PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wann wurde ich Spieler - ist Hilfe für Spielabhängige möglich ?



Rudi
19.01.2005, 09:58
Hallo,
immer wieder wird gefragt, welche Hilfe kann ich als Angehörige(r) meinen spielsüchtigen Partner geben.
Dazu möchte ich aus meiner eigenen Erfahrung als Spieler erzählen.
Ich kann mich nicht erinnern, wann bei mir der Übergang kam vom "normalen" Spiel zur Abhängigkeit. Fragen muß ich mich auch, ob ich überhaupt in der Lage war, irgendwann normal zu spielen. Denn schon als Kind war es so, das ich immer gewinnen wollte - bei jeden Spiel. Mit 3 Geschwistern war es aber auch mal so, das man mal verlor - meine Reaktion, Jähzorn und Wutausbrüche. So schlimm, das man mit mir nicht mehr unbedingt spielen wollte. Meinen Spieldrang verschob ich dann später in Einzelspielen - an Flippern - und dann war es nur ein ganz kleiner Schritt zu den Spielgeräten, denen ich mich dann auf Jahrzehnte nicht mehr entziehen konnte.
Immer wieder versuchte ich für mich weg von dem Spiel zu kommen. Es gelang mir auch zeitweise - aber nur so lange, bis ich mich finanziell so einigermaßen erholt hatte. Ständig war bei mir auch arbeiten angesagt, die in ihrer Form an Workaholic erinnerte. Welche Beweggründe dazu führten, lag auf der Hand. Zum einen verdiente ich mehr als andere in meinen Bereich - zum anderen hatte ich meinen Chef ja als Sicherheit, zu dem ich jederzeit wegen Kleinkredite - Arbeitnehmerdarlehen kommen konnte. War für mich eine Sicherheit weiter spielen zu können.
Geoutet als Spieler habe ich mich bei keinem - bis ich schließlich dann reinen Tisch machte.
Aber für mich wußte ich, es ist was nicht in Ordnung mit dir - zweifelte mitunter an meinen eigenen Verstand.
Vor 14 Jahren verstarb noch ziemlich jung meine erste Frau an Leukämie. Niemals hatte ich ihr gegenüber meine Sucht eingestanden - konnte auch gut ihre eigenen Probleme mit Alkohol vorschieben....
Lernte dann meine jetzige Partnerin kennen . Eine Liebe, wie ich sie niemals bis zu diesen Zeitpunkt erleben durfte. Ja, ich wollte anders sein - wollte ein neues Leben beginnen ohne Lügen und Verschweigen. Ich hatte die Schanze ganz neu anzufangen...
Fast drei Jahre hielt ich durch. Dann begann es erneut - das Lügen müßen, das verheimlichen - ja in gewisser Form kamm ich mich wie ein Betrüger vor.
Und so ganz langsam spürte ich, das meine große Liebe aus den Fingern glitt...
Sie spürte meine Sucht .. ich log... Sie suchte Beweise ... ich log..und die Liebe bröckelte.
Irgendwann kamen Beweise, denen ich nicht wiedersprechen konnte - versuchte es zwar - aber die Kredite, die ich heimlich aufgenommen hatte, standen schwarz auf weiß -
Und dennoch versuchte ich zu leugnen.
Auf Druck von ihr kam mein Zusammenbruch - das ganze Lügengerüst brach in sich zusammen. Ich fing mit meiner Frau an zu erzählen - lange, ausführlich - und über alles.
Ich war wie befreit - und merkte ihr an, das ich meine Last nun auf ihren Schultern gelegt hatte.
Das war ein schlimmes Gefühl für mich - trotzdem war da auf einmal was ganz vertrauliches und gemeinsames.
Meine Partnerin stellte ultimative Forderungen - such dir eine Selbsthilfegruppe etc. wenn du noch mal spielst - gehe ich. Ich suchte mir meine Gruppe - ich wollte weg vom Spiel - wollte auch nicht diese Liebe verlieren.
Das war vor ca. 6 Jahren . 1 Rückfall passierte noch.
Nun bin ich seit über 4 Jahren ohne Rückfall. Wir sind zusammen geblieben - haben uns neu gefunden. Das Vertrauen ist fast wie in unserer Anfangsphase - und ich bleibe trocken. Dieses positive Leben möchte ich nicht mehr gegen mein altes tauschen.
Aus meiner Sucht muß ich selbst gehen - doch sie gab mir den Antrieb zu gehen. Das war ihre Hilfe - und mehr Hilfe geht nicht, den Rest müßen wir alleine tun...
Lieben Gruß an allen
Rudi

Moni
19.01.2005, 23:53
Lieber Rudi ,

schön, daß Du hier immer so offen und ehrlich berichtest. Das ist bewundernswert und gibt sicher vielen Mut.
Sag mal, wie hat denn Deine Partnerin / Familie reagiert, als Du reinen Tisch gemacht hast ? Ich kann mir gut vorstellen, daß das nicht einfach war.

