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Rudi
12.10.2004, 10:14
Hallo !
Nach einiger Zeit meiner Abstinenz, beginne ich mich selbst zu sehen. Klarer und nüchtener als ich es jemals vermochte.
In meinen Umgang mit anderen Spielabhängingen - egal ob in der Gruppe, oder auch hier im Forum ,scheint es mir des öfteren, als wenn mir ein Spiegel meiner Verhaltensweisen vorgehalten wird.
Da bin ich als Spieler - habe erkannt, das es so nicht weitergeht mit mir. Erzähle meine Geschichte - und erzähle sie doch so, das meine positven Seiten auf jeden Fall durchschimmern - und im Laufe meines Berichtes immer stärker werden. Nein, so schlecht bin ich in Wirklichkeit gar nicht...
Eigentlich hört es nie auf, das buhlen um Anerkennung - das beweisen wollen, was ich doch eigentlich für ein toller Kerl bin. Aber war das nicht schon in meiner Spielphase so ? Wollte ich nicht auch da irgendwie was beweisen ? Und war ich da nicht verdammt auf dem Holzweg ?
Und jetzt ? Versuche ich nicht vehement meine Ansicht als das Nonplusultra zu sehen - um jeden zu beweisen , ich schaffe das - und Hilfe brauche ich nicht so sehr - weil ich bin ja so unglaublich stark ?
Wie ist es anders zu erklären, wenn die Erfahrungen von Anderen heruntergespielt werden, die schon lange auf den Weg der Abstinenz sind ? Wenn man nach zwei Tagen nicht Spielens behauptet , ich gehe meinen Weg ohne Gruppe, ohne Therapie - eben ohne Hilfe ?
Wie dumm bin ich eigentlich, das ich auf ausgestreckte helfende Hände verzichte ? Welch lange Zeit brauchte ich, bis ich Hilfe für mich zulies. Trotz vieler Versuche vorher, war es mir erst dann beschieden, dauerhaft abstinent zu leben.
Es kotzt mich manchmal wirklich an , wenn ich das Strahlen in den Augen sehe, wenn über das Spiel gesprochen wird.
Wenn manchmal utopische Summen genannt werden , die verspielt wurden - nur um doch allen zu beweisen, ich bin nicht der Looser, irgendwie habe ich das Geld ja auch verdient...
Wieder ein Fingerzeig - schaut alle her, was ich alles kann.
Nun, diese Verhaltensform stellt man nicht nur bei Spielabhängingen fest. Im Volksmund wird ja so etwas als angeben bezeichnet.
Ein Verhalten, in dem ich mich wiederfinde . Ein Verhalten, das mich bei Anderen sehr stört - und wahrscheinlich vielen an mich stört .
Ja, ich bin nun eine gewisse Zeit abstinent .
Nachdem ich lange Zeit brauchte, meine Ehrlichkeit zurück zu finden, ist es nun an der Zeit bestimmte Verhaltensmuster aus meiner aktiven Spielphase abzulegen.
Wird bestimmt ein schwerer Weg - denn alles ist doch schon sehr eingefleischt.
Aber ich will mit mir Frieden schließen - dazu gehört mehr, als nicht mehr zu Spielen.
Dazu gehört vor allen Dingen selbst ein eigenes Verhalten an den Tag zu legen, wie ich es mir von meinen besten Freunden wünsche.
Ich hoffe, mir gelingt eine solche Veränderung.
Euch allen
Gute 24

Claus
12.10.2004, 10:29
Hallo Rudi,
wenn ich mich Ver-Ändere, ist das als wenn ich aus meinem Dorf gehe in die Welt hinaus. Ich spreche nur die Sprache der Menschen die wie ich auch "Unterwegs sind", wenn ich aber zurück gehe, sind mir die einst so vertrauten Menschen - ihre Sprache- und Verhaltensweisen total fremd.
Du schaffst das Rudi, denn Du bist ehrlich zu Dir
Lieben Gruss
Claus

PS: Gestern Abend im Chat ist mir der PC abgestürzt, Sorry

Rolf
12.10.2004, 13:21
Alles was ich tun kann ist,zu versuchen meinen Weg zu finden, über Umwege, durch Höhen und Tiefen. Bescheiden bleiben, bei mir bleiben. Mein Weg ist..........mein Weg. Alles was ich tun kann ist, zu versuchen da zu sein wenn meine Hand gebraucht wird, wenn nicht diesmal, vielleicht nächstesmal, irgendwann.

