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Rudi
16.12.2004, 10:25
Hallo,
auch ich habe mir den Kurzbeitrag auf pro 7 angeschaut.
Womit ich insoweit zufrieden war, bis ein Spieler SEINE Geschichte erzählte.
Es ist innerhalb weniger Tage, das ich mit Gewalt durch Spieler 2x konfrontiert wurde.Einmal der Eintrag von Syberia, zum anderen der Beitrag auf pro 7. Und finde es jammerschade, das dann direkt ein Aufreißer für´s Fernsehen hinhalten muß.
Ein Mann, der nach eigenen Aussagen 3mal einen Raubüberfall machte. Ich will mir kein Urteil über diesen Mann erlauben - kenne ihn ja auch nicht.
Aber wenn Spielabhängige ein Haufen krimineller Menschen sind, dann bin ich gar nicht Spielsüchtig - dann gehöre ich nicht dazu. Dann war es falsch für mich, mich als Spieler zu outen - denn ich möchte nicht in einen Topf mit Kriminellen gesteckt werden. Die Meinung der Öffentlichkeit wird durch solche Geschichten dahingehend fociert. Ich habe beim Zocken einiges eingebüßt - auch zeitweise das Vertrauen meiner Partnerin, das ich nur sehr schwer wieder neu aufbauen konnte. Habe aber dennoch MEIN Geld verspielt - und das habe ich durch reichlich Arbeit verdient. Ziehe mir also nicht den Schuh an.
Als Gruppenleiter einer Spielerselbsthilfegruppe ist jedoch meine Telefonnummer und auch mein Name an vielen Stellen hinterlegt.
Da ich mich nun sehr schwer tue mich weiterhin mit dem gemachten Bild des Spielers in der Öffentlichkeit zu indentifiziern, stelle ich mein eigenes Handeln doch sehr in Frage.
Wenn ich jedoch die Wirklichkeit sehe - die Spieler in meiner Gruppe - die Spieler hier im Forum, beweist es eine andere Seite.Beweist mir, das es gut ist sich zu stellen - beweist mir, das die große Zahl der Spieler nicht zu kriminellen Formen neigen.
Wir denken aber weiter - welche Spieler, die überlegen ob sie süchtig sind, outen sich nach dem gezeigten Bericht ?
Die sagen sich doch fast immer, nein so schlimm bin ich nicht - ich gehöre nicht dazu. Das kann eine Folgeerscheinung für den einen oder anderen noch aktiven Spieler sein. Also wem tut ein solcher Aufreißer im Fernsehen gut ??? Mir persönlich nicht.
Ich fühle mich sehr gekränkt, wenn ich hören muß, Spieler sind alles Verbrecher - denn eines ist klar - das stimmt nicht.
Es gibt natürlich Verbrecher, die sich hinter einer Sucht verstecken - ob Alkohol, Drogen oder Spiel - weil sie dadurch die Hoffnung auf Strafmilderung haben. Es gibt zweifellos auch kriminelle Spieler. Leider wird in der Öffentlichkeit ausschließlich über diese berichtet. Das ist nicht gut.
Kein Spielsüchtiger hatte es einfach -aber viele haben ihre persönlichen Grenzen, der jenseits der Illegalität liegt. Und ich denke, das ist die ganz große Mehrheit bei den Spielabhängigen.
Ich denke, auch die Fachstelle der Glücksspielsucht sollte es lassen, zu viele abschreckende Beispiele zu nennen.
Denn der ausstiegswillige Spieler identifiziert sich in der Regel nicht mit diesen Beispielen und zählt sich auf Grund dieses auch nicht zu den Spielabhängingen.
Er kann es mit diesen Beispielen sogar seiner Familie vermitteln - seht ihr, so bin ich ja nicht - in folgedessen auch - noch - nicht abhängig. Mein Problem ist kleiner - das schaffe ich ohne Hilfe - ich gehöre nicht dazu.Durch diese Herauszögern wird sein Problem bekanntlich ja nur größer.
Aber oft wird mir beim ersten Gespräch von einen "Neuen" in der Gruppe gesagt, was ich so alles bisher gehört habe - eigentlich gehöre ich nicht dazu. Ob das auch mit dem Bild des Spielers in der Öffentlichkeit zu tun hat? Ich befürchte fast ja.
Eines noch einmal ganz klar gesagt - Spielerselbsthilegruppen sind wertvolle Hilfe für den Spielabhängingen - Beschaffungskriminalität ist nur ein sehr untergeordnetes Thema - weil auf Grund der Personen in der Gruppe eigentlich nicht erforderlich.
Das sind gemachte Erfahrungen in der Spielerselbsthilfegruppe.
Allen einen schönen 4.ten Advent - und Spielfreiheit.
Herzlichst
Rudi

Heide
16.12.2004, 12:07
Lieber Rudi,
jetzt muss ich mal widersprechen:
mein Mann hat früher auch Spielhallen auseinander genommen, kriminell ist er auch geworden (um Geld zum Spielen zu beschaffen natürlich) und auch gewalttätig (aus dem gleichen Grund). Das hat er mir erzählt.
Ich kann mir schon vorstellen, dass es das häufiger gibt, aber sicher hast du Recht, es ist nicht das Gros der Spielsüchtigen.
Das so etwas im TV und anderen Medien natürlich gern ausgeschlachtet wird, weil es so etwas Sensationelles hat, ist klar. Aber dort sucht man objektive und inhaltsreiche Darstellungen oft vergeblich.

Aber den offenen Blick sollte man auch als selbst Süchtiger nicht verlieren, es gibt eben beides und das sollten wir auch so annehmen. Verschweigen bringt nichts.

