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beppigs
28.10.2005, 09:21
Hallo alle zusammen und speziell Merowinger,

ich wollte den Eintrag von Paul "Angehörige" nicht weiter stören ;-) deshalb ein neues Thema und die Fortsetzung und die Antwort an Merowinger. Der 1. Teil ist nachzulesen in o.g. Beitrag.

Hallo Merowinger,

ja er geht noch zu einer SHG. Ich gehe alle 2-3 Wochen mit dorthin. Er hat sich wohl auch um einen Termin bei einem Psychologen zwecks Fortsetzung (Nachsorge) informiert, aber die Wartezeiten sind natürlich extrem hoch.

Er hat sich während seiner Therapie nicht bewegen lassen schon Termine ausmachen zu lassen. Hielt es nicht für nötig und wurde jetzt eines besseren belehrt. So ist (war) es leider immer. Wenn man versuchte ihm mitzuteilen das er sich besser gleich um etwas kümmern sollte anstatt es zu verschieben, verschob er es erst recht.
Leider ist es zum Teil auch heute noch so. Aber er läßt sich mittlerweile leichter bewegen.
Er ist halt leider absolut nicht kritikfähig. Er fühlt sich immer angegriffen sobald ihn einer auf evtl. Fehler oder etwas von ihm Vergessenes hinweist. Ging Dir das auch so ?

Also da merke ich eine Veränderung. Leider noch nicht so deutlich wie ich es mir gewünscht hätte.

Grad gestern sagte ich noch, das ich nicht permanent alles für ihn mitdenken kann. Wenn er Termine hat, dann kann ich nicht jedesmal 5 min. vorher dran erinnern oder wenn ich einmal sage bringe bitte den Müll raus und er tut es nicht bei Zeiten, dann weiß ich ich muß es min. 3-4 mal sagen, weil er es innerhalb von 10 min. wieder vergessen hat. Oder hat er nur keine Lust und wartet drauf das ich es mache ?
Ich bin es aber leid immer für 2 Leute zu denken (ich muß es ja für 4 da ich noch zwei kleine Kinder habe).
Mein Kopf ist voll den ganzen Tag.
Ja, jetzt kann man natürlich sagen laß ihn doch. Irgendwann würde er den Müll dann sicherlich rausbringen. Ja das stimmt wahrscheinlich auch. Aber bis dahin würde er sich entweder türmen oder ich hätte es dann doch vorher bereits erledigt.

Darum geht es ja im großen und ganzen auch nicht. Das sind wirklich Kleinigkeiten. Nur die Art und Weise mit der er halt Dinge vernachlässigt und mir dann unterschiebt ich hätte ihn ja erinnern können (wenn es sein muß 3-4 mal da ich ja weiß er vergisst es), die ärgert mich total.

Kann man wirklich so unselbständig und bequem sein ?

Gestern abend hatten wir ein großes Gespräch. Weil ich die Fragen, die ich gestern in meinem Beitrag gestellt habe auch mit ihm klären wollte.
Er schien mir wieder sehr einsichtig und will sich anstrengen. Aber das schlimme ist ja, das er sich die Dinge an die er denken soll nicht aufschreibt (denn wenn er es sich nicht sofort aufschreibt, dann vergißt er es).

Also dieses Verhalten führt mich echt zur Verzweiflung.
Während seiner Therapie hat er gelesen, Tischtennis gespielt und viel "gewerkelt". Er wollte das alles auf zu Hause übertragen. Nun passiert aber davon gar nichts.

Feierabend, essen, noch ein bischen rum bis die Kinder im Bett sind, Couch, schlafen !
OK er hat einen neuen Job angefangen und ist abends auch geschafft davon. Aber ich habe einfach das Gefühl er läßt sich wieder ein wenig mehr hängen.

Macht auch sonst kaum was in Richtung Nachverarbeitung des Spielerlebens oder Therapie, obwohl ich ihm immer wieder von diesem Forum hier erzähle und ihn bitte sich hier zumindest im Stillen zu beteiligen. Er muß ja nichts schreiben wenn er nicht will. Oder ihn ermuntere in einen Sportverein zu gehen, etc.

Na vielleicht hab ich ihn gestern wieder ein wenig wachgerüttelt. Hab ich versprochen "Post it*s" mitzubringen. Damit er sich die Türrahmen mit "Erinnerungen" vollkleben kann. Hoffentlich "vergißt" er sie nicht zu lesen.

