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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Mein Freund hat ein Problem



Dorit
28.10.2003, 16:52
Mein freund (wir sind seit einem halben Jahr zusammen) hat mir gleich ziemlich am Anfang erzählt, dass er spielsüchtig war, er seine Familie und ehemalige Freunde belogen hat usw. aber das wäre jetzt vorbei. Das habe ich ihm natürlich geglaubt, weil ich mir über Spielsucht noch nie Gedanken gemacht habe und mich auch noch nie damit beschäftigt habe. Mir war nicht bewusst, wie schlimm so etwas sein kann. Wir wohnen auch ziemlich weit auseinander, deshalb kann ich nicht jeden tag bei ihm sein.
Gestern hat er mich angerufen und mir erzählt, er wäre schlecht drauf wüsste aber nicht wieso...eine Stunde später hat mir eine sms geschrieben: ich bin strak gefährdet zu zocken - ich habe ihn dann natürlich sofort angerufen, aber da saß er schon an so einem bescheuerten Automaten und hat sein geld verzockt.
ich bin natürlich voll ausgeflippt und habe gesagt er soll sofort nach hause gehen....
Man, was soll ich denn jetzt machen? er kommt morgen zu mir...ich kann doch davon ausgehen, dass er spielt....weil ein bißchen Alkoholiker gibt es auch nicht.
Bitte helft mir, ich weiß nicht wie ich darauf reagieren und wie ich damit umgehen soll. Er verdient gut und ist meiner Meinung nach sehr intelligent....ich weiß, es ist ein Klischee, wenn man denkt nur Sozialfälle setzen sich in Spielhallen..
ich bin einfach nur so durch den Wind, weil ich nicht weiß, wie ich reagieren soll

Ann
29.10.2003, 12:56
Bleib erstmal ruhig und rede mit ihm.

Weißt du, wie lange er spielt, ob er eine Therapie macht, wie lange er schon nicht mehr gespielt hat (vor dem letzten Mal, von dem du weißt)?

Mir ist es genauso ergangen wie dir, mein Freund hat mir am 3.Tag gesagt, daß er spielsüchtig ist, aber nicht mehr spielt. Ich hab ihm geglaubt. Aber ich hab ihm Löcher in den Bauch gefragt. Weil sich auch bei mir eine Unruhe eingestellt hat, da mein Vater Alkoholiker ist.

Es hat sich bei mir gezeigt, daß das Reden sehr hilft und ja - er ist tatsächlich spielfrei geblieben.

Also: Zeig ihm deine Unruhe und deine Unsicherheit, erklär ihm wie du dich fühlst und warte ab, wie er reagiert.
Und meld dich mal, wenn du willst, wie es gelaufen ist!

Ann

Dorit
29.10.2003, 13:32
Ja, das werde ich heute auch machen, bin seit 2 Tagen Tag und Nacht im Internet unterwegs um etwas über Spielsucht zu erfahren, da ich überhaupt keine Erfahrungen damit hatte....aber soll ich mal was sagen? Wenn ich lese, wie sehr die Freundinnen und Frauen der Spieler leiden, da habe ich richtig Angst. Ehrlich! Mir war nicht bewusst, wie schlimm Spielsucht überhaupt ist und wie schlimm es um manche Leute bestellt ist. Es ist alles so super mit ihm, er ist so nett und ich möchte ihn nicht verlieren - aber Spielsucht ist nicht heilbar, man wie schlimm das ist und ich weiß nicht, ob ich das alles so ertragen könnte, die Lügen und das alles....

Ich werde mit ihm reden und da ich in 2 Tagen schon ziemlich viel gelesen habe, kriege ich das auch hin. Man, er tut mir so leid!

Ann
29.10.2003, 22:44
Hallo Dorit,
So hilflos und überfordert wie du dich zur Zeit fühlst, das kann ich gut nachempfinden. Mir ging es am Anfang ganz genauso wie dir. Nur durch die zahlreichen Gespräche mit meinem Freund und in den Foren habe ich gelernt, damit umzugehen.

Tu dir selbst einen Gefallen - versuche, das Mitleid auszuschalten. Versuche von Zeit zu Zeit, weiterhin in ihm den Menschen zu sehen, in den du dich verliebt hast. Ich nehme mir einmal am Tag bewußt Zeit, in der ich an meinen Freund denke und die Spielsucht bewußt ausklammere.
Damit ist die Spielsucht nicht immer vordergründig (aber auch nicht ganz vergessen). Denn der Mensch ist doch immer noch der gleiche.....

Das schaffst du!

