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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : 1 Monat spielfrei - zur Sucht bekennen?



Thomas
16.01.2005, 18:54
Hallo liebe Forumbesucher

Nach einem Jahr Spielerkarriere bin ich nun seit einem Monat spielfrei und möchte einfach mal meinen Weg niederschreiben. Es ist "mein" Weg, und er beansprucht keine Allgemeingültigkeit. Da ich auch keine Selbsthilfegruppe aufgesucht habe, mögen einige von Euch bezweifeln, ob er in der Konsequenz der richtige Weg ist, aber andererseits ist das Forum ja auch eine gewisse Selbsthilfegruppe ...

1. Ablenkung - was tun gegen die Leere?
Um dem Spieldruck zu begegnen, gerade in der ersten Zeit, habe ich mich häufig im Forum aufgehalten, Beiträge gelesen und geschrieben. War gelegentlich auch im Chat. Das hat mir sehr geholfen, und mich in der Entscheidung, dass sich etwas ändern muss, ungemein bestärkt. Ich habe im letzten Monat wieder mit meiner Partnerin unsere Doppelkopf-Runde bei Freunden besucht und auch mit dem Schach wieder angefangen, das ich in Schul- und Studienzeiten erfolgreich betrieben habe. In den ersten spielfreien Tagen habe ich sogar ziemlich exzessiv Schach im Internet – in einem (kosten)freien Forum – gespielt und die Sucht gewissermaßen verlagert. Das legte sich aber nach ein paar Tagen. Den Elan zum Sport habe ich zwar noch nicht wieder aufgebracht, aber mens sana in corporis sano (ein gesunder Geist in einem gesunden Körper), da ist schon was dran ...
Die Gedanken ans Spielen tauchen hin und wieder auf, selten, aber dann auch machtvoll. Der Gedanke hat mir geholfen: ich spiele nicht (mehr) um Geld und mit Geld. Spielen und Sport gehören für mich zum Menschsein und sind ein Grundrecht, das mit anderen Menschen gemeinsam ausgeübt werden sollte.

2. Abschreibung – was tun gegen die Probleme?
Das Geld ist weg, unwiderruflich, es lässt sich nicht mehr ändern. Die Probleme sind natürlich noch da und liegen jetzt, jenseits des Nebels des Spiels, offen zutage. Die sind insbesondere finanzieller Natur, nicht allein bedingt durch das Spiel. Klar ist, dass sie durch das Spielen nur verdrängt, nicht behoben werden. Aber ich kann natürlich etwas tun. Konkret habe ich mich mit meiner Firma wieder stärker um Aufträge bemüht, mit ersten Erfolgen. Geholfen hat mir, die Kontrolle wieder über die Finanzen zu erlangen. Ich habe ein Tagebuch geführt und die einzelnen Einnahmen/Ausgaben penibel notiert, ebenso einen Arbeitsplan. Mein Verhältnis zum Geld hat langsam wieder an Konturen gewonnen. 100 EUR, die man in wenigen Minuten verzockt hat, dienen nun als Lebensmittel von 1 bis 2 Wochen. Mir hat das Konzept des "Zweiten Beobachters" geholfen, also des Beobachters, der sich und sein eigenes Handeln selbst beobachtet. Meine Mess-Schnur war, dass ich mit nach Durchsicht meiner Notizen zu meinen eigenen Handlungen/Ausgaben stehen konnte und mit mir zufrieden sein konnte. Als ich noch spielte, war das häufig nicht der Fall.

3. Was mich bewegt
Das ist mein gegenwärtiger Stand. Ich frage mich, in welchem Maße ich mich zu meiner Spielsucht bekennen soll. Das ist für mich ein heikler Punkt. Ich kann schwer zu meinen Kunden sagen, Leute: ich bin/war spielsüchtig, das wäre – glaube ich – kontraproduktiv und würde das Vertrauensverhältnis beschädigen. ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, wie ich das z.B. meinem Steuerberater kommunizieren soll, dass ich EC-Abbuchungen vom Firmenkonto zwecks Spielen getätigt habe. Meine Partnerin wusste zwar, dass ich gelegentlich spiele, das Ausmaß der Verluste ist ihr aber sicher nicht so deutlich, auch wenn ich kein Geld von ihr verspielt habe, beschäftigt mich das. Ich frage mich, wieweit ich da mit offenen Karten spielen soll? Vielleicht wisst Ihr Rat?