Ich glaube, wenn ich bescheiden bleibe und mich als das sehe was ich bin, ein Mensch, der versucht seinen Weg zu finden, der bereit ist seine Hand zu reichen wenn sie benötigt wird, der bereit ist selber helfende Hände zu ergreifen, dann habe ich eine gute Chance meinen Weg zu finden. Vielleicht nicht heute, nicht morgen, irgendwann.

Wenn ich es schaffe so weiter zu gehen, wenn ich es schaffe geduldig mit mir und anderen zu bleiben, dann habe ich vielleicht eine gute Chance irgendwann zu mir selbst zu sagen, es ist ok Rolf. Ich glaube, dann habe ich auch eine gute Chance weiterhin Spielfrei und frei vom Alkohol mein leben zu leben.

Liebe Grüße, Rolf

Lutz
12.10.2004, 13:38
Hallo Rudi,
warum zerfleischst Du dich nur in Selbstmitleid? Du kannst mit Sicherheit auf deine Spielfreiheit stolz sein. Die Themen, welche Du angesprochen hast, werden in deinem Leben immer wieder auftauchen, weil du ewig mit Deiner Sucht in Kontakt kommst. Warum also solltest Du das Erreichte einfach beiseite schieben und verdrängen? Gerade mit dem Verdrängen nimmst Du wieder dein altes Verhalten an. Speziell bei diesen Themen kommt es immer wieder vor, daß wir über "alte Zeiten" reden müssen. Wie sonst könntest Du dann anderen klarmachen, daß Du auch in solchen Situationen gesteckst hast?

Denke doch auch einfach mal daran, wievielen Betroffenen und Angehörigen Du durch deine gefühlvollen und manchmal auch sehr kritischen Beiträge geholfen und ein Gefühl von Sicherheit gegeben hast! Auch ich bin einer von denen, die durch Deine Beiträge viel gelernt,Mut und Kraft bekommen hat. Dadurch, daß Du einer von uns bist, erweckst Du in mir Vertrauen und es fällt mir leichter, dir meine Probleme zu schildern.

Auch ich bin sicher, daß Du weiterhin Deinen Weg gehen wirst und noch viele spielfreie 24 Stunden haben wirst.

Gute 24

Lutz

Rudi
12.10.2004, 21:00
Hallo Lutz , Claus und Rolf !
Vielen Dank für eure Antworten und Euer Zuspruch.
Es ist nicht so, das ich mich schlecht fühle - oder an einen Rückfall denke. Nein, das ist es wirklich nicht.
Was ich spüre, ist eine gewisse Stagnation. Die will ich nicht zulassen - und erwische mich immer wieder, das ich mit alten Verhaltensmuster aggiere. Nämlich irgendwie beweisen zu wollen, wie toll ich doch bin.
Und da muß ich Rolf`s Eintrag unterstreichen. Mehr Bescheidenheit , weniger Rechthaberei und mehr Toleranz gegenüber anders Denkenden wäre nicht verkehrt für mich.
Das versuche ich zu erreichen - und wahrscheinlich wird es für mich nicht leicht umzusetzen. Nach über 30 Jahren Spiel wohl auch nicht anders zu erwarten.
Runter mit den Emotionen, meinen Weg in die Abstinenz als für jeden richtig und machbar zu sehen, versuchen nachzuvollziehen, was andere mir sagen wollen.
Ja Lutz, ich bin stolz auf meine Spielfreiheit . Und sehe meinen Eintrag auch nicht als Selbstmitleid . Viel mehr als Selbstkritik - und die sollten wir alle ein wenig mehr
walten lassen. Denn an eine gewisse Arroganz mangelt es auch mir mitunter nicht.
Claus, ich hoffe sehr, das mir die Sprache und das Verhalten der mir vertrauten Menschen nicht abhanden kommt . Ich werde eifrig sein, wieder diese Sprache zu lernen - und ihr Verhalten zu erkennen.
Bis bald
Allen
Gute 24
Rudi

BOOMER
13.10.2004, 14:57
Hallo Rudi !

