich dann mein Konto offenlegen und glaubhaft machen müsste, dass ich mit dem Spiel kein Problem mehr hätte. Irgendwie bin ich froh, nicht mehr spielen zu können, irgendwie ist es aber jetzt, wo's definitiv ist, doch ein sehr komisches Gefühl

Verena Fachstellenteam
16.10.2003, 17:13
Lieber Marco,
die Selbstsperre ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung. Warum lässt du dich nicht gleich auch in Österreich und der BRD sperren?
Die Auseinandersetzung mit Deinem Glücksspielverhalten bleibt jedoch aus meiner Sicht ein wenig halbherzig, wenn du nun hoffst, dem Spieldrang irgendwie zu entkommen. Einer Glücksspielsucht oder einem problematisches Glücksspiel-verhalten ist durchaus gut mit therapeutischer Hilfe zu begegnen. D.h. Wer sich in darauf ausgerichtet stationäre oder ambulante Therapieeinrichtungen begibt, hat sehr gute Chancen diese Verhalten zu stoppen. In der Regel ist dafür sicherlich Durchhaltevermögen, aber auch die Bereitschaft sich mit seinem Leben, seinen Zielen etc. auseinander zusetzen. "Wie bin ich der geworden der ich heute bin" ist dabei eine wichtige Leitfrage. Also, wenn du dich ernst nimmst in Deinen Bemühungen, ein Leben ohne den Reiz von Glücksspielen leben zu wollen, mach doch gleich den 2. Schritt nach dem Ersten und wende Dich an eine Beratungsstelle in Deiner Nähe, und suche Dir jemanden der Dich bei diesem Prozess begleitet.

Mit herzlichen Grüßen
Verena Fachstellenteam

16.10.2003, 23:43
Liebe Verena,

Vielen Dank für Deine Antwort. Dass ich von Deinem Vorschlag, eine Beratungsstelle aufzusuchen, wenig begeistert bin, kannst Du Dir sicher denken. Was, so frage ich mich, können die für mich tun? Weisst Du, es ist nicht so, dass ich mit meinem Leben nur unzufrieden bin. Ich weiss schöne Augenblicke durchaus zu schätzen, bin vielseitig interessiert, habe auch eine gute Handvoll Freunde. Das Spiel hat aber nie mein ganzes Leben beherrscht. Ich bin meinen Pflichten immer nachgekommen, habe gute Arbeit geleistet und Feste gefeiert. Unschön waren lediglich die Minuten oder Stunden nach einem erfolglosen Casino-Besuch oder die Zeiten, wenn der Drang zu spielen, wieder zunahm.


Ich bin ein sehr analytisch denkender Mensch. Das heisst, ich setze mich sehr intensiv mit mir und meinem Leben auseinander, kenne meine Wünsche und Ziele. Manche Ziele habe ich schon während meiner Spielzeit erreicht. Es ist also nicht so, dass mir das Leben vollends entglitten wäre. Für manche Ziele hab ich auch gekämpft, meine Willensstärke erfolgreich unter Beweis gestellt – ich habe zum Beispiel innert kurzer Zeit 25 Kilo abgenommen, beinahe mein Ideal-Gewicht erreicht, mein Essverhalten geändert und mehr Sport getrieben. Körperlich fühle ich mich heute wesentlich wohler als früher, und das habe ich auch ohne medizinische Hilfe geschafft. Und ich bin auch zuversichtlich in abesehbarer Zeit vom Rauchen loszukommen. Weshalb sollte es beim Spielen nicht klappen?

Dein Vorschlag, mich auch in den Casinos in Österreich und in Deutschland sperren zu lassen, macht bestimmt Sinn. Ob ich es tun werde, weiss ich heute noch nicht. Irgendwie stosse ich mich am Gedanken, als mündiger Mensch irgendwo nicht mehr hin zu können. Man ist schliesslich erwachsen und mündig. Lust zu spielen hab ich zur Zeit überhaupt keine (obwohl ich wieder etwas Geld frei hätte). Nicht spieln zu können stört mich zur Zeit weniger, als der Gedanke daran, nicht spielen zu dürfen. Verstehst Du, was ich meine?

Was ist Spielsucht? Ich habe in Casinos Leute gesehen, die fest daran glaubten, das Glück beeinflussen zu können und die Automaten zu hypnotisieren versuchten. Ich lese hier im Forum, dass das Leben anderer Spielsüchtiger aus Lügen und Schulden besteht. All das ist bei mir nicht der Fall. Ich habe nie gelogen, nie über meine Verhältnisse gespielt. Gibt es verschiedene Arten von Glücksspielsucht? Gibt es verschiedene Grade? Irgendwie habe ich das Gefühl, kein typischer Spielsüchtiger zu sein. Ich weiss nur, dass ich trotzdem ein Problem habe mit dem Spiel.

Marco

Ann
17.10.2003, 12:51
Lieber Marco,
ich habe nach deinen Schilderungen eher das Gefühl, du stehst noch am Anfang.

