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veritasnuda
02.11.2003, 19:03
Dialog zwischen Direktor und Croupier

Direktor: Na, mein lieber Herr Naiver, haben Sie sich schon eingelebt?

Croupier: Ja, Herr Direktor das schon, aber für mich ist dieser Beruf noch neu. Alles ist so ungewohnt. Und wenn ich ehrlich sein darf? Es ist mir unangenehm zu wissen, dass wir unseren Besuchern das Geld abnehmen.

Direktor:Was sind das denn für Worte, mein Guter,-
"Geld abnehmen"
Wir bieten unseren Gästen eine moderne Freizeitbeschäftigung.
Der Gast soll Spaß haben. Fun and Action, wie unsere Marketing-Strateten sagen.
Und außerdem: Wir haben keine Besucher. Besucher gibt es im Museum. Und da wird nur geguckt. Vom Gucken aber können wir Ihr Gehalt nicht zahlen, darum sehen wir unsere Besucher als "Gäste" - um die wir uns in-tensiv zu kümmern haben.

Croupier: Entschuldigung, Herr Direktor, das mit dem "Geld abnehmen" ist mir so rausgerutscht.

Direktor: Schon gut, schon gut. Sie müssen unsere Gäste mit dem größten Respekt behandeln, schließlich sichern Sie Ihren Arbeitsplatz, das dürfen Sie nie vergessen. Sie müssen alles dafür tun, dass sich der Gast wohlfühlt bei uns. Nur dann kommt er wieder. Und das wollen wir doch alle, nicht wahr?

Croupier: Ja, natürlich Herr Direktor. Das wollen wir alle.

Direktor: Haben sie sonst noch etwas, was ihnen am Herzen liegt?

Croupier: Ja. Seit ein paar Tagen kommt da ein neuer Gast und der spielt mit sehr hohen Einsätzen. Hat das seine Richtigkeit? Ich meine, woher hat der das viele Geld. Nicht, das der ein Bankräuber ist oder so was.

Direktor: Da machen sie sich mal keine Sorgen, lieber Herr Naivere. Das haben wir schon gecheckt. Vergessen sie nicht, unsere Muttergesellschaft ist die Landesbank. Da genügt ein Anruf und wir wissen alles über den Gast, was wir wissen müssen.
In dem aktuellen Fall kann ich sagen, dass es sich um einen vermögenden Geschäftsmann handelt. Also muss alles Erdenkliche getan werden, damit er wiederkommt und nicht bei der Konkurrenz spielt.
Haben wir uns ver-standen?

Croupier Jawohl, Herr Direktor.

Direktor: Sie sind jetzt seit ein paar Wochen bei uns. Gefällt es Ihnen?

Croupier: Oh ja, sehr. Es ist aufregend und spannend.

Direktor: Sie haben sicher schon bemerkt, dass wir Gäste aus allen sozialen
Schichten haben; da wird große Anpassungsfähigkeit von Ihnen verlangt.

Croupier: Ja, Herr Direktor. Das habe ich schon feststellen können. Neulich war wieder die Frau Meier da. Der Kollege Dirksen erzählte mir, dass sie Rentnerin ist, immer am Monatsanfang kommt und „Black Jack“ spielt.

Direktor: Ja, ja, die Frau Meier, eine alte Stammkundin von uns. Eine nette, ältere Dame, aber immer noch fleißig bei den Karten dabei. Übrigens, Herr Naivere, das mit den Namen lassen Sie mal.
In einem Casino werden keine Namen - weder von Gästen noch von Mitarbeitern - genannt. Diskretion, Sie verstehen? Außerdem: Namen sind Schall und Rauch.

Croupier: Ich habe den Eindruck, dass die besagte „ältere Dame" nach ein paar Tagen ihre Rente verspielt hat und Not leidet.

Direktor: Richtig, mein Lieber. Beobachtungsgabe ist eine sehr wichtige Voraussetzung für den Beruf eines Croupiers.Da muß ich mir bei Ihnen wohl keine Sorgen machen, das erkenne ich schon. Respekt!
Machen sie weiter so. Dann steht Ihrer Karriere nichts mehr im Weg.
Worüber wollen Sie noch sprechen?

Croupier: Ich weiß nicht, Herr Direktor? Ich möchte nicht ihre kostbare Zeit stehlen.

