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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Der Versuchung widerstanden



Andy
14.11.2005, 17:38
Hallo ihr lieben,
Ich bin 21 Jahre und spiele jetzt ungefähr seit sechs Jahren. Bis ich vor drei Monaten eine Selbsthilfegruppe und einen psychologen involviert habe. Gestern habe ich drei Monate geschafft.
Vorgestern, einen Tag vor dem ersten kleinen Erfolg(drei Monate), bin ich in eine Spielhalle gegangen. Ich wollte nicht spielen, ich wollte nur mal kurz ins Internet. Ich wechselte 5 Euro in Kleingeld, weil man in den Computer Geld werfen muss. Als ich dann fertig war, hatte ich jedoch noch zwei Zweier übrig. So ging ich an den Geldspielern mit dem Geld in der Hand vorbei und sah jedem einzeln in Die "Augen", und ich sah der "grinsenden Sonne" in die Augen. Aufeinmal kamen mir die Tränen. Ich dachte an die Selbstmordgedanken, an die ständige Ratlosigkeit, weil ich alles verspielte was ich hatte, mein ganzen Lohn am Anfang des Monats. Ich schlitzte mir die Arme auf zur Strafe. Meine gesamte Persönlichkeit litt darunter. Die Exzesse haben mich verändert, und jetzt stehe ich hier mit Geld in der Hand vor den "elektronischen Monstern", die nur darauf warten, dass ich wieder schwach werde. Als ich dann die die Bonuspfeile sah, die aktiviert waren, dachte ich wieder an meine Glanzzeiten, wie ich manchmal bis 2000€ gewann. Da sagte ich mir warum soll ich es nicht versuchen!? Vier Euro sind doch nicht schlimm! Oder? Als ich dann zum Tresen sah und ein Spieler nochmals 50€ Kleingeld wechselte, sah ich mich da stehen. Ich habe mich selbst beobachtet, und da kamen mir wieder die Tränen. Daraufhin sagte ich der "grinsenden Sonne", dass sie aufhören soll über mein Leben zu bestimmen, und dass ich sie besiegen werde. Danach ging ich zu dem mann und sagte einen Satz, den meine Gruppe und ich uns ausgedacht haben: MACH DAS SPIEL NICHT MIT! Ich öffnete mein Portmonee packte das Geld und habe die Spielhalle mit einem riesen Schub Motivation verlassen, denn ich möchte die letzten drei Monate nicht einfach wegschmeißen. Ich würde es nicht durchstehen..... Mein Kopf sagt mir, dass ich wieder bei Null anfangen würde, auch wenn ich nur 10cent verspiele. Darum bin ich stolz auf jeden Tag den ich im Kalender mit "SF" markieren kann, was soviel heisst wie: SPIELFREI. Ich wollt euch bloß damit sagen, dass es wichtig ist ein Ziel zu haben. Mein Ziel ist es, 1 Jahr zu schaffen. Denn ich schaffe es, weil ich an mich glaube und durch solche Ereignisse wie in der Halle wieder Kraft schöpfe.
Ich wünsche euch alles Gute.
Seid stark und MACHT DAS SPIEL NICHT MIT!!!
Über Reaktionen würde ich mich freuen.

Gute 24 Stunden.
Gruß
Andy

Daniel
14.11.2005, 18:02
Ich gratulieren Dir zu der richtigen Entscheidung in letzter Minute. So ähnlich ging es mir auch in meiner Anfangsphase der Spielfreiheit, ich habe mich trotzdem noch ab und an im Casino-Club im Internet eingewählt und einfach nur zugeschaut, ich habe dann einen über längere Zeit beobachtet und mir kam es vor als wäre ich es... bis sein Konto am Ende auf Null war. In solchen Momenten wird einem bewusst, wie schwachsinnig Glücksspiel doch ist.

Der Merowinger
14.11.2005, 18:22
Hallo Andy,

schön, daß du den Weg hier hin gefunden hast (wenn es denn das erste mal ist!?!). Herzlichen Glückwunsch zu den ersten 3 Monaten! Das ist ein super Anfang!