:-)



So nun die Frage in die Runde. Wie motiviert man einen Menschen, der sehr schwer zu motivieren ist ?
Was habt ihr (Spieler allein oder Spieler innerhalb der Familie) Neues mit Eurer Freizeit gemacht ?
Ihr lauft ja sicherlich nicht alle auf "Wolke 7" rum sondern habt auch Durchhänger ? Wie zieht ihr Euch da wieder raus ohne wieder im Teufelskreis zu enden ?


Gruß Stefanie

@Eva43 ! Würde Dich gern mal wieder im Chat treffen oder mail mir mal? In Germersheim nun jemanden erreicht ? Gruß

Harry
28.10.2005, 10:16
Mein Tip erklär deinem Partner was du fühlst und was dich stört. Nicht was er macht, das erzeugt nur Gegenwehr, zumindest ist das bei mir so.

Liebe Grüße
Harry

Heide
28.10.2005, 10:35
Liebe Steffi,

es ist nicht deine Aufgabe, ihn zu motivieren, irgendetwas zu tun.
Das wird nur zum Gegenteil führen, nämlich zu weiter erhöhter Verweigerungshaltung und zunehmender Passivität. Dadurch, dass du für ihn mitdenkst, mithandelst, mitplanst...usw., machst du ihn immer mehr abhängig von dir, nährst sein (bei Süchtigen sowieso) vorhandenes Bedürfnis, Verantwortung für sich selbst lieber an andere abzugeben. Wenn du so weitermachst, wird sich die Situation weiter verschlimmern.
Klingt hart und ist es auch.
Lies doch mal meine Beiträge, in denen ich über das Leben mit meinem süchtigen Mann schreibe. Du wirst vieles wiedererkennen.
Als ich hier zum ersten Mal schrieb, bekam ich auch den immer gleichen Tip: kümmer dich um dich, nicht um ihn.
Leb dein eigenes Leben, sieh zu dass du zufrieden bist mit dir selbst, grenz dich ihm gegenüber ab....etc.

Auch mir erschien vieles davon nicht machbar, gerade wenn man zusammen lebt und zusammen wirtschaftet.
Wie soll man sich da abgrenzen?
Irgendwann hab ich es dann gepackt. Meine Finanzen von seinen abgetrennt, ihm alle Bankvollmachten genommen, seine Aufgaben nicht mehr für ihn wahrgenommen, meine Freizeit mehr mit anderen Menschen verbracht, meinen Kopf mit anderen Dingen gefüllt als seinen Problemen usw.
Das hat MIR geholfen, damit ich nicht SEIN Leben lebe.

Und genau das rate ich dir auch.
Denn es ist tatsächlich der einzige Weg, der Coabhängigkeit zu entkommen oder sie wenigstens zu mildern und gleichzeitig ihn in eine Situation zu bringen, in der ER etwas tun MUSS,sich nicht mehr auf deine ständige Unterstützung verlassen kann und endlich selbst aktiv werden muss.
Mehr kannst und solltest du nicht tun.

Denn sonst gehst du den gleichen irrsinnig schweren Weg wie die meisten Angehörigen hier im Forum und anderswo, die bei dem chancenlosen Versuch, zu helfen, sich selbst vergessen, darüber krank werden und doch keine Chance haben, ihre süchtigen Partner zur Therapie zu bewegen.
Denn helfen kann sich der Süchtige ausschließlich (!) allein.
Versuche unbedingt, dich abzugrenzen, lass ihn selbst tun und verhindere, dass er dein Leben bestimmt.
Ich drück dir die Daumen!
Heide

Harry
28.10.2005, 10:36
ich habe mich gerade sehr lang mit Heidi über Sucht unterhalten. Ich kann irgendwie nicht verstehen, dass Heidi nicht süchtig wird, ich aber bei allem sofort süchtig werde. Wie ist das eigentlich bei dir Stefanie. Hast du schon mal gespielt? Heidi spielt sehr gern nur wird sie nicht süchtig. Das ist vielleicht auch unser grossen Problem, ich habe schon so oft mit dem letzten Einsatz alles wieder zurückgewonnen. Heidi hat ja selber die Hoffnung wenn ich gezockt hab, mit dem nächsten Satz kommt alles wieder zurück, deswegen macht sie sich dann wohl Vorwürfe wenn sie mich weiterspielen lässt. Sie hat mir gerade erzählt sie war manchmal sehr wütend.
Schreib mir doch mal wie das bei dir war Stefanie. Warst du enttäuscht, wütend, verletzt, und wenn ja auf wen auf deinen Partner oder auf dich selbst weil du nicht vorher Einhalt geboten hast?
Bitte bitte nicht falsch verstehen, ich versuch nur zu verstehen was in einem Angehörigen vorgeht.

