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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Gibt es einen Weihnachtsmann?



19.12.2003, 01:12
Ja, es war wieder da, wie an den vorangegangenen Tagen auch. Das Bündel Mensch auf dem Bahnhofsvorplatz.

Ein Mensch an dem alles traurig und müde anzusehen war. Die Augen schienen vor langer Zeit schon gestorben,- der Körper nur ein leblos, in Lumpen gehülltes Etwas. Ein obdachloser Mensch, wie man sie an den Bahnhöfen dieser Welt findet.

Ein alter Filzhut mit wenigen Kupfermünzen darin, lag vor ihm und die Reisenden eilten an ihm vorbei. Niemand schien ihn wahr zu nehmen. Er war für sie einfach nicht da. Ein lästiges, aber zu umgehendes Hindernis, nicht mehr.

Und ich, der Beobachter, was war mit mir? Saß auch ich auf kaltem Stein, in eine schmuddelige Decke gehüllt, die gegen die Kälte nicht schützen konnte? War auch ich ein Hindernis?

Oh nein, ich war kein Hindernis. Und ich war mehr als ein zufällig Hinschauender aus einer anderen Welt. Aus einer Welt die keine Armut, keinen Hunger und kein Frieren kannte. Ein, wie man sagen würde, wohlhabender Bürger.

Und doch, oder grade weil es mir so gut ging, beschlich mich ein Unbehagen. Ein beschämendes Gefühl, wenn ich dieses Elend dort in klirrender Kälte liegen sah. Ohne Essen, ohne Unterkunft! Ob er wohl noch an etwas glauben konnte auf dieser Welt?

Ich selbst, hatte vor wenigen Minuten noch behaglich am Frühstückstisch gesessen und in einer Zeitung gelesen. Auf der ersten Seite war mir ein Artikel mit der Frage aufgefallen: "Gibt es einen Weihnachtsmann" ?

Es war eine rührende Geschichte und ich hielt die Zeitung noch in der Hand, als mir der Gedanke kam, sie IHM zum Lesen zu geben. Vielleicht könnte er sich an dieser kleinen Geschichte erwärmen?

Ich nahm die Seite mit dem Artikel und legte sie sorgfältig zusammen. Aber wie sollte ich sie ihm überreichen? Ansprechen mochte ich ihn nicht, da genierte ich mich. Und so stand ich dann unschlüssig herum und wartete auf eine passende Gelegenheit.
Einen winzigen Augenblick war der Bahnhofsvorplatz leer, da mußte ich handeln. Mit wenigen Schritten war ich bei ihm, beugte mich etwas hinunter und warf das zusammengefaltete Blatt in seinen Filzhut,- um dann, ohne mich umzuschauen, eilig wie ein Dieb, das Weite zu suchen..

Er sollte mich nicht sehen und so verbarg ich mich in einem Hauseingang.
Aus meinem Versteck heraus konnte ich dann erkennen, wie seine klammen Finger die Zeitungsseite auseinander faltete und er zu lesen begann.:


