PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : immer noch.....



ish
22.03.2004, 11:25
Hallo Leute,
ich bin wieder da.....bzw. war nie weg, aber ich hatte leider nie die Zeit hier auf eure Beiträge zu antworten.
Kurz zu mir:
Wie die "alten hasen" wissen, bin Ich seit Weihnachten 2002 Spielfrei. Spielfrei bin Ich durch "Bevormundung" geworden, weil Ich die gesamte Finazielle verantwortung meiner Frau überlassen habe.
war sehr sehr schwer, aber es hat mir geholfen...die "heiße Phase" habe ich überwunden, obwohl ich mich immer noch dabei ertappe, wie ich manchmal ans Spielen denke, wenn ich gerade an einer Spielhalle vorbeigehe....das gibt mir immer wieder zu verstehen, dass Ich NICHT geheilt bin, sondern im Moment nur´das Verantwortungsgefühl + mangelnde Freiheit ( in finanzieller Weise!!!)mich davon abhalten, wieder Spielen zu gehen....

Das gibt mir natürlich zu denken, daher habe ich auch mit meiner Frau beschlossen, diesen Zustand auch weiterhin beizubehalten...


Nun zu meinem eigentlichen Post..:

letztens kam hier eine Meinung zutage, dass Spielsucht und deren ursache keine Krankheit sein kann, und wir uns doch nicht hinter dem Wort Krankheit verstecken sollten...
Diese Meinung hat mich sehr beschäftigt, und mir auch zu denken gegeben, denn ein Funken Wahrheit sehe Ich hier:
Also, ich bin NICHT der Meinung, dass uns diese Krankheit in die Wiege gelegt wurde. Ich denke, dass der Weg zu einer Krankheit von UNS gelegt wurde, aus den unterschiedlichsten gründen..., daher sind wir auch selbst verantwortlich dafür, dass wir spielsüchtig sind!!

ABER: Nun ist es soweit, und wir sind Krank!!!Und das sollte / kann man nicht abstreiten!!!

Aber jetzt ist der Punkt angelangt, wo wir Hilfe brauchen, und die WIR uns u.a. in diesem Forum immer gegeben haben ( ich leider weniger aktiv..sorry).
Ich beobachte seit längerem, dass der Ton hier schärfer wird, und sich viele Besucher auf der intellektuellen Schiene versuchen, Ihren Beitrag zu bringen.
Und, ganz ehrlich, wenn ich ein Problem habe, und jemand versucht mir mit "wissenschaftlichen " Erkenntnissen zu helfen, reagiere ich auch mitunter sauer, weil Ich gehofft hatte, einen Erfahrungs bzw. Meinungsaustausch zu bekommen.

Ich vermisse eure persönliche Meinung bzw. Rat, und das war am Anfang immer da ( nach dem Motto: ich habe dies getan....Ich würde dir das raten...etc...

Daher die Bitte an euch..lasst uns bitte wieder über UNS und unsere Probleme reden, und Nicht darüber, was hat der eine gesagt, was den anderen stört etc...dies nimmt eine Eigendynamik an, die wir nicht unter Kontrolle bekommen..( siehe Post von Markus Nebel, der auch ratlos wirkt!!)