Du erkennst zwar ein wenig dein Problem (sonst wärst du nicht hier und nicht gesperrt), aber du wehrst dich gegen den Begriff Sucht.
Wenn du nicht die Notbremse ziehst und aufhörst, wirst du über kurz oder lang da landen, wo die anderen schon sind! (Lügen, Schulden usw.)

Ann

Marcin_22
17.10.2003, 17:19
hallo marco ich weiss wie es ist ich habe selber das problem

Tommala
17.10.2003, 17:23
Hi Marco meine mutter gabriella ist auch spielsüchtig und alkoholikerin

Rudi
17.10.2003, 21:09
Hallo Marco!
Warum bist du im Forum ? Weil du erkannt hast, das bei dir im Punkto Spiel doch wohl nicht alles so gerade läuft.
Süchtig, nicht süchtig? Warum beherrscht der Gedanke an das Spiel so viel Zeit bei dir? Ein nicht Spieler hätte nach einen Verlust im Spiel evtl. etwas Wut auf sich selbst, Geld eingesetzt zu haben. Aber damit wäre das Thema abgehakt. Doch bei dir ist es doch ein wenig anders. Du schreibst praktisch eine Entschuldigung für dein Spiel.
Erwartest du von uns ,das wir sagen, du bist nicht spielsüchtig? Da hast du dir die falschen Partner ausgesucht. Wie schon in meiner ersten Antwort kurz angedeutet, halb spielsüchtig gibt es nicht.
Du suchst Antworten. du hast mehrere erhalten. Kannst du dir vorstellen, das diese Antworten ehrlich gemeint sind?
Wir Spieler haben alle ein großes schauspielerisches Talent.Deine Erzählung glaube ich. Doch irgendwie beschönigst du alles. Bei MIR ist alles halb so schlimm.
Das hat jeder Suchtkranke einmal von sich behauptet.
Dein Schiff hat ein Leck. Stopfe es zu, bevor es untergeht.
Alles Gute Rudi.

Jürgen
24.10.2003, 21:27
Hallo Marco, habe gerade Deinen Brief gelesen.
Ich hänge nun schon seit 3 Jahren in der Tinte und es ist sehr schwer da raus zukommen, da der Tintenfisch sein Kraken ausgefahren hat und mich nicht loslässt.
Wenn Du Deinen Druck so in Grenzen halten kannst, wenn Du kein Geld mehr hast nicht mehr zu spielen, dann bewundere ich dich, das soll aber kein Lob sein, und hoffentlich meinst Du es auch ehrlich, wovon ich ausgehe. Noch sitzt Du nur in der Tinte, da ist noch kein Tintenfisch, aber er ist nicht mehr weit weg. Jetzt mußt Du Deinen Schlußstrich ziehen, dann wird es Dir gut gehen. Du stehst auf der Kippe, wirklich, du musst Dich entscheiden, geh bitte den richtigen Weg, hör auf zu spielen. So hat es bei uns Spielern alle angefangen, erst Glücksträhne, Du hast den Überblick noch, kannst es kontrollieren, aber nicht mehr lang, dann findet eine Verschmelzung statt ohne das Du anfangs merkst, ein Teufelskreis bildet sich. Hör jetzt auf und geniesse Dein leben, ansonsten hast Du nicht mehr viel zu geniessen. Ich bin zwar ein Greenhorn hier im Forum, aber den Tip kann ich Dir geben.

