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Dirk
12.10.2004, 14:44
Hallo zusammen.
Nach 24 Jahren des relativ schnellen süchtigen Spielens bin ich nun hier gelandet.
Angefangen mit 18, stationäre Therapie mit 26, trocken bis 30, gezockt bis 32, trocken bis 38, gezockt bis 41, trocken seit 6 Monaten...
1 Beziehung kapputt, die Ehe nah davor.
Viel Geld verspielt, an Automaten, in Casinos usw.
Eine typische Spielerkarriere.

Ich glaub Rudis Beitrag zeigt, wie sehr ich auch mit mir aufräumen muss. Mein Verhalten ändern muss.
Nicht mehr zu Spielen ist die eine Seite, mich zu ändern die andere.
Wohin nur mit der ganzen Zeit, die ich früher mit den Automaten verbrachte? Wie mein Leben sinnvoll ausfüllen, wie wieder lernen, mich auf andere Dinge zu konzentrieren?
Nicht abzuschweifen in Gedanken...

Es ist ein Prozess der kleinen Schritte, wie in jeder Therapie gelernt wird. Ich weiß. Und doch ist es so schwer. Ich als großkotziger Spieler, dem nichts mehr etwas anhaben kann. Alle Gefühle tot.

Und es ist bestimmt kein Selbstmitleid, es ist einfach eine Feststellung von Tatsachen.

Wenn ich mich rückblickend beobachte, was habe ich während der abstinenten Zeit gemacht? Ich hab mich nicht sehr geändert. Ich hab nur was anderes gefunden als das Automaten - Spielen. Mal im Beruf gespielt (an der Börse), mal mit Menschen gespielt (zig Affären mit Frauen), mal einfach verdrängt (nur sovor mich hinvegetiert).

Ich kann nur dauerhaft glücklich sein, wenn ich diese Verhaltensweisen ändere. Wenn ich schonungs ehrlich zu mir bin und keine Ausflüchte noch Verdrängungsmechanismen zulasse.

Wollt ich einfach mal loswerden.

Gute 24!

Dirk

Lutz
12.10.2004, 17:04
Hallo Dirk,
Du hast in deinem Beitrag viel Wahres geschrieben. Aber das für mich Wichtigste hast Du in den beiden letzten Sätzen festgehalten.
Ich selbst habe mich auch verändert und wie ich meine, so das es mir besser geht. Bereits vor meiner stationären Therapie konnte ich wieder Gefühle zeigen und zwar in der und durch die Selbsthilfegruppe sowie durch die Hilfe meiner Lebensgefährtin. Ich habe mich bei ihr und der Selbsthilfegruppe geöffnet und, wie Du gesagt hast, mich total geöffnet. Danach habe ich mich befreiter gefühlt und konnte anderen Menschen wieder offen und ehrlich ins Gesicht sehen und mit ihnen reden, ohne zu lügen. In den letzten Monaten seit dem 28.04. habe ich vielen Menschen meine Sucht eingestanden (Gläubigern, Freunden, Familie, Kollegen, Arbeitgeber). Die Resonanz war in den meistens Fällen für mich überraschend. Mit nur ganz wenigen Ausnahmen (das waren die einstigen "guten Freunde") wurde mein Bemühen, offen und ehrlich zu sein, positiv aufgenommen.
Auch kann ich mit einem Male meine Umwelt wieder ganz anders wahrnehmen. Mir gefällt die Natur wieder und ich interessiere mich wieder für meine Mitmenschen. Ich hoffe, daß ich das alles nach der Therapie aufrechterhalten kann. Sicher ist es ein schwerer Weg für uns Spieler das alte Verhalten (Größenwahn, im Mittelpunkt stehen usw.) abzulegen. Aber mit dem Willen, jeden Tag spielfrei bleiben zu wollen und den Freunden aus den Selbsthilfegruppen sowie der Partnerin bin ich sicher, daß ich es schaffen kann. Zu guter letzt hilft immer noch abends zu mir sagen zu können: "Schön, daß ich heute nicht gespielt habe!"

Ich wünsche Dir für die Zukunft viele Gefühle und Wahrnehmungen sowie gute 24 Stunden!

Gruß
Lutz

Karl
14.10.2004, 13:40
Hallo Dirk,

Du hast das Gefühl, dass alle Deine Gefühle tot sind.
Ich denke sie schlummern nur oder sind verkümmert.
Ich hatte auch dass Gefühl, dass ich keine Gefühle mehr entwickeln kann.
Heute kann ich wieder lachen, weinen, mich ärgern, mich freuen, träumen, lieben, hassen, eben all das was einen normalen Menschen ausmacht.
Früher bin ich nur zu irgendwelchen Feiern mitgegangen weil ich es mußte. Heute freue ich mich darauf. Früher habe ich mich vor die Glotze gesetzt, heute unterhalte ich mich mit meinen Lieben über Gott und die Welt.
Du mußt nur, wie jemand, der einen Schlaganfall hinter sich hatte, trainieren, das die gelähmten Gefühle zurückkommen. Das schaffst Du nur, indem Du Dich öffnest und mit all Deinen Sinnen die Umwelt wahrnimmst. Höre Musik, lies ein Buch, diskutiere mit Menschen, Spiele mit Kindern, male ein Bild.......
Du wirst sehen, die Gefühle erwachen wieder und auf einmal hast Du gar keine Zeit mehr an die Zockerei zu denken, geschweige denn zu zocken.
Nun wirst Du vielleicht sagen, reine Theorie, funktioniert bei mir nicht. Ich habe neulich einen Bericht über einen querschnittsgelämten Sportler bei den Paralympics gesehen, der es mit seinem starken Willen geschafft hat, seine Lähmung auf ein Minnimum zu reduzieren und heute wieder laufen kann. Ich denke auch wir können das Laufen wieder erlernen und unsere Gefühle zurückgewinnen.

Schöne 24 Stunden

Karl-Heinz

Rudi
14.10.2004, 20:56
Hallo Karl !
Kann man wohl nicht besser ausdrücken - Danke für diesen Eintrag !
Herzlichen Gruß
Rudi

Dirk
14.10.2004, 23:03
Danke auch.
Aber es ist ein langer Weg...