Rudi
22.03.2004, 14:18
Guten Tag ,Ish
Ich freue mich, das du es bisher geschafft hast, trocken zu sein. Diese Freude müßte eigentlich auch in dir sein und weniger die Frage nach einer Selbszverschuldung.
Ich denke jedoch, das bei unserer Krankheit nicht von einen Selbstverschulden ausgegangen werden darf.
Nachdem,wie ich deinen Brief verstehe, müßte ja jeder Schuld an einer Krankheit sein, die nicht erblich ist.
Dann müßtest du auch Schuld an einer Grippe sein, weil du dich nicht ausreichend geschützt hast.
Es gibt viele Raucher, die niemals Lungenkrebs bekommen
und viele Menschen, die spielen oder trinken, ohne abhängig zu werden.
Woher soll ich also wissen, das gerade ich daran erkranke ?
Ich finde es müßig über Schuld zu sprechen.
Viel wichtiger ist doch die Erkenntnis, das wir krank sind und das wir dagegen angehen.
Und da solltest du stolz auf dich sein.
Du hast es 2 Jahre geschafft, wenn auch mit Schwierigkeiten. Aber die haben wir doch alle als Spieler.
Nicht umsonst lassen wir uns doch durch Therapien und Selbsthilfegruppen begleiten.
Schuldgefühle brauche ich nicht. Für mich jedoch ist es eine Aufgabe, die vielen Dinge die ich in meiner Suchtzeit vernachlässigt habe,besonders zu beachten.
Da steht bei mir an erster Stelle meine Partnerin und meine Familie. Eben Menschen, die insbesondere durch meine Krankheit mitlitten oder leiden.All die Menschen die mich lieben und denen ich jetzt ein Teil ihrer Liebe zurückgeben kann.
Aber auch die Hobbys und Veranlagungen beleben kann, die in meiner Spielphase weitgehend oder ganz auf der Strecke blieben.
Laß dich nicht verwirren in der Frage der Schuld. Auch wenn manche das wollen. Lebe das heute und das jetzt, mit den Menschen, die dich lieben.
Das macht Leben aus - und nicht die Frage, bin ich Schuld oder nicht.
Wünsche dir weiterhin spielfreie Zeit.
Dir und deine Lieben
Alles Gute
Rudi

Klaude
22.03.2004, 15:51
Hallo

Was mir auffiel: Die Verzettelungen und Unstimmigkeiten fangen meistens dann an, wenn jemand es wagt, Begriffe wie Krankheit oder Schuldlosigkeit in Frage zu stellen. Diese Thematik scheint ein grosses Tabu zu sein, genauso wie der Begriff Eigenverantwortung. Eine Diskussion zu diesem Themenkomplex wird sofort abgewürgt und die Verfasser kritischer Beiträge aufs Schärfste angegriffen.

Es geht hier nicht um das Erzeugen von Schuldgefühlen( ach Gott bin ich ein schlechter,wertloser Mensch) sondern um eine gesunde Diskussion zum Thema Eigenverantwortung eines Spielers für sein Verhalten gerade unter dem Einfluss einer Suchterkrankung. Denn in dieser Situation ist er ja eigentlich nicht entscheidungsfähig. Was kann ich also von einem Spieler verlangen? Wo fängt seine Verantwortung an, wo hört sie auf?

Denn wenn keiner irgendeine Verantwortung für sein Handeln hat, und die Krankheit alles entschuldigt, dann müßte er ja munter weiterspielen und die einzige Behandlungsform wäre eine komplette Entmündigung. (Provokativ ausgedrückt)

Viele Spieler werden diese Fragen sicher schon für sich geklärt haben, aber bitte, denkt daran, dass für Nichtspieler eine Spielsuchterkrankung furchtbar schwer nachzuvollziehen ist. Unsere Unsicherheit und Verwirrung ist sehr gross. Wir brauchen Eure Antworten, um mit unseren spielsüchtigen Angehörigen klar zu kommen. Eine "Pfui-darüber-reden-wir-nicht-Haltung" hilft doch keinem weiter.

Wenn ich einigen hier im Forum zu intellektuell erscheine, dann werde ich mich dafür nicht entschuldigen. Nicht etwa aus Arroganz, sondern weil ich der Meinung bin, dass es Sinn dieses Forums ist, eine wirklich freie Diskussion zu führen. Ohne das Hirn auszuklammern und sich auf grosszügige Streicheleinheiten zu beschränken und "ich-hab-dich-ja-so-lieb-und-bin-deshalb-genau-deiner-Meinung-hast-du-mich-jetzt-auch-lieb-Gesäusele. Ich möchte die Freiheit, Fragen zu stellen und ehrliche Meinungen zu hören. Ich möchte auch die Freiheit, meine Meinung zu äussern und Eure Kritik zu hören. Ich bin nicht hier um geliebt zu werden, sondern um etwas über Suchterkrankung zu lernen, wie übrigens viele andere Angehörige auch.

Viele Grüsse

Klaude

Klaude
22.03.2004, 19:36
Hallo Rudi, Hallo Ish

Ich sehe gerade, das mein letzter Beitrag sehr distanziert rüberkommt und ich mein eigentliches Anliegen gar nicht richtig formuliert habe. Ich möchte mich entschuldigen wenn ich damit jemanden auf den Schlips getreten bin.