Grüße von Jürgen

Verena Fachstellenteam
30.10.2003, 14:35
Hallo Marco,
ich komme erst jetzt dazu auf Deine Antwort vom 16.10. zu reagieren. Natürlich gibt es unterschiedliche Phasen in der Entwicklung einer Glücksspielsucht.
Also, was ist Sucht. Hier eine Definition "Sucht ist ein unabweisliches Verlangen nach einem bestimmten Erlebniszustand. Diesem Verlangen werden die Kräfte des Verstandes untergeordnet"( Wanke 1984). D. h. mit analytischem Denken alleine ist ihr nicht beizukommen. Die typischen Merkmale sind: Der Kontrollverlust, die Bindung an das Glücksspiel, die Eigendynamik des Suchtprozesses. Der Verlauf der Entwicklung vom steuerungsfähigen Gelegenheitsspieler, über den Gewohnheits- bis hin zum süchtigen Glücksspieler, lässt sich prozesshaft in drei Stadien unterteilen, die keineswegs gradlinig verlaufen.
Im Anfangsstadium steht eine positiv erlebte Gewinnphase. Gewinne werden in dieser Zeit als persönliche Fähigkeiten erlebt und heben das Selbstwertgefühl. Im Sinne eines Verstärkungslernen wird wiederholt was positiv erlebt wurde. Über ein sich zunehmend einschleifendes Gewöhnungsstadium, dass häufig auch Verlustphase genannt wird entwickelt sich unmerklich fortschreitend die süchtigen Chronifizierung des Verhaltens, die sog. Verzweiflungsphase. Im Vordergrund steht also die psychische Abhängigkeit. D.h. also, der Glücksspieler spielt um einen bestimmten psychische, als positiv erlebten Zustand zu erreichen. Die schnelle Abfolge von Gewinn und Verlust führt in einen rauschähnlichen Zustand. (Kick) Fast alle Spieler sprechen von Entspannungs- und Erleichterungsgefühlen während des Glücksspieles.
Wichtig ist mir noch, dass es zu m Auseinandersetzungsprozess gehört, mit sich zu hadern, ob man nun noch kontrolliert spielen kann oder nicht. Die Gefahr ist, daraus einen intellektuellen Machtkampf b zu inszenieren.
Dabei wird übersehen, dass man kann ein bestimmtes Verhalten nur dann zum Stillstand bringen, wenn klar ist welche psychische Funktion dieses bei der Ausbalancierung des Gefühlshaushaltes übernimmt.
Denn die zentrale übergeordnete Funktion von Suchtmitten und Glücksspielen aller Art ist die Beeinflussung der Stimmung, des Antriebes etc. Welche Gefühle das im einzelnen sind muss jeder für sich erarbeiten.
Grundsätzlich denke ich, dass Du noch relativ am Beginn Deines Auseinandersetzungsprozesses stehst. Eine Frage: Überwiegen für Dich die Vorteile oder Nachteile des Glücksspielverhalten? Ich weiß es nicht. Ob Du ein süchtiger Spieler bist oder nicht ist eine Frage des Selbsterlebens, der Eigendefinition. Vielleicht bist Du auf dem Weg dahin, wenn Du Dein Spielverhalten nicht änderst. So ist es nur gut, dass Du Dein Verhalten derzeit reflektierst und hinterfragst. Es muss nicht jeder den Weg bis in die totale Überschulden gehen.
Die Antwort ist nun doch etwas länger geraten.
Mit herzlichen Grüßen Verena Verhoeven (Fachstellenteam)

Marco
01.11.2003, 23:27
Lieber Rudi, lieber Jürgen, liebe Verena,

Herzlichen Dank für Eure Antworten; ich spüre, dass Ihrs ehrlich meint!

Ich hatte heute einen völlig beschissenen Abend. Ein Date ging total in die Hose, so schlimm hab ich's noch nie erlebt. Der "Spass" dauerte satte 20 Minuten, und ich bin froh, dass es keine Minute mehr war. Jedenfalls fühl ich mich sowas von down jetzt, und wenn ich zu den Spielbanken noch Zutritt hätte, so ginge ich jetzt garantiert hin, so nach dem Motto "Wenn schon Pech in der Liebe, dann wenigstens Glück im Spiel".

Ich denke, ein Gewinn im Glücksspiel könnte mich jetzt echt aufbauen. Nach einem Verlust hingegen würde ich mich kaum beschissner fühlen als ohnehin schon. Aber eben, ich habe mich ja sperren lassen und kann nicht spielen jetzt. Das ist bestimmt gut so, aber irgendwie fehlt mir jetzt ein Ventil, um mich abreagieren zu können.

Verena, Du schreibst, dass ein Spieler glaubt, aufgrund seiner Fähigkeiten das Glück beeinflussen zu können. Das glaube ich nicht. Ich weiss, dass ich das Glück nicht beeinflussen kann, und das macht für mich erst den Reiz des Spieles aus. Ich will Glück haben, von Fortuna begünstigt werden, nicht, weil ich glaube, den Fall der Roulettekugel beeinflussen zu können, sondern einfach weil ich ja auch mal Glück haben könnte.

Mein Problem, so glaube ich, ist nicht das Spiel an und für sich, sondern das Glück. Ich habe festgestellt, dass ich versuche, wenn ich irgendwo Pech habe, das Glück irgendwo anders zu kompensieren. Konkret heisst das: Wenn ich Pech im Spiel habe, mach ich mich auf die Suche nach dem Glück in der Liebe. Wenn ich in der Liebe Pech habe, so mache ich mich auf die Suche nach dem Glück im Spiel. Vielleicht habe ich zwischendurch auch mal einen beruflichen Erfolg. Dann habe ich Glück im Job, das ist auch gut. Ich stelle also fest: Es geht mir nicht so sehr ums Glück im Spiel, als viel mehr ums Glück im Leben.

Heute, wo ich Pech in der Liebe habe und danach nicht spielen konnte, habe ich Fastfood und Schokolade in mich hineingefuttert. Und es scheint, als hätte ich auch dadurch eine Art Glückszustand erreicht. Wobei mir klar ist, dass ich das nicht regelmässig tun kann, muss ja auch aufs Gewicht achten. Abgesehen davon habe ich auch festgestellt, dass ich einen ähnlichen Glückszustand erreiche, wenn die Wage mal wieder ein paar hundert Gramm weniger anzeigt.

Wie ich da so schreibe, fällt mir auf, dass es mir vielleicht nicht nur ums glück geht, sondern vielmehr um den erfolg. glück und unglück - erfolg und misserfolg, gibts da einen unterschied? ich hoffe, Ihr versteht, was ich sagen will. Und wenn nicht, ist's auch nicht schlimm – verstehe es ja selbst nicht ganz.

Liebe Grüsse,
Marco