Ich denke da wieder mal an meine Freundin, die den Weg aus der Spielhölle leider immer noch nicht schafft und die ebenso ständig ihre Familie belügt und hintergeht . Daß das nicht richtig ist, weiß sie ja selber. Nur hat sie eben wahnsinnige Angst vor dem Outing . Böse unterstellt sage ich jezt mal, dann würde ja auch einer Ihrer Geldquellen versiegen.
Oh Mann, frag mich nicht, wieviele Disskussionen wir schon hatten .
Ich kann Ihr nur den Anstoß geben....den letzten Schritt muß sie aber selbst tun !

Wie sind Deine Erfahrungen da ???

Grüßli von Moni

Rudi
21.01.2005, 08:28
Liebe Moni,
es ist schön, mal wieder von dir zu hören.
Auch freue ich mich für dich, weil du augenscheinlich mit dir selbst keine Probleme zu haben scheinst.
Ja, das outen in der Familie...
Es ist wohl für mich der entscheidene Schritt in die Spielfreiheit gewesen. Natürlich kann ich im einzelnen nicht nachempfinden, was in den Köpfen meiner Lieben vorgegangen ist - ich kann da nur aus meine persönlichen Emfindungen berichten.
Es war ja so, das ich auf Grund einer Beweislage mein Lügennetz nicht aufrecht erhalten konnte. Was war also los mit mir? Das waren wohl die Gedanken, die bei meiner Partnerin vorherrschten...
Gewiß haben wir unsere Beziehung zu diesem Zeitpunkt auf dem Prüfstand gestellt. Sie und ich auch.
Bei ihr wohl die Frage ist eine Zukunft mit einen Spielabhängingen überhaupt realisierbar ?
Bei mir die Frage, will ich mein Verhalten ändern oder meine "Spielerkarriere" allein fortsetzen. Denn die Gedanken, ich nehme mir eine eigene Wohnung und kann Leben wie ich immer lebte - ohne jemand Rechenschaft zu geben - waren wohl auch finanziell realisierbar.Also auch ich als Spieler prüfte sehr, ob die Beziehung noch Bestand haben kann. Gewiß aus anderen Motiven als bei meiner Partnerin.
Denn es wäre ja so schön bequem..
Das es anders kam, zeigt die Vergangenheit der letzten Jahre.
Nachdem wir "Butter bei die Fische" gegeben hatten, ging ein Ruck durch mich - vermutlich auch durch meine Partnerin - unter dem Motto, komm wir packen das, es gab schon schlimmeres im Leben, was wir auch meisterten, motivierten wir uns.
Das meine bereits großen Kinder eingeweiht wurden versteht sich. Die fielen allerdings ein Stück aus den Wolken...
Denn sie hatten nie etwas von meiner Sucht bemerkt .
Ich muß auch sagen, das unser Leben finanziell ganz normal lief - also keine größeren Probleme. Das lag zum einen daran, weil ich niemals Geld nehmen würde, was nicht meins ist´, auch das meiner Partnerin nicht .. und das ich mein Zocken durch Mehrarbeit, auch mal Schwarzarbeit, und heimlichen Krediten finanzierte. Die ich wiederum auch selbst beglich. So konnte ich sehr lange mein Lügennetz erhalten...aber letzten Endes doch nicht so, das meine Partnerin es nicht bemerkte.
Meine Kinder (drei) standen voll zu mir. Meine Töchter belasen sich im Punkto Spielsucht - und immer wieder hörte ich, Vati, du schaffst das.Wie sollte ich es nicht schaffen ? Hatte gar keine Wahl mehr, es nicht zu schaffen- wollte doch nicht meine Partnerin und die Kinder meine Schwäche vorleben. Meine Frau begleitete mich auf meinen ausdrücklichen Wunsch in die Spielergruppe - in der ich dann noch einen Rückfall hatte.
Danach gründete ich mit Hilfe des Kreuzbundes ( Caritas ) eine eigene Selbsthilfegruppe für Spieler und Angehörige, die heute 24 Mitglieder zählt.
Also Resümee... Ich fühlte mich durch das öffnen gegenüber meiner Familie und ihren Erwartungen mir gegenüber, in die Pflicht genommen, für mich entscheidentes zu tun.
Meine Familie stand wie ein Mann hinter mir - und das tat unglaublich gut - und gab viel Kraft. Die Eröffnung der eigenen Unzulänglichkeit - das mittragen des gesamten Ballastes, der sich angehäuft hat, durch den Partner - das sind Gefühle die man nicht wiedergeben kann - und die vielleicht als Ausgleich für die Suchtkrankheit zu sehen sind - denn diese Gefühle kann ein nicht Suchtkranker wohl nicht erleben.Es tat so unglaublich gut sich zu öffnen...
ich kann es nur weiterempfehlen, auch deiner Freundin, die ich hiermit Stärke und Kraft wünsche, sich aus ihrer Sucht zu befreien.
Lieben Gruß
Rudi