Direktor: Aber mein Lieber! Hier stiehlt niemand etwas. Und schon gar nicht die Zeit. Das Humankapital eines Unternehmens, äh, ich meine das Personal. Also, Sie.
Sie sind ein Faktor bei der Erreichung wirtschaftlicher Zielsetzung der Betreibergesellschaft...
Kurzum: Wir brauchen Sie. Sie sind uns wichtig.
Aber ich habe Sie unterbrochen, was wollten Sie sagen?

Croupier: Ich? Ja.... Ich weiß nicht. Die Rentnerin...

Direktor: HERR Croupier! Die Rentnerin ist froh, dass Sie zu uns kommen kann.
Wir behandeln sie zuvorkommend, sie wird freundlich gegrüßt. Wie alle
unsere Stammkunden. Sie führt nette Gespräche mit gleichaltrigen Gästen und trinkt Kaffee mit ihnen.
Das bietet ihr sonst niemand. Selbst ihre Kinder kümmern sich nicht um sie, hat sie mir einmal anvertraut. Und da machen Sie sich Gedanken um das Wohlbefinden von Frau Meier?
Wir erfüllen hier soziale Aufgaben, bieten älteren Gästen menschliche Wärme.
Außerdem verhindern wir, dass Frau Meier ins "Rotlichtmillieu"
abwandert und dort um ihre Rente gebracht wird.
Schließlich hat uns der Staat ja zur Aufgabe gemacht, die Bevölkerung vor illegalem Glücksspiel zu schützen.


Croupier: Entschuldigung, Herr Direktor. Das habe ich nicht bedacht.
Aber wenn wir Frau Meier vor dem Glücksspiel schützen sollen...

Direktor: Vor dem i l l e g a l e n, lieber Herr Croupier. Vor dem Illegalen Glücksspiel müssen wir unsere Gäste schützen! Ich hoffe, Sie verstehen den Unter-schied!

Croupier: Ja, natürlich, selbstverständlich Herr Direktor.
Es ist doch alles nicht so einfach, bis man es durchschaut hat.

Direktor: Darum zahlen wir Ihnen ja auch ein fürstliches Gehalt!

Croupier: Dazu möchte ich auch etwas ...

Direktor: B I T T E ?

Croupier: N...ichts! Ich wollte nichts sagen. Ich bin sehr zufrieden.
Obwohl,- etwas irritiert mich schon Herr Direktor.
An meiner vorherigen Berufskleidung als Bankangestellter waren die Taschen nicht zugenäht.
Hat das Unternehmen kein Vertrauen zu seinen Angestellten?

Direktor: Aber ich bitte Sie, lieber Herr Kollege.
Ihre Taschen haben wir doch nur zu Ihrem Schutz zunähen lassen.
Was glauben Sie, auf was für Ideen dieses Volk manchmal kommt. Die sind imstande und stecken ihnen, weil sie wütend auf sie sind, ohne das sie es merken einen Jeton in ihre Dienstjacke,
und dann bekommen sie Probleme. Sehen sie, und davor wollen wir sie schützen.

Croupier: Das verstehe ich Herr Direktor. Da bin ich aber froh, daß Sie so um das Wohlergehen der Belegschaft besorgt sind.
Und die Finanzbeamten, warum sind die immer da.

Direktor: Na, die kontrollieren, damit alles seine Ordnung hat. Der Gast soll sich schon sicher fühlen, nicht wie in einer Zockerspelunke.

Croupier: Verstehe. Die achten auch darauf, ob gestohlenes oder unversteuertes Geld eingesetzt wird.

Direktor: Ja, ja...

Croupier: Aber warum haben die Beamten auch Schlüssel zu den Kassen und
Münzautomaten? Hat das Finanzamt so wenig Vertrauen zu unserer Geschäftsleitung?

Direktor: Kennen sie schon unsere neue Clubzeitung, Herr Naivere?
Da stellen wir unsere Kompetenz auf dem Unterhaltungsmarkt wieder einmal hervorragend dar. Müssen sie sich mal ansehen,- in Ihrer Pause.

Direktor: Es ist noch etwas Zeit bis wir öffnen.
Wenn sie noch Fragen haben;
nur Mut. Sie kennen doch das Sprichwort: Es gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten.

Croupier: Ja, also, gestern, da hat ein Kollege einen Gast zur Seite genommen und ihm eine Broschüre von einer Therapeutin gegen "Glücksspielsucht" überreicht.
War das denn richtig? Kann man denn vom Spielen überhaupt süchtig
werden?

Direktor: Da hat Ihr Kollege sehr umsichtig gehandelt. Im Interesse des Gastes - und nur das steht im Vordergrund unserer Geschäftspolitik - wurde dem Betroffenen nahegelegt, eine Beratung aufzusuchen.