Ann

Dorit
30.10.2003, 08:56
Ich habe mit ihm geredet und es ist schlimmer als ich es erwartet hatte oder sagen wir mal gehofft hatte. Er ist jetzt 34 und spielt seit er 16-17 ist. Er hat auch einmal eine Therapie gemacht, die hat ihm auch nicht geholfen und soll ich mal sagen, warum es ihm nicht geholfen hat? Weil er es gar nicht will! Ich habe ihn gefragt, warum er damals die Therapie gemacht hat und er hat gesagt, weil es nicht anders ging! Seine Bank und die Umstände etc. hätten ihn mehr oder weniger dazu gezwungen!
Aber er würde ja nicht mehr so viel spielen und so wie es jetzt wäre wäre alles okay blabla...ich habe ihn gefragt, warum er mir das nicht gleich gesagt hat, aber er empfindet es so, "Er ist kein Spieler mehr, auf jeden Fall nicht so wie früher" - tolle Aussage echt!
Ich habe ihm gesagt, er muss damit aufhören und endlich Verantwortung für sich und sein leben übernehmen!
Mal im Ernst, ich könnte das nie ertragen, so wie ihr alle, ein leben neben einem Süchtigen, diese Hilflosigkeit ihm nicht helfen zu können und zu sehen wir er gar nicht aufhören will.
Ich denke seit gestern abend daran, die Beziehung zu beenden, aber das Schlimme ist, ich liebe ihn so - man was soll ich denn bloß machen?

Ann
30.10.2003, 13:38
Liebe Dorit,
mein Freund ist 38, Spieler seit er 17 ist.
Auch bei ihm hat es lange gedauert, bis es "klick" gemacht hat. Das ist die Krux bei der ganzen Sache: Der Spieler muß selbst erkennen, daß er ein Problem hat. Tut er das nicht, wird er jeden Versuch, ihn zu einer Therapie zu bewegen, als Angriff werten. Nur ist es so, daß ein kontrolliertes Spielen für einen Spieler genauso unmöglich ist, wie kontrolliertes Trinken für einen Alkoholiker. Also mußt du davon ausgehen, daß er noch ziemlich tief drin hängt. Und um selbst da rauszukommen mußten die meisten erst ziemlich tief fallen (das können dir die Spieler hier auch bestätigen).

Du tust gut daran, auf dich selbst zu achten. Zu schnell werden auch die Angehörigen mit hineingezogen. Und ich sage dir ganz ehrlich, jahrelang würde ich das auch nicht mitmachen. Wenn es anfängt, mich zu zerfressen und "klein" zu machen, gehe ich. Auch wenn ich meinen Freund über alles liebe.

Wichtig ist, daß du ihm jetzt unter keinen Umständen mehr Geld leihst oder ihm sonst irgendwie aus der Patsche hilfst. Damit verlängerst du nur den Weg zu seiner Erkenntnis, daß er krank ist. Wenn du ihm Konsequenzen (also z.B. Trennung) androhst ohne dies auch wirklich durchzuziehen, wird er schnell herausfinden, daß er mit dir alles machen kann. Drohe ihm also nur mit Dingen, die du auch wirklich tun wirst.

Ann

PS: Ich würde dir auch gerne per email schreiben. Leider bin ich in einem anderen Forum unter diesem Nicknamen belästigt worden, so daß ich meine email-Adresse nicht öffentlich hier hinschreiben möchte. Wenn du dich bei Rolf (www.spielsuchtgruppe.de) oder Christine (www.die-spielsucht.de) anmeldest, kann ich dir eine Private Nachricht mit meiner Email-Adresse schicken, wenn du möchtest.

Dorit
30.10.2003, 14:51
Ich melde mich mal bei Rolf an! Danke Dir

Ilona
30.10.2003, 15:54
Ich finde, daß er dir von Anfang an erzählt, wie es um ihn steht und sogar zugibt, Menschen belogen und betrogen zu haben - das ist schon viel wert! Dann hat man nämlich die Möglichkeit, noch bevor die Beziehung gefestigt wird, zu entscheiden: Will ich damit leben oder nicht. Steckt man emotional erstmal drin und liebt diesen Menschen über alles, ist man für seine Fehler oft blind, will vieles nicht wahrhaben, versucht zu verdrängen, zu beschönigen... Ich weiß, wovon ich spreche/schreibe. Habe erst viel später - durch eigene Nachforschungen - erfahren, wie es um ihn steht. Hinzu kam noch eine massive Beschaffungskriminalität, in die ich und sogar meine Kinder! mit einbezogen wurden. Kam man ihm auf die Schliche kam, hat er es glattweg abgestritten - sowohl bei mir als auch bei sämtlichen Arbeitgebern zuvor, Ex-Partnerinnen... Ich befand mich auch in einem riesigen Konflikt: Um selbst nicht weiter in diesen Sumpf hineinzugeraten, müßte man sich trennen von einem Menschen, den man liebt. Und ihm nicht helfen zu können - es sei denn Hilfe durch Nichthilfe... Bin noch mittendrin. Und habe auch erfahren, daß man (jeder: ich und auch ihr) viel Hilfe erfahren kann durchs Gebet zu Jesus. Er kann freimachen! Sowohl Spieler als auch Angehörige. Und einem die Einsicht schenken, welches Verhalten "dran" ist, während wir Menschen oft hilflos herumeiern...Sorry, jetzt ist es ein ganzer Roman geworden, aber das wollte ich mal loswerden. Gruß, Ilona