Aber ich möchte Euch beide etwas fragen, weil Ihr beide gespielt habt. Ich begreife einfach beim besten Willen nicht, wenn ein Mensch vor dem Daddelkasten steht, und innerhalb von 3 Tagen sein ganzes Monatsgehalt verspielt, dann muss er doch merken, dass etwas nicht stimmt. Ein Spieler ist ja nicht unbedingt verblödet. Wenn der Mensch dann hingeht, und horrende Kredite aufnimmt, nur um sie innerhalb von 1 Woche in den gleichen Kasten zu stecken, spätestens dann muss doch eigentlich auch der grösste Trottel mitkriegen, dass er irgendetwas falsch macht. Oder zumindest- wenn er denn in der Lage ist 1+1 zusammenzuzählen, dass er nicht gewinnen kann! Und wenn der gleiche Mensch dann noch seine Familie bestiehlt, das Portemonnaie und die Konten leert, wenn man ihm den Rücken zudreht, wirklich jeden verdammten Pfennig der irgendwo aufzutreiben ist - sei es gepumpt oder geklaut - in die Kiste steckt, und dann immer noch sich selbst und anderen erzählt, dass alles völlig normal wäre, dann setzt es bei mir einfach aus.

Wie kann ein halbwegs normaler Mensch sein ganzes gesamtes Leben und das seiner Frau und seiner Kinder in einen Daddelkasten stecken???? Wenn er wenigstens noch saufen oder kiffen oder drücken würde, da kriegt er wenigstens noch was für sein Geld. Aber das ist ein Automat, der macht nichts anderes als tüütüü-tataaa und blink-blink, wo um Gottes Willen ist denn da der Kick??? Und vor allem, habt ihr denn wirklich nicht gemerkt dass etwas ganz verkehrt läuft??? Ich meine bevor wirklich alles den Bach runtergegangen war. Das ist es, was ich Euch zum Thema Eigenverantwortlichkeit in aller Ernsthaftigkeit und ohne Schuldzuweisungen fragen möchte.

Für Eure aufrichtige Antwort wäre ich wirklich auch aufrichtig dankbar.

Viele Grüsse

Klaude

marija
22.03.2004, 22:11
hallo klaude,

ich hoffe, dass ich dir als nichtspielerin so in etwa verdeutlichen kann, wass in einem spieler vorgeht. ich spreche hier nur von mir, wie die anderen spieler empfinden oder empfunden haben mag ich nicht beurteilen.
du hast als psychologin sicherlich während des studiums den begriff "verrückt" gehört. man kann einen tisch, einen stuhl oder aber auch etwas in einem leben verrücken. ohne jemanden nahe zu tretten möchte ich mich selbst in der phase meines spielens als "verrückt" bezeichnen. du hast die frage "wie kann man sein hart verdientes geld in die kisten stecken",des öffteren gestellt, eben nur dann wenn irgendetwas verrückt ist. das spielen ist weder mit rationalität noch mit normalität zu beschreiben. ich hatte wärend des spielens weder negative noch positive gefühle, sondern war ich "tot". nach 15monatigen spielabstinenz fange ich langsam an zu begreifen wie "verrückt" ich eigentlich war. die frage, wie konnte ich, stelle ich mir mindestens hundert mal pro tag, ich habe bis jetzt noch keine antwort. der rauschgiftsüchtige hat auch nichs davon, außer eines, er wird betäubt, spürt seine probleme nicht mehr und wenn der rausch nachlässt, geht es ihm desto dreckiger, genauso erging es mir, ich war betäubt, für eine stunde oder mehrere, aber dannach als ich draussen war, ging es mir wie dem rauschgiftsüchtigen und ich brauchte neuen stoff um die gedanken, das schlechte gewissen und das ekel vor mir selbst zu betäuben. doch liebe klaude in der nassenphase ist man bekloppt. ich könnte noch stundenlang darüber schreiben aber ich denke, es wird dir nicht viel helfen, denn ich selber kann einige situation aus der zeit acuh nicht begreiffen und ich stand mittendrin. glaube mir, deinem mann ging es dabei nicht gut und heute sicherlich auch noch nicht.