Deinen Beitrag sehe ich auch nicht als Selbstmitleid sondern eher als Selbstkritik. Du hast es geschafft spielfrei zu werden und wirst es auch bleiben. Deshalb steht Dir meines Erachtens -Stolz oder sogar eine gewisse Arroganz zu. Du hast in diesem Forum hier unzähligen Menschen geholfen mit Deinen ehrlichen und auch kritischen Beiträgen, aus Überzeugung und Selbsterfahrung. Es gibt kein einziger Mensch auf dieser Welt der vollkommen ist. Du wärst der Erste! Ich finde dich ganz toll in Ordnung so wie Du bist. Wenn du den Wunsch hast dich zu ändern oder zu verbessern so möchte ich nicht versäumen Dir gutes Gelingen dabei zu wünschen.

Liebe Grüsse
Boomer

Karl
14.10.2004, 13:14
Hallo Rudi,

ich möchte exemplarisch für einen der vielen Menschen denen Du geholfen hast hier auch ein paar Worte verlieren.
Ich denke das wichtigste für uns ist, dass wir uns wieder zu den liebenswerten Menschen entwickeln, die wir mal waren.
Ich habe seitdem ich dem Spiel den Rücken gekehrt habe einige Phasen durchgemacht.
Die erste war, dass ich erkannt habe, dass ich nicht allein mit meinem Problem dastehe sondern noch viele andere genau so gestrickt sind wie ich.
Hier hat mir das Forum und vor allem Deine Beiträge und der Chat mit Dir und anderen sehr geholfen.
Danach habe ich erkannt, das es eine Welt außerhalb des Spiels gibt und dort Menschen sind, die mich lieben und mir helfen wollen wieder der zu werden, der ich mal war.
Am Anfang habe ich zum Teil noch etwas egoistisch reagiert und lieber mit betroffenen gechatet, als sich mit der Familie zu unterhalten.
Aber ich denke, dass brauchte ich zur Selbstfindung auch.
Nun stelle ich mir immer häufiger die Frage wo stehe ich?
Ich bin nun über 5 Monate trocken und habe überhaupt kein Gefühl mehr für das Spiel. Ich war öfter an Orten wo ich früher gespielt habe, verspühre aber überhaupt keinen Spieldruck mehr.
Sicher kommen Erinnerungen zurück, aber sie führen nicht dazu, dass ich irgend ein Verlangen habe.
Ich frage mich, wie kann dass sein. Ich habe wie Du auch über 30 Jahre gespielt und habe nun nach 5 Monaten das Gefühl geheilt zu sein.
Ich weiß genau, dass man nicht geheilt sondern nur trocken ist, aber ich fühle mich eben geheilt.
Ich merke auch, wie mein Interesse am Forum und am Chat nachläßt. Natürlich schaue ich noch rein, wenn ich Zeit habe, aber eben nicht wie am Anfang jede Stunde.
Wenn ich Zeit habe gehe ich auch in den Chat oder schreibe eine Mail, aber ich vernachlässige dafür nicht andere Menschen, denen ich nahe bin.
Ich habe natürlich auch ein schlechtes Gewissen, da ich mit meiner Erfahrung auch anderen Menschen über das Forum helfen könnte.
Ich möchte jedoch jedoch im Moment diese neuen Pflanzen, die überall in meinem Umfeld wachsen pflegen und keine davon wieder zertreten.
Ich werde auch nichts verdrängen, aber nicht mehr pausenlos an der dunklen Vergangenheit hängen.
Ich wünsche Dir lieber Rudi ganz viele neue Pflänzchen und Perspektiven für die Zukunft und das die schönen Träume die du träumst zum Leben werden, das Du lebst.

Danke für Alles

Karl

Marcus (Fachstellenteam)
14.10.2004, 13:22
Hey Boomer!

Schön, wieder von dir zu lesen!
Wie geht es dir inzwischen? Ich möchte dir gerne anbieten nochmal Kontakt zu mir aufzunehmen!

Liebe Grüße,
Marcus

Boomer
14.10.2004, 17:34
Hallo Marcus

Danke für Deine Nachfrage. Gerne nehme ich Dein Angebot an Marcus.