Der Gast war in letzter Zeit doch sehr nervös und hektisch, wenn er von einem Spieltisch zum anderen hetzte. Das ist nicht gut für ihn. Da hilft es ihm sicherlich, eine kleine Pause einzulegen.

Außerdem müssen wir auch an unsere anderen Gäste denken und sie vor den Bettelleien Mittelloser schützen.

Und was ihre Frage zur so genannten „Spielsucht“ betrifft, kann ich ihnen nur sagen: Ich bin seit über 20 Jahren in dieser Branche beschäftigt. Noch nie habe ich einen spielsüchtigen Gast bemerkt. Und wenn es sie wirklich geben sollte, könnten wir sie nicht ausmachen! Oder sind Sie ausgebildeter Mediziner?

Croupier: Natürlich nicht.

Direktor: Na, sehen sie.

Croupier: Ich bin ihnen sehr dankbar, Herr Direktor, dass Sie mir das alles so eindringlich beibringen. Das bringt mich weiter.

Direktor: Uns auch, mein Lieber, uns auch. (lacht) Außerdem, um das Thema "Spielsucht" damit zu beenden: Wir schaffen eine nicht unerhebliche Zahl an Arbeitsplätzen in sozialen Einrichtungen.
Dankbar sollten uns die Quasselköppe, äh, Therapeuten dafür sein und uns nicht noch anprangern.
Aber so ist das Leben mein Lieber. Undank ist der Welten Lohn.

Aber nicht nur die, auch die Gäste sind undankbar. Sind Sie es doch, die unser Geld haben wollen.
Darum und nur darum kommen sie zu uns. Und sie kommen freiwillig. Wir zwingen sie doch nicht, oder?

Was glauben sie, wie sich die Mischpoke freuen würde, wenn es jemanden gelänge, unsere Bank zu sprengen.
Das Geld unserer Landesbank, unser Geld, Ihr Geld. Ihr Gehalt, lieber Kollege, in den Händen von gierigen Zockern?

Und was soll dann aus Ihrer Familie werden, wenn wir ruiniert sind? Das können sie nicht wollen!
D a s will niemand von uns!
Und darum erkläre ich ihnen heute die Zusammenhänge.

Croupier: Herr Direktor, jetzt fange ich an, richtig zu verstehen...

Direktor: Ja, s i e verstehen es jetzt. Aber all die Anderen dort draußen. Die uns Habgier und Rücksichtslosigkeit unterstellen. Auch die Medien sind ja so ungerecht zu uns. Dabei tun wir soviel Gutes.

Dem Finanzamt überweisen wir Hunderte Millionen als Spielbankabgabe. . Und von den unzähligen Spielern, die mit ihren Gewinnen nach Hause gehen wollen wir erst gar nicht reden.

Wir schaffen Arbeitsplätze und ernähren Familien durch unsere Tätigkeit. Und was ist der Dank dafür? Man bezeichnet uns als Tempel des
Unglücks (schluchzt), als Spielhölle! Haben wir das verdient?

Croupier: Ich..., Herr Direktor, -so beruhigen sie sich doch, das tut mir leid.
Ich wollte sich nicht.... Sie haben ja so recht. Wie gemein die
Menschen sein können.

Direktor: Nun ja, (wischt sich mit der Hand über die Augen) das ist nun mal unser Los. Tragen wir es tapfer im Interesse des Gemeinwohls.

(Und mit Blick auf die Eingangstür)
Ah, - da kommen ja auch schon unsere ersten Patienten, äh, - Gäste.

marija
03.11.2003, 19:34
hallo herr schmidt,

ja genau so sieht es aus, wir süchtigen sind nicht süchtig, sondern suchen nach geborgenheit und aufmerksamkeit, und wenn wir dabei noch ein paar cent ausgeben können, ist ja nur für guten zweck. wenn wir uns verschulden, oder sogar krimminel werden, ist ja doch wert, wir hatten die geborgenheit des spielcasinos, und oben darauf noch die aufmerksamkeit des personals, na was will man noch mehr. die satire müsste man eigentlich den regierenden zuschicken, vielleicht macht sich doch jemanden gedanken darüber, wie man den schaden für den einhzelnen spieler begrenzen könnte. aber was rede ich denn, jeder ist für seine handlungen selbsverantwortlich.

in diesem sinne ein guter beitrag.

gruß marija

04.11.2003, 01:25
danke