gruß marija

Rudi
22.03.2004, 22:37
Liebe Klaude !
Ich will auf deine Themen eingehen. Was ich jedoch schreibe, sind meine Erfahrungen, und die sind so nicht unbedingt auf jeden Spieler übertragbar.
Befremdend ist für mich jedoch der Vergleich zu Menschen die an stoffgebundene Süchte leiden. Da ist es ja nicht nur das Geld, welches vor die Hunde geht, sondern auch der körperliche Verfall, der bei fortwährender Sucht stattfindet und nur durch Abstinenz aufzuhalten ist.
Das du die Spielsucht nicht verstehst, ist das eine, sage aber bitte nicht, da kann ich andere Süchte eher verstehen. Das zeigt eigentlich das du dich rein vom biologischen nicht mit pathologischer Sucht ( auch Spielsucht ) befaßt hast.
Nach Studien setzt bereits der Gedanke ans Spielen bei den Spielabhängigen Endophine ( Botenstoffe - Glücksgefühl )frei. Diese Ausschüttung von Botenstoffen sorgen dafür, das die stoffgebundene und stoffungebundene Sucht beinahe gleich verläuft. Es kam für mich als Spieler zum zittern der Hände vor dem Spiel, eine unglaubliche wachsende Ungeduld bis zum Spiel hinzu. Im Spiel selbst existiert nur das Spiel. Andere Bedürfnisse wie Essen und Trinken oder auch Schlafen wurden bei mir in dieser aktiven Spielphase nicht wahrgenommen.Gespräche mit der Bedienung fanden da nicht statt, nur ein Geldwechsel. Selbst der Toilettengang wurde als lästig empfunden. Das Ende des Spiels war dann, wenn keine Möglichkeit bestand das Spiel fortzusetzen. Dieser Zustand konnte bei mir über Tage anhalten.
Nach dem Spiel war ich am Boden zerstört. Hätte mich Ohrfeigen können - und fühlte mich schuldig. Insbesonders den Menschen gegenüber, die mich liebten. Und dann kamen auch Fragen in mir auf, ob es meiner Familie ohne mich nicht besser geht. Ja, ich bereute wirklich und niemals mehr wollte ich spielen - bis zum nächsten Mal. Ich habe nicht mein ganzes Leben in den Daddelkasten geworfen und das Leben meiner Familie. Habe auch nicht geklaut. Aber mein sozialer Status hätte deutlich besser sein können.
Da war es auch bei mir, trotz hohen Verdienst die heimlichen Kredite. Und natürlich die Rechtfertigung auf den Lippen beim erwischt werden. Was willst du eigentlich ? Es ist doch mein Kredit, dafür stehe ich schon gerade, da hast du gar nichts mit zu tun.Und Krach kam wie gerufen um wieder in die Spielhalle zu landen.
Irgendwie ein Teufelskreis, den es galt zu durchbrechen.
Das habe ich dann auch endlich geschafft. Und da bin ich stolz auf mich.
Ich habe soviel Schuldbewußtsein in mir, das es überflüssig ist mich darauf hinzuweisen.
Verantwortung zu tragen war ich beruflich gewohnt.
Ich gehe in einer SHG und die finanzielle Einteilung überlies ich meiner Frau.
Heute ist es soweit, das unser Vertrauensverhältnis wieder intakt ist. Meine Frau begleitet mich auf meinen Wunsch auch zur Gruppe, Auch die finanzielle Einteilung ist vorbei-trotzdem überlasse ich meiner Frau auch weiterhin die finanzielle Führung. Es geht uns gut Privat und mittlerweile auch finanziell.
Vielleicht gelang es mir, dir einen Einblick in ein Spielerleben zu geben. Es ist nicht alles erzählt, das wäre zu lang.
Es ist nicht schlimm krank zu sein - nur dagegen nichts zu tun. So gesehen kann ich Spieler nicht verstehen, die ihre Krankheit erkannt haben und einfach so weiter machen.
Mit einen aktiven Spieler ist eine Partnerschaft auf Dauer nicht möglich.
Es klingt in deinen Eintrag als seist du sehr verbittert und verzweifelt. Befürchte fast, du weist nicht mehr weiter.
Wenn ein Spieler nicht mit aller Konsequenz gegen seine Sucht angeht,ist er für eine Beziehung beinahe untauglich.
Und das beinahe steht nur, weil die Hoffnung zuletzt stirbt.
Wünsche dir alles Gute
Rudi

Klaude
23.03.2004, 09:00
Hallo marija, Hallo Rudi

Vielen Dank für Eure prompten Antworten. Erst einmal: ich bin eben keine Psychologin, sonst wüsste ich wahrscheinlich mehr über das Thema.