Liebe Grüsse
Boomer

Matze-pfk
23.06.2005, 13:29
Hab auch lange gebraucht bis ich in die gruppe kamm.
Es war ganz ok - bin seitdem nicht mehr zocken-2monate und 11 tage.
Sollten alle zocker machen.
Tschau

Alexander
26.06.2005, 16:25
Hallo Rudi,

mit dem was du sagst hast du sicherlich recht, das viele von uns anderen was beweisen wollen, vielleicht sogar angeber, hochstapler und sehr arrogant sind oder waren. jedoch finde ich nicht das man immer kleinlaut und zurückhaltend sein soll, warum? wenn es wirklich sachen sind, auf die man stolz sein kann, die man sich erwirtschaftet und hart erarbeitet hat, kann man das ruhig mal erwähnen ohne damit zu prahlen. ich arbeite in einer bank mit vielen krawattetragenden, arroganten gut verdienenden leuten und gerade die ganz oben stehen loben sich in den himmel das es stinkt, das mir ganz schlecht wird das ich denen am liebsten eine reinhauen würde. sorry für die worte, aber so empfinde ich es. Und wenn ich mal was über mich sage, worauf ich stolz bin, auch wenn es mit geld, besitz oder wissen zu tun hat, überkommt mich ein gefühl von scham und peinlichkeit, weil es mir so anerzogen wurde dies nicht zu tun. ich bin oft in meinem leben bei dieser frage ins grübeln gekommen was das richtige ist. wie weit sind diese ganzen angeber und hochstapler doch in ihrem leben gekommen. fahren tolle autos, verdiene schweine geld haben hübsche mädchen, obwohl sie oft weniger "wissen" als unser eins, nur entsprechen sie bestimmten vorstellungen. ich finde einfach, wenn es was gibt womit du dich wirklich gut auskennst, wodrauf du stolz sein kannst weil du es dir selbst hart erarbeitet hast, dann darfst du es auch zum besten geben ohne wie diese mistangeber damit richtig rumzuprahlen. du brauchst dich meiner meinung nach nicht davor zu verstecken, es zu unterdrücken und dich dabei schlecht zu fühlen oder sogar dafür fertig zu machen. ich denke du kannst auf dich stolz sein, hast tollte beiträge geschrieben, vielen von uns gut zugredet und damit darfst du "angeben" ich hoffe du verstehst wie ich das meine. alles gute u. bleib so wie du bist, genieße das leben anstatt dir über sowas gedanken zu machen, das ist es nicht wert.
lieben gruß
Alexander

hermann
26.06.2005, 20:46
mann brauch nur namen, ort und zeit ändern
und andere spieler finden sich wieder.
in den gruppen habe ich viele geschichten gehört - auch meine waren so schön rund und toll; wahnsinnssummen, erlebnisse und immer war einer besser.
das schöne an diesen geschichten, sie wurden in der gruppe aufgenommen, alle haben zugehört
auch meine geschichte ist dort. mit der zeit ändern sich alle geschichten
die spieler, die trocken sind und ihren weg gefunden haben,
hören weiter hin und sind geduldige zuhörer.
ich habe für mich beschlossen, wenn jemand meine hilfe braucht, werd ich ihn an die hand nehmen, über die strasse bringen auf die andere seite. danach werde ich ihn loslassen - seinen weg muss er alleine finden. ich denke, man muß doppelt so lange spielfrei sein wie gespielt zu haben, um wirklich clean zu sein.

gruß hermann

Karl
06.07.2005, 09:58
Hallo Hermann,

das schaffe ich vermutlich nicht mehr, dann wäre ich 110 Jahre alt :-)))

Gruß

Karl

Rolf
06.07.2005, 11:40
mehr geht auch nicht. Was mich etwas stört in Deinem Beitrag ist Deine Aussage.....ich denke, man muß doppelt so lange spielfrei sein wie gespielt zu haben, um wirklich clean zu sein...................