Liebe Grüße
Harry

beppigs
28.10.2005, 11:29
Hallo Harry,

ich kann auch spielen ohne süchtig zu werden. Das hatte ich schon in der anderen Antwort über "eigenes Geld" geschrieben.
Ich rauche auch nur dann wenn ich Lust drauf hab.

Warum manche das können und manche nicht ? Ich weiß nicht.

"Meine Geschichte" hab ich unter dem Beitrag von Heide "Mißtrauen ist mein Mann rückfällig geworden"

Und ja war ich wütend, verletzt und sauer damals. Heute bin ich über das Geschehene nicht mehr wütend. Nur muß ich lernen wieder Vertrauen zu fassen.

@Heide
Er hat bereits die Therapie hinter sich.
Und mir geht es nur darum ihn zu motivieren etwas für sich selbst zu tun und das gelernte umzusetzen.

Abgrenzen kann ich mich von SEINEM Problem schon ganz gut.Was seine Schulden sind und so weiter ist alles in geregelten Bahnen. Aber den Alltag (und die Problemchen die er mit sich bringt) verbringen wir gemeinsam. Da will ich mich nicht von abgrenzen. Sonst könnte ja jeder allein leben.

Wir haben ja auch drüber geredet gestern und er hat es glaub ich auch verstanden und will ja auch selber was ändern.

Deshalb war ja meine allgemeine Frage eigentlich an die Spieler: Wie schafft ihr es Euch zu motivieren, wenn ihr einen Durchhänger habt ?

Der Merowinger
28.10.2005, 14:38
Hallo Liebe Stefanie,

ja das ist so ein Thema mit der Motivation. Wie Du in meinen vorherigen Postings gelesen hast, habe ich damit selber erhebliche Probleme. Nicht, daß ich mich gar nicht motivieren kann, aber immer wieder diese Durchhänger...

Von daher steht es mir nicht gut zu Gesicht den großen Motivationstrainer zu geben. Ich kann Dir aber sagen, wie ich es schaffe mich zwischen den Depri-Phasen aufzumöbeln. Durch Ziele! Ziele im privaten Bereich, sowie berufliche Ziele! Ich denke, daß ist so ziemlich der größte Motor für die Aktivierung eines Menschen. Nach (oder während)so einer schlimmen Phase des Lebens sollten die Ziele jedoch nicht zu überspitzt gesetzt werden. Was ich mich als jetzt trockener Spieler jeden Tag frage ist: Wofür? Wofür trocken werden und bleiben? Wofür arbeiten gehen? Warum nicht einfach wieder seiner Sucht nachgeben? Das WOFÜR ist es was es zu beantworten gilt! Wenn man unterwegs ist, muss man doch wissen wo man hin will!

Ich habe mich damit intensiv auseinander gesetzt. Meine beruflichen Ziele habe ich sogar nach unten korrigiert, will diese jetzt aber systematisch angehen. Was die Phasen der Antriebslosigkeit angeht, ist mir eben aufgefallen, daß diese eigentlich immer durch Hiobsbotschaften finanzieller Art zu Stande kamen. Es machte sich immer Hoffnungslosigkeit breit.

Was meine privaten Ziele angeht, habe ich mich auch darüber viel mit meiner Freundin unterhalten. Wichtig ist, daß wir absolut in die gleiche Richtung wollen. Ist das bei Euch auch so? Frage ihn mal, wie er sich sein und Euer Leben in fünf Jahren vorstellt! Wovon träumst Du, wovon träumt er?

Ich kann die Meinung von Heide Deine spezielle Situation betreffend nicht wirklich verstehen. Ihr seid doch über den Punkt hinweg, daß Dein Freund keine Einsicht gezeigt hat, daß er ein Spielproblem hat. Er hat eine Therapie gemacht, und ist seit dem, wie ich mit Dir hoffe, trocken! Somit hat er doch schon einen riesen Schritt gemacht! Bei jemandem, der einen Schritt vor dem Abgrund und trotz mehreren Hilfeversuchen seines Partners immer noch nicht erkennt, daß er etwas ändern muss, bin ich der erste der sagt: Geh, besser heute als morgen! Du kannst ihm nicht helfen! Das sehe ich aber bei Euch nicht, soweit ich mir darüber ein Urteil erlauben darf! Er hat nur noch Probleme mit seinem neuen Leben richtig umzugehen. Und ich kann Dir sagen, daß ist auch höllisch schwer! Man hadert mit der Vergangenheit, macht sich Vorwürfe! Bei mir ist es so als ob mir jemand vor drei Monaten das erste Mal in meinem Leben einen Spiegel vors Gesicht gehalten hätte. Mir hat es nicht gefallen, was ich da gesehen habe, und das tut es immer noch nicht! Höchste Zeit was zu ändern und wieder Respekt vor sich selber zu bekommen!