Und: da Spielsucht eben etwas mit Geld zu tun hat wie andere Süchte auch und man sehr viel davon braucht, ist es kein Wunder, wenn dann die eigenen Ersparnisse irgendwann nicht mehr reichen.
Das soll keine Entschuldigung sein, aber eine Erklärung. Auch in der GA-Gruppe, in der ich jetzt 2 mal war, sind einige dabei,die erzählen,wie sie sich zusätzliches Geld beschafft haben.
Eben auch durch Diebstahl, Untreue, Scheckbetrug. Deswegen saß mein Mann z.B. 9 Monate in Haft.
Daraus den Schluss zu ziehen: alle Spielsüchtigen sind kriminell - wäre genauso blind wie: alle Sexsüchtigen sind Vergewaltiger.. das kann nicht die Basis sein, auf der wir mit dieser Sucht umgehen können. Oder?
Lieben Gruß
Heide

Norbert
16.12.2004, 13:39
... ich habe schon mal Agressionen mit einem mehr oder minder starken Faustschlag gegen den Automaten ausgelebt,habe Menschen angeschrien, mir illegaler Weise Punktgewinne auszahlen lassen. Aber wirklich kriminell , nein, ich denke nicht. Was bin ich überhaupt für ein moralisches Würstchen ? Da hat man diese Woche einen ehemaligen Politiker wegen Annahme von 2.500.000, 00 Euro Schmiergeld doch tatsächlich zu 2 Jahren auf Bewährung verurteilt und dann soll der Arme auch noch 25.000,00 Euro von seinen Zinserträgen als Strafe zahlen. Für mich ist dieses eine STRAFTAT. Allen gute 24 Stunden. Gruß Norbert

Rudi
16.12.2004, 13:55
Hallo Heide,
im Wesentlichen fühle ich mich durch deinen Eintrag nicht widersprochen.
Ich bin auch nicht blauäugig und meine die heile Welt ist bei Spielabhängingen Zuhause.
Mir ist schon bewußt, das es reine Beschaffungskriminalität gibt - und eine Verurteilung für Menschen die sich illegal Geld besorgt haben liegt mir fern.
Was mich stört ist das Bild was in der Öffentlichkeit gegeben wird. Es trifft eben nur auf eine Minderheit der Spielabhängingen zu.
WER, SO FRAGE ICH, WENN NICHT WIR SELBST, KLÄRT AUF, DAS EINIGES VERZERRT IN DIE ÖFFENTLICHKEIT GETRAGEN WIRD ?
Ich bin darin sehr empfindsam, wenn Dinge verallgemeinert werden uns alles über einen Kamm geschoren wird.
Ich fühle mich auch ein wenig verantwortlich dem Spielabhängingen gegenüber, der eben nicht kriminell wurde. Es sind nicht wenige. Es ist das absolute Gros unter den Spielabhängingen. Das behaupte ich, weil ich jahrelang mit Spielabhängingen und ihren Partnern zusammentreffe.
Mag sein, das andere Menschen andere Erfahrungen haben - die kann ich aber auf Grund eigens gemachter Erfahrungen nicht mittragen.
In der Öffentlichkeit wird mittlerweile Spielsucht mit Kriminalität gleichgesetzt, oder zumindest in einem Atemzug genannt. Da kann ich sehr gut verstehen, das so manch wirklich Spielabhängige sich aus der Öffentlichkeit zurücknimmt und versucht allein für sich was zu errreichen.
Mir selbst gibt diese Entwicklung sehr zu denken - vor diesem Hintergrund muß ich im Betracht ziehen, für mich selbst den falschen Weg gewählt zu haben .
Was trotz meiner bisherigen Abstinenz denkbar ist. Nur ich kann natürlich nicht meinen Weg zurückgehen - aber laut rufen, es ist nicht so, wie es immer dargestellt wird.
Es gibt eben auch die andere Seite - und diese andere Seite hinter dem Deckblatt füllt das Buch.
Lieben Gruß
Rudi

Karl
16.12.2004, 14:14
Hallo Rudi,
Danke erstmal, Du weisst schon wofür.

Ich konnte den Bericht gestren leider nicht sehen und weiss daher nicht, wie reißerisch er aufgemacht war. Meine Frau hat mir davon erzählt, aber fühlte sich offensichtlich nicht so angesprochen davon wie Du.
Ich habe bei meinen Besuchen in Gruppen leider auch die Erfahrung gemacht, dass ein Großteil der Spieler weiter gegangen ist als wir beide.

Ich war am Anfang auch ziemlich geschockt. Aber wenn Du diese MENSCHEN näher kennenlernst, merkst Du dass der Kern in der Regel nicht böse ist. Die verdammte Sucht hat sie dazu getrieben sich Spielkapital illegal zu beschaffen.

Vielleicht sinkt irgendwann bei einem Spieler die natürliche Hemmschwelle so weit, dass er selbst vor kriminellen Handlungen nicht zurückschreckt.Ich habe das mitlerweile akzeptiert und sehe nur noch den Menschen in meinem gegenüber
Ich gehe auf keinen Fall jetzt soweit, dass ich sage, nur weil ich nicht straffällig geworden bin ist meine Sucht weicher als bei den anderen und ich muß weniger für die Abstinenz tun.
Nach Studien ist ein Drittel der Spielabhängigen straffällig geworden.
Ein Viertel hat aber auch schon einen Selbstmordversuch hinter sich, was zeigt, wie ausweglos das für manche scheint.

Schöne Adventsstunden

Karl