Die Situation in der Spielhalle, die Du hier beschreibst, kann ich nur zu gut nachempfinden. Auch ich bin, genau wie Du, gut 3 Monate spielfrei. Ich blicke auf eine Zockerkarriere der übelsten Art zurück. 12 Jahre lang habe auch ich jeden Monat tausende DM/Euros in die Spielhallen getragen. Etliche Male habe ich mit dem Gedanken gespielt allem ein Ende zu setzen. Etliche Male war ich verzweifelt, ohne Perspektive, völlig am Ende! Zurück geblieben ist ein Berg Schulden von ca. 60.000 €. Die finanzielle Situation ist so ernst, daß ich eventuell Insolvenz anmelden muss.

Am 3. August war mein letzter Exzess. Am 5. August habe ich dann speziell nach Hilfe gesucht, und Sie unter anderem hier gefunden. Seither geht es mir, was das Spielen angeht sehr, sehr gut! Hier im Forum habe ich viele Liebe Menschen gefunden, die verstehen können, wie es mir geht. Ich bin aufgemuntert, bekräftigt und auch kritisiert worden, und ich habe, was sehr wichtig für mich war, erfahren was ich meinen Angehörigen angetan habe.

Die, von Dir beschriebene Situation ähnelt sehr einer, die mir passiert ist. Ich hatte schon häufiger Gedanken im Kopf, in eine Zocke zu gehen, Geld zu wechseln und dann einfach wieder abzuhauen. Vor ca. 2 Monaten zog es mich dann in die Spielothek und diese Gedanken waren zunächst weg aus meinem Kopf. Ich sah, wie Du, nur die leuchtenden Dioden, die Bonuspfeile und Jackpots. Ich wechselte 20 Euro, und schaute mir zunächst für 1-2Minuten die Automaten an. Als ich in den ersten einen 2er werfen wollte, kam ich wieder zu mir und fragte mich was ich hier eigentlich mache. Dann wechselte ich das Geld zurück und ging. Schon beim Rausgehen hatte ich ein kaum zu beschreibendes Glücksgefühl. Das war mehr als ich in 12 Jahren zuvor je hatte.

Hier im Forum musste ich dafür jedoch einige Kritik einstecken, weil ich mich selbst so in Gefahr gebracht habe. Ich glaube, es ist nicht richtig rüber gekommen, daß ich zwar öfter die Gedanken hatte, es genau so zu machen, in dem Moment aber bis zum beinah Einwurf der ersten 2 Euro keine wirkliche Kontrolle über mich hatte. Sei es wie es ist. Mir hat das unendlich gut getan, genau wie Dir. An diesem Tag hatte ich in der Spielothek mehr gewonnen als in 12 Jahren zuvor. Es war ein kleines Stück Selbstachtung wieder bei mir angekommen.

Ich bin jedoch zu der Erkenntnis gekommen, daß man sein Glück nicht zu sehr auf die Probe stellen sollte! Und genau das würde ich Dir auch raten.

Das mit dem Kalender ist ne gute Idee. Habe ich früher auch mal versucht, bin aber leider immer gescheitert. Seither ist das Forum mein Kalender. Jeden Mittwoch versuche ich dran zu denken, meine nächste spielfreie Woche zu feiern.

Hast Du Deinen Alltag bewußt umgestaltet, Dir andere Hobbies, Beschäftigungen gesucht? Wie sieht es mit Deiner finanziellen Situation aus? Ich hoffe sehr, daß diese bei Dir nicht so desaströs ist wie bei mir.

Ich wünsche Dir noch viele spielfreie Monate und Jahre! In den letzten 3 Monaten ein gutes Stück Lebensfreude zurück gewonnen, vor allem auch Dank meiner Freundin. Und genau das ist der Schlüssel. Lebensfreude!!! Ich habe schon genug Zeit verschenkt, bin jetzt fast 30! Du bist 21 und scheinst viel früher als ich begriffen zu haben, daß diese Scheiße kein Leben ist!

Du wirst es schaffen!

Viele Grüße

Der Merowinger