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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wieder kurz vorm Spielen ...



Thomas
14.05.2005, 11:42
Will mich nach einiger Zeit mal wieder mit einem Beitrag melden, und würde gerne Euren Rat hören. Vielleicht kennen einige die Situation aus eigener Erfahrung. Ich bin nach einer vergleichsweise kurzen "Spielerkarriere" von 2 Jahren seit nun 5 Monaten spielfrei und insgesamt geht es mir gut damit. Heute allerdings habe/hatte ich ein großes Bedürfnis zum Spielen, der Verstand sagte, Du bist bescheuert, Thomas, und so bin ich anstelle zur Spielhalle lieber an den PC gegangen und schreibe jetzt diesen Beitrag. Wie gesagt, der Impuls ist selten, aber ich frage mich, was wohl passiert wäre, wenn ich dem Drang nachgegeben hätte. Wer von Euch hat ähnliche Erfahrung? Was kann man tun, damit man nicht wieder in ein altes Verhalten verfällt, von der Scham und der Enttäuschung über das eigene Versagen mal ganz abgesehen ...

So, jetzt gehts mir auch in der Tat besser. Würde mich über Antworten freuen

Alles Gute und eine spielfreie Zeit
Thomas

Rudi
15.05.2005, 12:31
Hallo Thomas,
du sprichst von der Gefahr eines Rückfalls, die du Gott sei Dank diesmal für dich abwenden konntest.
Eine Gefahr, die wir als Spielabhängige alle unterliegen - und von Zeit zur Zeit kommt ein enormer Spieldruck hervor.
Dieser Spieldruck ist insbesondere in der Anfangsphase des "Nichtspielens" besonders groß.
Bei so manchen Spieler muß dieser Kampf auch des öfteren an einem Tag durchstanden werden. Daher auch erklärlich, warum bei sehr vielen Spielern der eigene Wille nicht ausreicht. In einer solchen Häufigkeit des wiederkehrenden Spieldrucks, ist der nächste Rückfall wohl vorprogrammiert - irgendwann unterliegt man diesen so häufig kommenden Spieldruck.
Einen solchen Spieldruck hattest du nun nach 5 Monaten der Abstinenz selbst erlebt.
Ich persönlich hatte diesen Druck in meiner Anfangsphase des trocken seins ungefähr 3 bis 4mal wöchentlich, andere wie gesagt auch noch häufiger.
Was mir persönlich weiterhalf, waren Gespräche mit meiner Partnerin. Nach diesen Gesprächen fühlte ich mich immer sehr befreit. Diese Gespräche waren von Offenheit und Ehrlichkeit geprägt. Ich denke, sonst hilft das Gespräch auch nicht wirklich.
Mit der gleichen Offenheit versuchte ich auch in der Selbsthilfgruppe zu reden. Zugegeben, das fiel am Anfang etwas schwer. Aber im Laufe der Zeit haben die Gespräche und Themen in der Gruppe einen Stellenwert, den ich nicht mehr missen möchte. Desgleichen ist die Belastung für meine Partnerin durch den Besuch in der Gruppe wesentlich kleiner geworden. Meine Partnerin begleitet mich häufig - so konnte sie für sich herausfinden, was es mit der Spielsucht auf sich hat und ihr eigenes Verhalten vergleichen. Letztlich half uns diese Offenheit auch zu einer harmonischen Beziehung zurück.
Natürlich ist der Partner oder die Gruppe nicht immer greifbar. Jedoch führe ich eine Telefonliste mit mir,von Personen, die ich jederzeit anrufen kann. Menschen aus meiner Gruppe, die im Falle eines Anrufs genau erkennen, wie ernst die Situation ist. Das beruht natürlich auf Gegenseitigkeit.
Das hilft sehr über diese Spieldruckphasen hinweg.
Ablenkung, wie du mit deinen PC und dem schreiben ist auch eine Möglichkeit. Überhaupt Ablenkung mit Dingen, die man selbst gerne macht. Ich z.B. bin anfänglich auch losgegangen und habe in CD Regalen gestöbert, ob ich nicht was passend für meine Sammlung finde. Also grundsätzlich - wenn auch zunächst zwanghaft- mit etwas beschäftigen, was mir selbst eigentlich sonst Freude macht.Das war bisher mein Weg, Spieldrucksituationen zu überstehen, die mittlerweile nur noch sehr selten sind.
Allerdings ist mir bewußt, das zu jeder Tages - oder Nachtzeit diese Spieldruckphasen wiederkommen können.
Deswegen muß ich gewappnet bleiben - und meine Spielfreiheit als eine wohl zu behütende Kostbarkeit sichern.
Das heißt auch weiter die Gruppe aufsuchen - weiter mit Offenheit über Probleme reden - und sich nie zu sicher sein.
Ich wünsche für mich, das ich darin nie zu oberflächlich werde - und für dich, das du dir überlegst, was mache ich als erste Hilfe für mich, wenn der Spieldruck kommt.
Bin gespannt, wie deine Überlegungen enden.
Wünsche dir weiter Spielfreiheit
Lieben Gruß
Rudi

Thomas
16.05.2005, 12:56
Lieber Rudi,

vielen Dank für Deine ausführliche Antwort, es geht mir in der Tat gestern und heute viel besser und ich bin sehr froh, nicht nachgegeben zu haben. Ich will es noch ein wenig genauer fassen, vielleicht findet sich ja auch der eine oder andere in meiner Beschreibung wieder. Genaugenommen war es noch nicht einmal wirklich ein Druck, den ich verspürt habe, kein Kribbeln, Nervosität oder dergleichen, eher so etwas, wo eine leise (diabolische) Stimme mir zuflüsterte "warum nicht mal 20 EURO riskieren, ist doch nichts dabei, so schlimm läufts doch zur Zeit gar nicht, du hast das doch alles im Griff und kannst ja auch aufhören, wenn es Dir passt. Und außerdem gibts noch einen schönen Café macchiato dazu". Und weil das menschliche Gehirn nicht die in der Vergangenheit erlebten Schmerzen neu "fühlen" kann, wird die Frage "Spielen oder nicht" auf Grundlage eines - kurioserweise teilweise auch rationalen - Austauschs des Für und Wider verhandelt.

Ungeachtet Deiner richtigen und guten Ratschläge würde ich gerne die Meinung derer hören, die tatsächlich dem Druck nachgegeben haben. Das schwerste scheint mir - so stelle ich mir das zumindest vor - in solchen Situationen die Scham über das eigene Versagen zu sein, die dann vermutlich einen Mechanismus des "jetzt ist es auch egal" in Gang setzt. Damit wirft man aber all die Dinge über Bord, die man sich über die Monate, Jahre aufgebaut hat, aber das muss nicht zwangsläufig so sein!

Allen einen schönen Pfingstmontag und eine weiterhin spielfreie Zeit

Thomas