Ann
30.10.2003, 17:36
Dorit, nur ganz kurz, ich bin grade im Stress. Habe deine Anmeldung gesehen und melde mich, kann aber morgen werden...

Ann

Dorit
31.10.2003, 12:09
Danke Ilona für deinen Zuspruch, habe gestern noch mal mit ihm geredet und er ist schon sehr offen, ich glaube, er ist froh, dass er mit jemandem reden kann - aber ich liebe ihn ja jetzt schon über alles und deshalb werde ich ihn nicht verlassen. Ich muss nur aufpassen, dass ich mich nicht emotional zu doll reinziehen lasse. Das ist schwer!

Ich muss versuchen ihm eine Freundin zu sein und hoffe, dass er es schafft.

Regga
02.11.2003, 01:37
Liebe Dorit,

leider bin ich auf Rolfs Seite nicht weitergekommen, deswegen schreibe ich Dir hier:

Mein Mann ist Spieler, Alkoholiker und tablettenabhängig.
Er hat 1999 eine 4-monatige Therapie gegen seine Spielsucht gemacht und war seither spielfrei. Im August hatte er einen Rückfall.

Ich kann dir nur empfehlen, Dir Hilfe bei einer Gruppe zu suchen.

Bei uns gibt es keine Gruppe für Spieler-Angehörige, also bin ich zu Al-Anon.
Natürlich hat es erst einmal Überwindung gekostet, aber die Aufnahme war so herzlich und unkompliziert, dass ich mich gleich wohlgefühlt habe. Zum ersten Mal konnte ich offen über meine Ängste, Verletzungen usw. sprechen und wurde verstanden. Und ich konnte weinen und wurde getröstet. Ich war vier Jahre in dieser Gruppe. Nachdem mein Mann so lange spielfrei war und wir unsere finanzielle Lage auch wieder im Griff hatten, ist das leider eingeschlafen. Dass das ein Fehler war, weiß ich heute.

Ich bin auch nicht sehr kontaktfreudig und schämte michdafür, zuzugeben, dass ich mit einem Suchtkranken verheiratet bin und auch noch an ihm hänge . Aber die Gruppe kam mir entgegen.

Natürlich ist es sehr wichtig, dass Du eine Gruppe findest, in der Du Dich wohlfühlst, denn nur dann kannst Du Dich öffnen.

Probiers einfach mal. Viel Glück dabei.

Regga

Regga50
02.11.2003, 01:42
Liebe Dorit,

ich möchte Dir nur noch einen Rat geben: Lass Dich vor allen Dingen nicht finanziell in die Sache hineinziehen.

Den Fehler habe ich gemacht.

Zwischenzeitlich haben wir getrennte Konten und Gütertrennung. Das war für mich zwar schwer, weil ich dadurch ein Stück "Beziehung" aufgegeben habe, so sehe ich das einfach. Aber jetzt nach dem Rückfall bin ich heilfroh, dass ich das gemacht habe. Jetzt kann er wenigstens nicht mehr mein Geld verzocken.

Du weißt noch wenig über Spielsucht. Es gibt auch relativ wenig Literatur.

Aber einen Rat gibt Dir jeder Therapeut: Hilf einem Spieler nie mit Geld! Denn solange er nicht spielfrei ist, wird er es verzocken (klingt hart, ist aber Realität).

Regga

Dorit
07.11.2003, 10:11
So, bin aus Prag zurück! Erst mal danke für die Antworten!

Also finanziell habe ich da ja jetzt irgendwie noch keine Probleme, weil wir sind ja noch nicht so lange zusammen und wir wohnen ja auch nicht zusammen. Das ist ja schon mal ganz gut!

Stimmt, ich weiß noch nicht so viel über Spielsucht, aber alles was ich weiß, macht mich echt voll fertig. Als ich in Prag war, habe ich jede Spielo (und da gibt es tausende) bewusst gesehen - man und früher wäre mir das gar nicht aufgefallen.

Mein Freund hatte diese Woche noch urlaub und ist weggefahren, hat sein handy nicht mitgenommen, weil er ja über verantwortung Therapie etc. nachdenken muss (O-Ton)- heute kommt er wieder, mal sehen, was er zu sagen hat.