Diese Antriebslosigkeit Deines Partners kenne ich nur zu gut! Wie gesagt, helfen mir vor allem meine privaten Ziele diese ab und an zu durchbrechen! Die Frage ist, wie müssen Ziele aussehen, damit es solche sind? Sie sollten konkret sein. Konkret in Inhalt und Zeitrahmen, und in kleine Zwischenziele unterteilt, damit der Weg nicht so lange scheint! Und das Allerwichtigste ist für mich das regelmäßige sich selbst belohnen und belohnt werden! Z.B. habe ich mich und meine Partnerin für die ersten beiden spielfreien Monate (Zwischenziel) mit eine wundervollen Tag in einem traumhaft schönen Wellnesspark und einem Essen in unserem Lieblingsrestaurant belohnt. Und auch das belohnt werden tut mir in meiner Seele unendlich gut! Vor drei Monaten war ich von meiner seinerzeit Ex-Freundin emotional so weit entfernt wie die Erde vom Mond, sie aber vor allem auch von mir. Gehe ich richtig in der Annahme, daß Ihr beiden Euch auch schon mal näher wart als jetzt? Für mich war es ganz wichtig, daß meine Partnerin die positiven Veränderungen in mir bemerkt, und das auch entsprechend "honoriert" hat. Dadurch sehe ich doch, daß ich das alles nicht umsonst mache! Voraussetzung hierfür ist natürlich, daß es abgesehen von der Spielsucht und deren Folgen in der Beziehung so richtig passt. Mit "honorieren" meine ich, mehr Nähe, mehr Interesse, mehr Zärtlichkeit, mehr Spaß!

Super wichtig ist natürlich keine gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Soll heißen, daß die Belohnung und das sich wieder Annähern von Deiner Seite nur kommen darf, wenn Du bei ihm ernsthafte Bemühungen siehst. Das Kunststück ist wohl eine Art sanften Druck auszuüben!

Also, wenn Dein Partner wirklich glaubhaft trocken ist (und das denke ich, wenn die finanziellen Dinge reibungslos laufen), setzt Euch Ziele, verbringt bewußt geplante schöne Tage miteinander und mit den Kindern! Vielleicht fehlt es ihm einfach an Perspektive. Aber die gibt es immer. Man muss nur die Wolken beiseite schieben!

TRÄUME JEDEN TAG 10 MINUTEN, UND SORGE DEN REST DES TAGES DAFÜR, DASS DEIN TRAUM WAHR WIRD!

Liebe Grüße

Der Merowinger

Harry
28.10.2005, 16:46
@Stefanie
vielleicht stört deinen Partner das Misstrauen, das ganz normal noch vorhanden ist. Wielange ist dein Partner jetzt eigentlich trocken? Ich habe viele Alkoholiker kennen gelernt die damit große Probleme hatte, dass ihre Partnerinnen Misstrauen an den Tag legten. Ich hatte damit von Anfang an kein Problem, ich hätte schon verstanden wenn Heidi misstrauisch gewesen wäre.Vielleicht kam bei Heidi deswegen auch nie ein großes Misstrauen auf.
Ich kann euch nur eines raten reden reden reden.

Liebe Grüße
Harry

beppigs
30.10.2005, 09:57
Hallo

Danke für Eure lieben Antworten. Es tat gut diese zu lesen.
Ich hoffe, wir werden es mit der Zeit gemeinsam lernen das neue Leben anzupacken und es motiviert angehen.

Ich freue mich Harry, das wir "normal" miteinander reden. Das gefällt mir wesentlich besser. :-)

Er spielt jetzt seit dem 14.05.2005 gar nicht mehr ! Also gut 5 1/2 Monate.

Ich werde Euch berichten, wie es die nächsten Wochen läuft.
Liebe Grüße und schönes Wochenende.

Liebe Grüße Stefanie

Harry
30.10.2005, 15:08
@Stefanie
ich hoffe auch das es so bleibt mir unserem Umgang miteinander. Wenn dein Partner 5 1/2 Monate clean ist ist das doch auf jeden Fall schön, also lass ihn das doch auch mal spüren. Misstrauen ist sicher immer angebracht bei einem Süchtigen nur nicht zu viel. Gib ihm so viel Vertrauen , dass es dir nicht schadet.

Liebe Grüße
Harry