Das erinnert mich zu sehr an einen Berg, ähnliches hatte mir mal jemand über die Aussage seines Therapeuten erzählt, er würde wohl fünf Jahre brauchen um einigermaßen klar zu sein. Sicher dauert alles eine Zeit aber ich persönlich finde es besser einem Suchtkranken nicht unnötig einen Riesenberg vor Augen zu halten, mehr im Jetzt zu denken ist besser. Mehr auf die Qualität der Trockenheit zu achten als auf die Quantität. Ich habe Menschen kennengelernt die 15..20 Jahre trocken leben aber fürchterliche gnüselprime sind, im wahrsten Sinne unzufrieden trocken.
Ich denke es geht darum die Lebenssituation im Heute zu verbessern, was kann ich jetzt tun damit es mir gut geht, daraus resultiert zwangsläufig irgendwann ein Rückblick auf eine schöne trockene Zeit. Ich kann einen produktiven trockenen Tag verleben oder mich in der vergangenheit bewegen und darüber grübeln was alles schief gelaufen ist, wen interessiert es das ich ein Vermögen verknallt habe irgendwann, keine Sau.
Und wen interessiert es ob ich 4 oder 20 Jahre trocken bin, das ist keine besondere leistung sondern eine Aneinanderreihung von Tagen, nicht mehr spielen oder saufen ist eigentlich nur wieder der Normalzustand, mehr nicht. Insofern sind gute 24 Stunden nicht mal das schlechteste um dem Augenblick auf die Schliche zu kommen. Wenn jemand nach sagen wir mal 5 jahren zockerei einen Tag lang nicht spielt ist das auch klasse. Hat jemand nach einigen Jahren einen Rückfall, kein Problem, macht er halt morgen weiter mit dem Heute nicht.

Geduld, weg von den Schuldgefühlen, alles tun um gesund zu werden, der Rest findet sich.

Liebe Grüße, Rolf

Rudi
07.07.2005, 10:55
Hallo Hermann, hallo Rolf,
ich finde es gut, mit welcher Unverkrampftheit Rolf unsere Spielsucht sieht.
Um dahin zu kommen, bedarf es wohl eine Menge Arbeit an sich selbst - letztlich ein sich selbst finden.
Das ist wohl auch der Punkt, der schließlich dazu führt,
wieder ein weitgegend normales Leben zu führen.
Weg von der Verbissenheit alles in den Griff zu kriegen - weg von Selbstvorwürfen und zweifeln.
Jedoch braucht jeder für sich im Anfang diese Verbissenheit um sich aus seiner Sucht zu entfernen.
Mit jeden Tag den ich nicht spiele, begebe ich mich zeitlich weiter aus meiner Sucht - je mehr sich meine Verkrampftheit löst - je mehr entferne ich mich auch geistig aus meiner Sucht.
Rolf ist uns da ein gutes Stück voraus - und mir fiel es lange schwer diese in meinen Augen von Rolf gefundene Lockerheit zu akzeptieren. Zu sehr mußte ich noch selbst beißen und ringen, mich aus meiner Sucht zu entfernen - und ich denke, diesen Kampf muß wohl jeder Süchtige führen - ganz allein für sich.Und wenn in dieser Phase von anderen Lockerheit entgegengebracht wird, stößt die auf Unverständnis.
Im Laufe der Zeit erkennen wir selbst, das nicht alles das Nonplusultra ist, was wir in der Zeit des Kampfes gegen die Sucht von uns geben. Doch die Phase der Verbohrtheit und Sturheit mußte ich für mich durchleben, um Abstand zu bekommen von meiner Sucht. Es war für mich der richtige Weg.
Die Verbohrtheit kehrt sich langsam um - und macht in mir das Gefühl von Freiheit und Zufriedenheit Platz.
Die Auseinandersetzungen hier im Forum - unter anderem auch mit dir lieber Rolf - aber auch mit Claus, Kary oder Hans halfen mir auf meinen Weg - helfen auch heute noch mich selbst zu erkennen.
Auf der anderen Seite aber auch die Bestätigung von den mir liebgewordenen Forumsteilnehmern wie Boomer, Karl, Susi
Kajanaluna und manch anderen. Sie gaben mir das Gefühl auf den richtigen Weg zu sein - und somit auch viel Hilfe.
Wir brauchen das pro und contra - um letztlich die von uns gewünschte Normalität zu erreichen.
Weit weg von den Gedanken , das in uns weiterhin die Spielsucht schlummert. Ich werde meine Sucht in den Tiefschlaf schicken - und wenn sie doch mal aufwacht - gibts was auf die Glocke.
Euch allen einen wunderbaren Tag
Rudi