Ich kann verstehen dass die Sucht einen Menschen befällt, wie Du sagtest, Rudi, es ist eine Krankheit. Und ich habe die Veränderungen an meinem Mann gesehen. Aber, der Spieler merkt doch, dass er krank ist. Mein Mann wusste ja auch, dass etwas nicht stimmt mit ihm. Aber bevor nicht alles vor die Hunde gegangen war, war er nicht bereit Hilfe anzunehmen.Und das lese ich immer wieder, dass die Situation erst ausweglos sein muss, bevor Hilfsangebote, die ja da sind, angenommen werden.

Ich kann es auch verstehen, wenn jemand nicht ratzfatz aufhören kann zu spielen, oder rückfällig wird, aber spätestens wenn man merkt: Moment mal, da läuft was ganz anders als es sollte, spätestens dann müsste man sich doch mindestens einmal mit Hilfsangeboten auseinander setzen, selbst wenn man Angst hat, seine Familie mit der Wahrheit zu konfrontieren. Ich meine für sich selbst. Das ist das, was ich mit Eigenverantwortung meine. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass jemand meint, er könnte ohne Daddelkasten nicht mehr leben, und erst mal "kontrolliertes Spiel" ausprobieren möchte. Aber akzeptieren, dass man krank ist, das meine ich. Das merkt man doch nicht erst wenn man am Boden liegt.

Mein Mann ist weiterhin trocken, aber er reagiert äusserst gereizt, wenn ich mit ihm über seine Spielsucht reden möchte. Kann ich irgendwie auch verstehen, ich denke, dass er sich erstmal selbst mit vielen Schuld- und Schamgefühlen auseinandersetzen muss. Noch dazu wohnen wir in einer Kleinstadt und es dürfte ein offenes Geheimnis sein was ihn in die Spielhalle getrieben hat.

Das ist auch der Punkt, an dem ich scheitere: Mein Mann ist ein sehr intelligenter und liebenswürdiger Mensch. Aber bevor nicht alles beim Teufel war, wollte er keine Therapie oder Suchtberatung akzeptieren. Dabei ist er doch sonst sehr rücksichtsvoll. Heute mache ich mir Vorwürfe, dass ich so lange versucht habe mit ihm zu reden. Vielleicht hätte ich ihn eher zwingen sollen etwas zu unternehmen. Aber jeder hier sagt, dass es sinnlos ist, jemanden zu zwingen. Ich weiss einfach nicht, was in einer solchen Situation richtig ist, das ist mein Problem.

Viele Grüsse

Klaude

Rudi
23.03.2004, 10:34
Hallo Klaude !
Ich meine zu verstehen, was dich so sehr bedrückt.
Ähnlich verlief es ja auch bei mir. Habe nachdem ich bei mir bemerkt hatte, das ich abhängig bin, erst einmal versucht, alles selbst in den Griff zu bekommen.
Da gab es dann Phasen wo ich es dann auch schaffte, gewisse Zeiten spielfrei zu sein. Diese Phasen hielten auch eine gewisse Zeit. Bis zu 3 Jahren. Aber nur, um danach noch exessiver zu spielen.
Ich wollte mich nicht in einer Schublade stecken lassen,-da ist der süchtige Rudi. Es ist unglaublich schwer für mich gewesen, mich selbst meiner Frau gegenüber zu öffnen.
Und als ich mich dann geöffnet hatte, war es mir unerträglich, tiefgreifende Gespräche über mein Fehlverhalten zu führen.
Auf Druck meiner Partnerin besuchte ich dann eine Selbsthilfegruppe. Richtig öffnen konnte ich mich immer noch nicht. Das führte dann zwei Jahre später zu einen sehr krassen Rückfall.
Danach erst erklärte ich mich bankrott. Sah ein, das ich ohne Hilfe wohl nicht klar komme. Ich fand diese Hilfe in einer Selbsthilfegruppe und öffnete mich. Viele intensive Gespräche mit meiner Frau folgten. Im übrigen bist du mit deiner Einstellung nicht sehr weit von meiner Frau entfernt.Das war der Punkt, ab dem eine wirkliche Stabilisierung bei mir stattfand. Alles andere war ein vergebener Kampf.
Du hast richtig erkannt, das man niemand zwingen kann. Jedoch wenn du mit Betroffenen sprichst, geben beinahe alle zu, das sie ohne Druck ihren Weg wohl nicht begonnen hätten.Deswegen ist ein gewisser Druck bestimmt sehr wichtig, Und ich finde, du solltest diesen Druck auch ausüben.
Wie es mir scheint, verkapselt sich dein Mann, so wie ich es auch getan habe. Das war für mich nicht gut und ich denke, es wird auch für deinen Mann nicht gut sein.
Mit der Inanspruchnahme einer Selbsthilfegruppe kann sich seine Blockade lösen. Ich meine, du solltest zumindest auf Teilnahme an einer solchen Gruppe bestehen. Es muß ja nicht unbedingt im euren Ort sein.
Wünsche dir viel Erfolg und
Alles Gute
Rudi