Man ist das alles blöd, eigentlich könnte ja alles schön sein

Ann
07.11.2003, 18:15
Hallo Dorit,
schön daß du wieder da bist. Ich hoffe, du hattest ein paar schöne Tage in Prag.

Ich habe früher auch nie auf die Spielhallen, die Gewinnspiele bei MacDonalds oder in den Zeitungen usw. geachtet. Klaro, daß wir jetzt ganz anders sensibilisiert sind für diese Sache.

Wenn dein Freund sich die Auszeit genommen und sein Handy zuhause gelassen hat, dann war das für ihn bestimmt gut. Frag ihn nicht direkt, ob er gespielt hat, sondern wie es war und wie er sich fühlt. Warte ab, ob er von sich aus berichtet. Denn -wie Ilona schon sagt -er scheint ja doch sehr offen dir gegenüber zu sein.

Wenn ihr miteinander reden könnt ist vieles bestimmt einfacher....

Ann

Dorit
10.11.2003, 10:38
Er ist wieder da und mächtig schlecht zurecht!!

Es hat gesagt, der Gedanke nie wieder spielen zu können macht ihn wahnsinnig - leider konnte ich ja nur am telefon mit ihm reden....ich hoffe wir sehen uns nächstes Wochenende und ich kann dann mal in Ruhe mit ihm sprechen. Auf jeden Fall ist er super schlecht drauf....und ich stehe mehr oder weniger hilflos daneben und kann ihm nicht helfen, dass ist echt scheiße.

Ann
10.11.2003, 11:23
Hallo Dorit,
klar, daß ihn der Gedanke nie wieder spielen zu KÖNNEN schlecht drauf bringt.
Wie wäre es mit dem Gedanken, nie wieder spielen zu MÜSSEN??
Ich kann es verstehen, nur hört sich das für mich leider so an, als wäre der 100%ige Wille von seiner Seite noch nicht da.
Denke daran, es geht auch um dich. Laß dich nicht von seiner schlechten Laune mit runterziehen. Du bist immer noch du und brauchst dich nicht von ihm abhängig machen.

Gruß Ann

Kary
10.11.2003, 21:32
Hi Dorit,

als ich mir in der Endphase meines Spielens vorstellte "Nie mehr" spielen zu können, ist es mir auch immer dreckig gegangen und das Resultat war, dass ich den Druck irgendwann nicht mehr aushalten konnte und doch wieder spielen gegangen bin. So mancher Angehörige hat sich damals sicher gedacht "Ach würde sie wieder spielen gehen, dann wäre sie wenigstens nicht so sch... drauf". Zwang hat bei mir nichts bewirkt.
Und dann kam da ein Freund und der sagte "Du darfst spielen" und ich hab die Welt nicht mehr verstanden. Erst viel später habe ich es verstanden, was dieser Freund meinte. Und nachdem ich selber spürte, dass ich jederzeit spielen darf, es aber nicht mehr wollte (nach etlichen Rückfällen), erst da konnte ich es sein lassen. Ich habe all meine Rückfälle gebraucht, um dahin zu kommen, wo ich jetzt bin. Und geschafft habe ich den Ausstieg aus meinen Rückfällen immer nur unter dem Motto: Ich will heute nicht mehr spielen. Das hat den Rückfällen ihre Macht geraubt und es kamen immer mehr "Heute" zusammen.Einmal waren es sogar fast 1400 Heutes, die ich spielfrei verbracht habe.
Egal wie lange ich spielfrei bin, ich bin immer nur eine Armlänge vom nächsten Automaten entfernt und heute ist es nicht mehr wichtig, wie lange ich trocken bin, sondern, dass ich jeden einzelnen Tag versuche bewußt zu erleben. Dadurch ist mein Leben wieder lebenswert geworden und selbst wenn ich irgendwann einen Rückfall erleben sollte, wird mich das nicht mehr umbringen.
Es ist manchmal ein Weg der kleinen Schritte.

Viele Grüße
Kary

Dorit
11.11.2003, 16:48
Ach Kary, ein NICHT-Spieler kann das alles so schlecht verstehen. ich begreife gar nicht, was einen in 'ne Spielo zieht.
Aber ich denke auch, Zwang bewirkt nichts....habe ich auch schon gemerkt, naja er kommt heute Abend, mal sehen, ob er bereit ist drüber zu reden. Ich versuche ja so feinfühlig wie möglich vorzugehen, aber es ist ziemlich schlimm, wenn er sich nicht meldet oder wenn ich katzig (ich meine ich kann ihn ja nicht immer mit Samthandschuhen anfassen)bin, dann denke ich manchmal: Jetzt rennt er sicher wieder spielen, weil ich so blöd zu ihm war. Ich kann es einfach nicht begreifen......