Rolf
07.07.2005, 12:29
Ich denke nicht das ich weiter bin, lockerer ja. Es liegt wohl an zig Therapiestunden in denen ich einiges über mich heraus gefunden habe und natürlich auch an der Zeit im Internet, auch der Gelassenheitsspruch hat sich mehr und mehr manifestiert. Glaub mir mit meiner Geduld bringe ich manche meiner Bekannten zum Wahnsinn :)) Wie oft höre ich, Du lebst nur einmal, geh schneller, nöööö...ich gehe so wie ich es für richtig halte! Klar lebe ich nur einmal aber auch ich muss höllisch auf meine Krankheit aufpassen also gehe ich etwas langsamer und versuche unverkrampft an die Dinge ranzugehen. Was ich durch Therapie verstanden habe ist, keine Schuldgefühle, kein schlechtes Gewissen haben zu müssen, weder vor mir noch vor anderen. Vielleicht hilft es sich immer wieder zu sagen, ich war krank, tue alles um gesund zu werden also wofür ein schlechtes Gewissen oder Schuldgefühle.
Vor zig Jahren hat mir mal ein Psychologe gesagt, was geht mich meine Meinung von gestern an, irgendwie hatte ich das nicht so recht verstanden, dachte wie jetzt, man kann doch nicht seine Meinung ständig wechseln wie eine Unterhose. Ich weiß heute es geht um ganz etwas anderes, nämlich sich zu überdenken, was gestern richtig war muss heute nicht unbedingt richtig sein. Nicht zuviel an Altem festhalten auch wenn es verlockend erscheint, genau da liegt ja die Gefahr der Verkrampftheit im Umgang mit der Krankheit und mit sich selbst.

Das Ziel heißt, Normalität, was natürlich nicht bedeuten soll seine Krankheit ganz aus den Augen zu verlieren. Auch die Verbortheit hat viele Facetten Rudi, muss ja nicht immer verkehrt sein etwas verbort zu sein. Wenn es um meine Krankheit geht kenne ich keine Kompromisse, auf keinen Fall, da würde ich, ganz spitz formuliert, über Leichen gehen, wer mir da im Wege steht wird beiseite geschoben.
Alles was ich versuche ist Dinge und Menschen zu überdenken und mich selbst manchmal auch. Der Weg ist noch sehr, sehr weit aber mit jedem zurückgelegten Schritt komme ich mir näher und wenn ich irgendwann in der Kiste liege bin ich fertig, oder auch nicht. Wer weiß das so genau. :))

Wenn der liebe Gott mir auch weiterhin das gibt was ich wirklich brauche und ich meine Geduld nicht verliere dann möchte ich sagen, ein prima Leben.

Dir auch einen schönen Tag, Rolf

Rudi
12.07.2005, 10:56
Lieber Rolf,
es ist nach meinen Denken sehr gut, wie du mit deiner Sucht umgehst.
Einfach ein Stück Gelassenheit zulassen.
Das ist wohl die Normalität, die wir erreichen wollen.
Auf dem Weg dorthin befinde ich mich auch . Aber es ist ein Weg der nicht einfach ist - und gepflastert von Emotionen, Selbstvorwürfen, Schuldgefühlen und Wiedergutmachensgedanken.
Doch wir können nicht ändern was gewesen ist - aber wir können dafür sorgen, das es in Zukunft anders ist.
Auf dem Weg in dieser für uns neuen Zukunft und Welt sollten wir uns nicht aufhalten lassen - selbst wenn wir hin und wieder einen Schritt zurückgehen müßen.
Wenn ich heute sage, ich habe durch unsere Auseinandersetzungen letztlich sehr provitiert, dann ist das eine Erkenntnis, die ich frisch gemacht habe - denn diese Erkenntnis kommt nur, wenn wirklich über die Kontroverse nachgedacht wird - bereit ist darüber nachzudenken- und mal zu versuchen sich in der Rolle seines Gegenübers hineinzusetzen.
In diesem Sinne - dir weiterhin alles Gute auf deinen Weg.
Rudi

Rolf
12.07.2005, 19:46
Von Zeit zu Zeit einen Schritt zurückgehen ist vielleicht nicht verkehrt, schnell übersieht man etwas und rennt an schönen Dingen vorbei.
Ich finde es sehr schön das Du geschrieben hast, " sich in die Rolle des Gegenübers reinversetzen"... Zeigt das nicht die Entwicklung, spiegelt das nicht den Weg wieder den wir gehen.