Eine zeitlose Antwort auf die alte Kinderfrage:
Gibt es einen Weihnachts mann?
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Die achtjährige Virgina o´Hanlon aus New York wollte es ganz genau wissen. Darum schrieb sie an die Tageszeitung "Sun" einen Brief:
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" Ich bin acht Jahre alt. Einige von meinen Freunden sagen, es gibt keinen Weihnachtsmann. Papa sagt, was in der "Sun" steht, ist immer wahr. Bitte sagen Sie mir: Gibt es einen Weihnachtsmann?
Virgina O´Hanlon
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Die Sache war dem Chefredakteur Francis Church so wichtig, daß er selber antwortete - auf der Titelseite der "Sun":
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" Virginia, Deine kleinen Freunde haben nicht recht. Sie glauben nur, was sie sehen: sie glauben, das es nicht geben kann, was sie mit ihrem kleinen Geist nicht erfassen können. Aller Menschengeist ist klein, ob er nun einem Erwachsenen oder einem Kinde gehört. Im Weltall verliert er sich wie ein winziges Insekt.
Solcher Ameisenverstand reicht nicht aus, die ganze Wahrheit zu erfassen und zu begreifen.
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Ja Virginia, es gibt einen Weihnachtsmann. Es gibt ihn so gewiß wie die Liebe und Großherzigkeit und Treue. Weil es all das gibt, kann unser Leben schön und heiter sein.
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Wie dunkel wäre die Welt, wenn es keinen Weihnachtsmann gäbe! Es gäbe dann auch keine Virginia, keinen Glauben, keine Poesie - gar nichts, was das Leben erträglicher macht. Ein Flackerrest an sichtbarem Schönen bliebe übrig. Aber das Licht der Kindheit, das die Welt ausstrahlt, müßte verlöschen.
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Es gibt einen Weihnachtsmann, sonst könntest Du den Märchen auch nicht glauben. Gewiß. Du könntest Deinen Papa bitten, er soll am Heiligen Abend Leute ausschicken. Den Weihnachtsmann zu fangen Und keiner von ihm bekäme den Weihnachtsmann zu Gesicht - was würde das beweisen? Kein Mensch sieht ihn einfach so. Das beweißt gar nichts. Die wichtigsten Dinge bleiben meistens unsichtbar. Die Elfen zum Beispiel, wenn sie auf Mondwiesen tanzen. Trotzdem gibt es sie.
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An all die Wunder zu denken - geschweige denn sie zu sehen - das vermag nicht der Klügste auf der Welt.
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Was Du auch siehst, Du siehst nie alles. Du kannst ein Kaleidoskop aufbrechen und nach den schönen Farbfiguren suchen. Du wirst einige bunte Scherben finden, nichts weiter.
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Warum? Weil es einen Schleier gibt, der die wahre Welt verhüllt, einen Schleier, den nicht einmal die Gewalt auf der Welt zerreißen kann.. Nur Glaube und Poesie und Liebe können ihn lüften. Dann werden die Schönheit und Herrlichkeit dahinter auf einmal zu erkennen sein.
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" Ist das denn auch wahr" kannst Du fragen. Virginia., nichts auf der Welt ist wahrer und nichts beständiger.
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Der Weihnachtsmann lebt, und ewig wird er leben. Sogar in zehnmal zehntausend Jahren wird er da sein, um Kinder wie Dich und jedes offene Herz mit Freude zu erfüllen.

Frohe Weihnacht, Virginia.
Dein Francis Church"
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PS:
Der Briefwechsel zwischen Virginia O´Hanlon und Francis P. Church stammt aus dem Jahr 1897, ist also über 100 Jahre alt: Er wurde über ein halbes Jahrhundert - bis zur Einstellung der "Sun" im Jahr 1950 - alle Jahre wieder zur Weihnachtszeit auf der Titelseite dieser Zeitung abgedruckt.

Nachdenklich, gedankenverloren ließ der Mensch das Blatt sinken. Und erst jetzt bemerkte er, daß etwas aus der Zeitung herausgefallen war. Ein kleines, buntes Stück Papier lag vor ihm. Ein bedrucktes Papier mit einer Zahl darauf. Einer Zahl mit mehreren Nullen.

Ungläubiges Staunen auf dem Gesicht des Menschen. Die Augen bekamen neuen Glanz und blickten suchend umher. Aber dort, wo ich stand, konnte er mich nicht sehen, er sollte mich auch nicht sehen.

Nie würde er erfahren, wer ihm diese Geschichte zugedacht hatte. Und ich bestieg den Zug mit dem Wissen, das ich in diese Stadt nicht mehr zurückkehren würde.

Aber ich wußte auch, das es jetzt einen Menschen mehr gab, der wie die kleine Virginia fragen würde:

"Gibt es einen Weihnachtsmann?"










Ein friedvolles Weihnachtsfest allen Forumsteilnehmern...

Kary
19.12.2003, 07:11
alles gute ist drei.

Ich wünsch Dir auch ein schönes Fest,
Kary

Weihnachtsmann
20.12.2003, 15:50
danke