Eine spielfreie Zukunft wünscht

Thomas

Rudi
16.01.2005, 19:48
Hallo Thomas,
du gehst einen Weg in die Spielfreiheit, den ich doch als zumindest gut bezeichnen will. Was mich dazu bewegt ist deine Selbstkontrolle - die Notizen - das aufarbeiten deiner Handlung. Ich bin mir sehr sicher, das es dir sehr helfen wird.
Inwieweit wir uns mit unserer Spielsucht outen ist natürlich inviduell. Auf Grund meines beruflichen Standes konnte und wollte ich mich auch nicht überall als Spieler outen.
Allerdings halte ich das sich mal richtig freireden - ohne wenn und aber - für sehr wichtig. Es hilft ungemein, seine eigene Ehrlichkeit zurück zu erlangen.
Zumindest einen Menschen deines Vertrauens - am besten deiner Partnerin - würde ich mit bedingungsloser Ehrlichkeit alles berichten. Es wird dich ungemein befreien - und wird im nachhinein erkennbar einer deiner wichtigsten Schritte in die Abstinenz sein.
Es beweist auf der anderen Seite aber auch deiner Partnerin, das du ehrlich bist - was letzten Endes zur Vertrauensstärkung hilft. Und machen wir uns nichts vor - meißtens wissen oder ahnen unsere Partner ohnehin schon mehr als wir glauben.
Ich gratuliere zu 4 Wochen Spielfreiheit. Und wünsche dir sehr, das noch endlos viele Wochen folgen.
Lieben Gruß
Rudi

Karin41
16.01.2005, 22:28
Herzlichen Glückwunsch Thomas zu 4 Wochen ohne zu spielen. Ich weiß selbst wie schwer das ist.Habe jetzt eine Woche durchgehalten.Auch ich möchte mein Spielproblem nicht meiner Familie anvertrauen.Habe Angst andere zu enttäuschen.Möchte es aus eigener Kraft schaffen.Die Beiträge hier helfen mir sehr, bin froh diese Seite gefunden zu haben.
Ich werde mir auch ein Heft anlegen über meine Ein-und Ausgaben.Die Idee ist gut.Habe sehr viel Schulden und kein Geld mehr auf dem Konto, alles verspielt.
Halte weiter durch Thomas, wir sind auf dem richtigen Weg.
Gruss Karin

Manu
01.03.2005, 14:21
Hallo Thomas,
Ich habe gerade deinen Beitrag gelesen und glaube das du ein super Konzept eintwickelt hast.
Ich selsbt bin nicht Spielsüchtig aber mein Freund, du kennst ihn, Dirk der hier auch chattet. Ich würde mir wünschen das er es auch hin bekommt so einen "Plan" zu erstellen damit er es schafft. Hat du ohne Fachmännische Hilfe aufeghört? Das ist, dass was mich noch beschäftigt. ist es möglich ohne Therapie aufzuhören? Alleine und mit eigener Willensstärke?

Liebe Grüße
Deine Manu

Thomas
01.03.2005, 23:16
Liebe Manu,

es freut mich, dass Dirk (grüss ihn herzlich von mir) mit Dir geredet hat und dass Du weiterhin zu ihm hältst. Damit ist doch ein riesiger Schritt auf dem Weg in die Spielfreiheit getan. Um auf Deine Frage zu antworten, so habe ich bislang noch keine therapeutische Hilfe in Anspruch genommen. Ich werde Dir später noch einmal ausführlicher antworten, muss leider morgen sehr früh raus und kann nur kurz schreiben.

Beste Grüße

Thomas

manu
02.03.2005, 19:36
Hallo Thomas
Ja ich bin auch froh, irgendwie wusste ich das es noch was gibt das er mir noch nicht erzählt hat. Deshalb bin auch froh das es raus ist, wobei die Zeit nicht einfach wird. Aber deswegen lass ich ihn nicht im Stich, werde ihn unterstützen wo es geht.
Schon mal danke im voraus und bis bald

Liebe Grüße Manu