Wie fühlt sich mein Gegenüber, was bewirkt mein Verhalten, Fragen die mir doch früher scheissegal waren. Allerdings heißt Normalität auch zu sich zu stehen, mit der Vergangenheit, Wieder gut machen geht nicht, wozu auch, ich bin nicht absichtlich krank geworden, also brauche ich auch keine Schuldgefühle haben. Rudi, jeder hat seine Leichen im Keller, bloss wir reden darüber, stehen zu dem was war und gehen weiter. Ein indianisches Sprichwort sagt,...Der einzige Pfad den es wirklich lohnt zu gehen ist der Pfad zum Menschwerden...ich denke das stimmt.

Liebe Grüße, Rolf

Rudi
19.07.2005, 19:31
Lieber Rolf,
dieses indianische Sprichwort kenne ich nicht.
Aber gerade für uns - aber auch für jeden sogenannten gesunden Menschen, ist allein dieser Weg erstrebenswert.
Worüber gesprochen werden kann ist die Frage, was bedeutet Mensch sein ?
Da gibt es bestimmt viele Ansichten und Meinungen.
Für mich gehört mit Sicherheit dazu, weg von den Vegetieren - weg von in den Tag hinein leben, bis irgendwann unserer letzter Tag kommt.
Dem eigenen Sein Sinn geben - den Anderen so behandeln, wie ich es selbst wünsche, behandelt zu werden.
Dabei ist uns so manche Eigenschaft im Wege . Unser Stolz und Eigensinn - unser Verlangen nach Anerkennung und Akzeptanz. Eben Eigenschaften die wir als Menschen haben und die sehr menschlich sind. Aber machen diese Eigenschaften "Mensch sein" aus ? Oder was gehört nach Deinem /Eurem dafürhalten dazu? Was macht es aus das Mensch sein ?
Gut finde ich bereits den Ansatz darüber nachzudenken - denn dieses Nachdenken können, unterscheidet uns doch sehr von Tieren. Auch die Entscheidungsfreiheit welche Wege wir gehen wollen. Das Bewußtsein unsere eigenen Wege gestalten zu können - mit dem Wissen der eventuellen Konsequenz.
Oder sollte das" Mensch sein" unter rein religiösen Aspekt gesehen werden ?
Viele Fragen - viele Diskussionspunkte - bin auf Eure/Deine Antwort gespannt.
Lieben Gruß
Rudi

Clausel
19.07.2005, 20:58
Hallo Rudi,
eine lieber Mensch der mich ein Stück begleitet hat auf dem Weg meiner genesung sagte es so:
"Mensch zu werden ist nicht schwer;
Mensch zu sein, dagegen sehr!

Wenn bei mir mal alles Durcheinander ist und ich nicht weiter weiss, bringt mich das Gebet von
Franziskus von Assisi in die "Menschsein Richtung"
ich sags mal mit dem ´Gebet

Herr, mache mich zum Werkzeug Deines Friedens,
Dass ich Liebe bringe, wo man sich hasst,
Dass ich Versöhnung bringe, wo man sich kränkt,
Dass ich Einigkeit bringe, wo Zwietracht ist,
Dass ich den Glauben bringe, wo Zweifel quält,
Dass ich die Hoffnung bringe, wo Verzweiflung droht,
Dass ich die Freude bringe, wo Traurigkeit ist,
Dass ich das Licht bringe, wo Finsternis waltet.

O Meister,hilf mir, dass ich nicht danach verlange
Getröstet zu werden, sondern zu trösten,
Verstanden zu werden, sondern zu verstehen,
Geliebt zu werden, sondern zu lieben.

Denn: Wer gibt, der empfängt, wer verzeiht, dem wird verziehen,
Wer stirbt, der wird zum ewigen Leben geboren. Amen

Nach dem heiligen Franziskus von Assisi

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oder eben nach den alten Griechen die die Vollkommenheit (Stärke) in der Un-Vollkommenheit (schwäche) sahen.

oder eben in den zwei Tatsachen:
1. Es gibt einen Gott
2. Ich bin es nicht!

Also brauche ich auch nicht den lieben Gott zu spielen, denn nur dann kann ich Mensch (Unvollkommen sein.

Gruss
Claus

Karl
30.08.2005, 15:12
Hallo Rudi,

durch die aktuellen Einträge bin ich auch wieder auf diesen Threat gestoßen, der schon fast ein Jahr alt ist. Ich war damals 5 Monate trocken und habe mich gefragt, wo ich stehe wohin ich gehe wen liebe ich, wen brauche ich .........

