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Rudi
07.04.2004, 21:02
Gerade in den letzten Tagen denke ich viel über mich nach.
Insbesondere an meiner Zeit als akuter Spieler.
Nachdem ich ein halbes Leben lang gezockt habe, vielleicht auch etwas mehr, kommen mir doch Gedanken über meine Versuche "trocken" zu werden.
Zunächst einmal war es für mich selbstverständlich, das ich auf Verstehen und Verzeihen bauen wollte. Im nachhinein muß ich sagen, das kaum jemand verstehen konnte oder wollte, warum ich mein Geld in die Automaten warf.
Irgendwie verstand ich mich selbst ja auch nicht mehr.
Und als ich das erste Mal in einer Gruppe ging, war es alles andere als erstrebenswert für mich, ein zweites Mal dorthin zu gehen. Dieses im Kreis sitzen, die Gespräche, die an mir vorbeiliefen, deren Sinn ich auch nicht so richtig erfasste. Die Menschen in dieser Gruppe, mit denen ich mich nicht indentifizieren konnte. Ich beschloß, das es mein erster und letzter Versuch wäre. Das war ungefähr 1982. Nein, so süchtig wie die war ich nicht, nur ein bißchen. Muß nur auf mich aufpassen, das es nicht zu viel wird. So nahm ich mir selbst den Zwang etwas tun zu müßen.
Klar, ich hatte auch schon früher versucht ohne Automaten auszukommen. Habe dann eine gewisse Zeit nicht gespielt und mir so vorgegaukelt, das ich gar nicht süchtig bin.
Das ich es bin, wurde mit der Zeit immer deutlicher. Die Spielexesse nahmen immer schlimmere Formen an. Hinzu kam auch, das ich versuchte mein Spielen zu verbergen. Warum eigentlich, wo ich doch "nur" mein Geld verzockte. Ich baute eine Lügenwelt auf, um nicht erkannt zu werden.
Das ging so bis vor ca. 5 Jahren. Da wurde mir von meiner
Frau ultimativ gesagt, das sie so nicht mehr mit mir wolle.
Auf Druck meiner Frau ging ich wieder in einer Selbsthilfegruppe. Siehe da, alles schien zu gehen. Bis ich zwei Jahre danach einen sehr derben Rückfall hatte.Und ich schwindelte, log, das sich die Balken bogen.Und beschwor durch meine Lügereien einen totalen Vertrauensverlust meiner Frau hervor.
Wir haben wirklich eine sehr durch Liebe geprägte Beziehung. Ich denke, wäre das nicht, so hätten wir uns damals wohl getrennt.Aber dieser Rückfall zeigte mir auch, das nicht alles richtig lief. Das ich wohl aufgehört hatte zu spielen, aber doch mein gesamtes Verhaltensmuster kaum geändert hatte. Lügen waren so sehr an der Tagesordnung, das ich schon nicht mehr bemerkte, wann ich log.
Mit viel Kleinarbeit, immer wieder deutlich machen durch meine Frau, wenn ich mal wieder gelogen hatte, begann ich langsam zu begreifen, das ich das Lügen gar nicht gebraucht hätte. Seit über drei Jahren bin ich nun ohne Rückfall. Grund genug, mich bei meiner Gruppe und insbesondere bei meiner Frau zu bedanken. Denn sie waren die wesentlichen Aspekte die mich immer wieder aufrichteten und stärkten - und ein fester Wille in mir, tatsächlich was zu verändern. Auch in meinen Verhalten.
Früher war ich der liebe Kerl - und jedermanns Freund ( wenn ich Geld hatte). Heute bin ich das nicht mehr. Kaum noch jemand, der sagt, der Rudi ist ein lieber Kerl. Eher das Gegenteil.
Doch kann ich heute sagen, ich habe nicht viele Feunde, aber die es sind, das sind wirkliche Freunde. Auch in der Gruppe.
Muß sagen, ich ecke zur Zeit öfter an. Vermutlich weil ich meine Veränderung noch nicht ganz vollzogen habe. Und immer noch habe ich mit Kritik so meine Probleme, aber es wird immer besser.
Trotz allem, ich fühle mich gut so . Und wesentlich besser als in meiner akuten Spielphase.
Es hat sich gelohnt für die "Trockenheit " zu kämpfen. Und insbesondere auch dafür, das meine Frau wieder gewisses Vertrauen zu mir hat.
Wünsche allen ein spielfreies, FROHES OSTERFEST
Und danke an Euch für Eure oft sehr aufmunternden Worte.
Bis bald
Rudi

Willi
10.04.2004, 18:53
Super Beitrag, Rudi.
Du kannst stolz auf Dich sein. Ich glaube, Du hast das Problem an der Wurzel erkannt und gepackt. Deshalb jetzt wohl die schon lange Zeit von 3 Jahren abstinent.
Ich bin gerade dabei, ein Netzwerk für Spieler aufzubauen. Von solchen Menschen wie Dir und Deinen Erfahrungen können andere sicherlich noch profitieren.
LG
Willi