Claus
23.03.2004, 10:38
Hallo Klaude,
wenn wir uns in der Spieler Gruppe unterhalten, wie wir zur Gruppe gekommen sind, stellt sich heraus, dass KEINER freiwillig kam am Anfang!
Irgendein Angehöriger, Freund, Chef, Kollege Arzt etc. stand dahinter und machte Druck.
Erst mit der Zeit "BIN ICH FÜR MICH" in die Gruppe bzw. Therapie gegangen.
Parallel dazu hat meine Frau angefangen was für sich Selbst zu Tun und aufgehört mich zu kontrollieren und zu therapieren!
Ich kann dir Nicht sagen, was Du konkret machen kannst, ausser immer wieder versuchen mit deinem Partner zu reden bzw. zu signalisieren das Du ihm zuhörst wenn er will.
Es ist schwer keine Vorwürfe zu machen, aber es bringt auch niicht weiter.
Ich empfehle Dir, wenn Du willst doch mal bei den amerikanischen Angehörigen-Gruppen für Spieler zu schauen, denn die blicken doch schon auf eine recht lange Erfahrung zurück mit dem Thema Spieler/n
hier der Link: http://www.gam-anon.org/gamanon/index.htm
Alles Gute
Claus

Neon AA
23.03.2004, 11:00
Liebe Klaude,

ich habe jetzt den Focus auf den 2. Absatz deines Schreibens.
Ich bin alkoholabhängig und habe bis zu meinem Tiefpunkt so 20 Jahre getrunken und dann gesoffen. Ich dachte immer, so schlimm ist es ja noch nicht, andere trinken doch noch mehr, du bringst doch immer noch Leistung,...habe innerlich immer mehr gespürt, daß mit meinem Trinken etwas nicht stimmt.Eben nur mal wieder ausgerutscht. Aber das schlechte Gewissen wuchs und mein Selbstwertgefühl ging gegen Null.
Also mußte ich was tun. Die Betonung lege ich auf "ich".
ICH mußte das schaffen, ICH wollte das schaffen, nicht so viel zu trinken. Also folgten die unzähligen Versuche mit kontrolliertem Trinken. Gingen in die Hose, alles ging in die Hose und schließlich landete in an meinem Tiefpunkt. Und der sah so aus:
Nach tagelangem Vegetieren auf der Couch flatterten nicht nur meine Hände, auch die Arme und auch die Beine. Ich hatte Herzstolpern und der Schweiß lief mir aus allen Poren.
Ich bekam Todesangst. Ich weiß nicht wieso, aber ich fing plötzlich laut an zu beten "Herr, Dein Wille geschehe", und dann abwechselnd laut und leise immer das gleiche Gebet, ganz naiv.
Da war ich nun angekommen mit meinem Ich,Ich,Ich, nämlich am Ende. Gott sei Dank!
Am nächsten Tag habe ich mich beim Gesundheitsamt um einen
Therapieplatz bemüht. Offenbar war ich da erst therapiefähig.
Ich habe eine Kurzzeittherapie gemacht und bin anschließend in eine AA-Gruppe gegangen. Da geh ich heut noch hin, seit fast 28 Jahren.
Kannst du verstehen, warum das bei mir so gelaufen ist, wie es gelaufen ist? Ich auch nicht.
Ich muß auch nicht alles verstehen!
Aber eins verstehe ich und kann es hier deutlich sagen:
Es gibt einen Weg raus!!! Mit der Hilfe anderer und/oder eines ANDEREN. Dieses Andere nenne ich die Höhere Macht.