Ich habe mich damals entschieden meine Prioritäten neu zu setzen, meinen Egoismus abzulegen, mich stärker meiner Familie zu widmen. Heute bin ich nur noch selten im Forum und es fällt mir auch immer schwerer auf die Einträge zu schreiben. Ich glaube das kann man auch nur, wenn man regelmäßig reinschaut, weil sonst kein Dialog entsteht.

Aber warum schreibe ich gerade heute? Habe ich nicht den Schreibtisch voll mit unerledigten Sachen? Nach der "langen Zeit" der Abstinenz ist das Forum doch immer noch ein Zufluchtsort für mich, auch wenn ich heute offen mit meiner Familie über Ängste und Gefühle reden kann.

Heute war (ist) wieder so ein Tag, an dem es private Differenzen gab, beruflich nur Steine in den Weg gerollt wurden, eben so ein Tag, der vor 16 Monaten in irgendeiner Spielhalle oder im Casino geendet hätte.

Nur kann ich heute sagen, ich habe nicht im geringsten ans Spielen gedacht. Nun mag der ein oder andere sagen, warum hat er dann in ein Forum geschaut, das sich mit Spielsucht beschäftigt?

Ist vermutlich Gewohnheit. Wenn ich früher Spielsucht hatte, habe ich ins Forum geschaut, wenn ich Spielsucht hatte ging es mir schlecht, heute schaue ich ins Forum wenn es mir schlecht geht. (Pawlow, bedingter Reflex)

Aber da liegt vermutlich auch noch mein Problem. Ich war als Spieler sehr einsam, brauchte keine Freunde und habe neben meiner Familie gelebt.

Die Familie habe ich wieder, aber mit den Freunden hapert es noch, bin vermutlich zu wählerisch, frage immer nach Sinn und Nutzen, kann heute noch stundenlang alleine mit dem Fahrrad übers Land fahren, mag ungern zu Feten oder Veranstaltungen gehen und wenn, dann will ich auch früh wieder weg.

Ich weiß nicht ob ich noch vor irgendetwas weglaufe, mich verstecke, Minderwertigkeits- oder Schuldgefühle habe, eigentlich könnte ich doch mit dem was ich habe zufrieden sein.

Den Blick zurück, manchmal mache ich ihn noch ich glaube ich muss mir einfach für die Zukunft neue Ziele setzten.

Schöne 24 Stunden für alle

Karl

Rudi
30.08.2005, 16:47
Hallo Karl,
freue mich, von dir zu lesen - und wenn ich so alles richtig sehe, hast du kein Grund zu trauern.
Mensch Karl, 16 Monate spielfrei - das ist doch kein Pappenstil.
Ich finde es auch riesig, das du dich wieder voll deiner Familie widmest.
Doch eines gefällt mir an der Darstellung nicht so ganz.
Ein bißchen von unseren Egoismus müßen wir uns bewahren.
Ein wenig Ichbezogenheit, damit auch wir nicht den Spaß am Leben verlieren.
Wir haben in unserer Spielphase viel angerichtet - aber deswegen ist es trotzdem nicht gut ein großes Schuldbewußtsein aufzubauen. Das zermürbt uns - und läßt uns für unseren Partner ein schwieriger Gegenpart werden, weil uns auch dadurch ein wenig die Lockerheit abhanden kommt. Und zerknirscht durchs Leben zu gehen, das hilft keinen. Wir dürfen ruhig unsere Bärbeißigkeit ablegen,
uns darin üben, die Leichtigkeit des Seins zu fühlen.
Ich denke mit einen Lächeln auf den Lippen - ein wenig Lockerheit im Umgang mit unseren Partner, darin liegt unsere neue Lebensqualität. Wir haben es einfach nicht nötig uns über Maßen selbst zu disziplinieren - denn das kostet Lebensfreude.
Davon haben wir schon zu viel eingebüßt.
Es ist nichts schlimmes, das Leben zu genießen - und wenn wir beim genießen unseren Partner einbeziehen, wird es wunderbar.
So ist es auch mit Freundschaften - was wir geben werden wir zurück bekommen.Und auch da ist es nicht verkehrt die Begegnungen mit etwas Lockerheit anzugehen.
Das Leben ist was wunderbares - gerade auch mit unserer Spielfreiheit können wir es deutlich spüren. Aber wir müßen dieses Spüren zulassen.
Lieben Gruß
Rudi