Ich wünsche deinem Partner, daß er sich öffnen kann und Hilfe annimmt und dir gute 24 Stunden!

Neon

Ann
23.03.2004, 11:00
Ich kann Rudi nur beipflichten:

Die vielen Gespräche, die ich mit meinem Freund führe, sind nur durch die Therapie möglich geworden - und zwar von beiden Seiten!
Auch ich habe früher nie über mich und meine Gefühle geredet. Ich fand es sehr erstaunlich, wie einfach das auf einmal geht, wenn einen eine Therapie-Gruppe einfach mal "an die Hand nimmt"!

Mein Freund redet mit mir, auch wenns manchmal sehr weh tut, und weil ich das bekomme, ist es mir leichter, mich ihm zu öffnen.

Im übrigen habe ich das Gefühl, daß Rudi z.B. seine Offenbarung hier im Forum nicht leicht fällt und sicher auch schmerzlich ist - aber trotzdem tut er es und das finde ich einfach klasse!
Mir jedenfalls hilft es.

Gruß
Ann

Klaude
23.03.2004, 15:35
Hallo an Alle

Herzlichen Dank für Eure offenen Antworten. Ihr habt mir damit sehr geholfen. Für nächste Woche habe ich einen Termin mit dem Suchtberater meines Mannes vereinbart um mit ihm über Rückfallgefahren u.ä. zu sprechen.

Es ist seltsam, eigentlich könnte ich doch einfach nur happy sein, dass er nicht mehr spielt und diesen Zustand geniessen. Manchmal denke ich, dass ich mich selbst in etwas hineinsteigere und Gespenster sehe. Aber dann kommt es mir wieder vor, als ob unter der glatten Oberfläche alles Mögliche lauert. Es ist einmal passiert, und es kann wieder passieren, das ist meine grösste Angst. Und mir ist es auch unheimlich, wie Rudi sagte, diese Abkapselung und das Ausblenden der Suchtkrankheit. Zur Zeit möchte ich meinem Mann aber Gelegenheit geben, seinen Erfolg zu geniessen, und ihm nicht mehr Druck mit Therapie und SH-Gruppen machen. Er geht regelmässig zu seinen Beratungsterminen und der Berater muss schliesslich wissen was er tut. Ein bisschen Kontrolle meinerseits kann aber auch nicht schaden, denke ich mal. Und vielleicht kann ich dann auch besser mit meinen Ängsten umgehen.

Nochmal vielen Dank für Eure Antworten und die Mühe, die Ihr Euch gebt um zu helfen. Es bringt sehr viel, und ich sehe jedes Mal ein bisschen klarer. Danke Euch!

Viele Grüsse

Klaude

Nicole
23.03.2004, 15:48
Liebe Klaude,
nein, es ist gut, dass du so auf der Hut bist und es ist gut, dass du einen Gesprächstermin für dich - und nur für dich - vereinbart hast.

Nach dem Knall, als ich erfuhr, dass mein Mann spielte, haben wir so viel schlimmes durchlebt, dass ich für mich einfach klar war, dass er wahrscheinlich nie wieder spielen würde. Ich habe da wohl noch nicht richtig erkannt, dass er krank ist.
Und doch hat er vor einigen Tagen wieder gespielt. PENG! Ich war wie vor den Kopf geschlagen, vor allem weil er nicht mir mir darüber gesprochen hat.

Als "Nichtspieler" kannst es einfach nicht begreifen u. fragst, wann der Albtraum ein Ende hat.

LG
Nicole

ish
01.04.2004, 12:35
Hallo Leute,

sorry, dass ich schon wieder so lange nichts habe von mir hören lassen, aber ich freue mich riesig darüber, dass das wofür ich dieses Forum gehalten habe, hier nun bestätigt wird.

Danke an euch alle, die mal wieder ( nach langer Zeit!!) Erfahrungen ausgetauscht haben, und mit euren eigenen Erfahrungen mir zeigen, ob der weg, den ich gehe, ungefähr die Richtung ist, in die ich mich bewegen sollte.

Ich finde es schön immer wieder eure beiträge zu lesen, und möchte mich aufrichtig entschuldigen, das ich so wenig beiträge schreibe...

Gruß
ish