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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ich (Angehörige) brauche Rat (leider lang)



Kaya
13.05.2006, 19:40
Hallo liebe Forumgemeinde,
zu allererst möchte ich mich dafür entschuldigen, dass mein Posting sicherlich sehr lang und ausführlich werden wird.
Ich weiss einfach nicht mehr weiter und fange am besten ganz von vorne an.

2002 sind wir zusammengezogen, 2003 wurde unser Sohn geboren.
Bis dahin habe ich nie etwas bemerkt, da wir auch zuvor in verschiedenen Städten gelebt haben und jeder finanziell für sich verantwortlich gewesen ist.

Nach der Geburt unseres Sohnes fing ich dann an diverse "Ungereimtheiten" zu bemerken. zB:
Mein Lebensgefährte musste zu seiner Dienstelle um angeblich Unterlagen zu holen, die er dort vergessen hat. Ich gab ihm meine EC Karte, mit der Bitte 500 € für mich abzuheben.Er fuhr um 13:00 Uhr los und war abends um 22:00 Uhr wieder daheim. Auf der Autobahn sei das Auto plötzlich ausgegangen und er hätte sich mit dem ADAC abschleppen lassen müssen in eine Werkstatt, dort hätte man einen Schaden am Anlasser gefunden und diesen sofort behoben.
Dies habe leider alles insgesamt etwas über 500 € gekostet, das Geld also was er von meinem Konto abgeholt hat.

Anlasser? Wegen eines Anlassers geht doch ein laufender Motor nicht aus? Das wäre doch die Lichtmaschine..
Erst dachte ich, die Werkstatt hätte ihn über den Tisch gezogen und wollte die Rechnung sehen.
Die hätte er dann auf der Dienstelle vergessen, ich liess aber tagelang nicht locker. Dann hätte ein Kollege sie wohl aus Versehen weggeworfen.
Namen der Werkstatt wusste er plötzlich auch nicht mehr.
Ich fragte ihn gerade heraus: "Ich glaube Dir kein Wort mehr, wo warst Du?"
Er stritt alles ab, beschimpfte mich als Psychotussi, als Irre....

Ich nahm mir seine ADAC Karte, rief dort an und erzählte dem netten Herrn, dass mein Mann abgeschleppt wurde in eine Werkstatt und dort Geldbörse, papiere etc vergessen hat und wir nun nicht mehr wüssten wie die Werkstatt hiess. Der nette Herr suchte in seinem PC und in allen Unterlagen um mir zu helfen, doch an diesem Tag wurde niemand von dieser Autobahn geschleppt.
Da half alles nicht mehr, irgendwann gestand er mir das er das Geld verspielt hat. Es gab Beteuerungen, dass er nicht süchtig sei und das zum ersten Mal gemacht hat, er wisse auch nicht warum, die Situation sei so neu... Vater sein, Verantwortung...er hätte wohl völlig unüberlegt gehandelt, brauchte einen Moment der Auszeit, da sei es wohl passiert. Ich war zwar verdammt sauer wegen der 500€, glaubte ihm aber.

Und so geht das nun in Intervallen weiter. Wochenlange Ruhe, bis hin zu 2-3 Monaten. Dann fehlt wieder ein Haufen Geld. Die Ausreden für sein Fernbleiben werden immer drastischer. Er provoziert einfach aus dem Stehgreif heraus einen massiven Streit um dann wieder stundenlang zu verschwinden. Oder aber er sagt "ich geh eben einkaufen" um dann erst mitten in der Nacht wieder zu erscheinen. Ausrede dann: "Ach, DUUUUU fragst MICH wo ich geblieben bin? Na dann überleg mal ganz genau warum!!"
Angeblich habe ich dann "mal wieder" etwas angestellt und er brauchte Zeit um klarzukommen.
Angeblich geht er in dieser Zeit dann immer spazieren, oder war allein im Kino etc
Problem ist, dass es uns finanziell sehr schlecht geht, da er mittlerweile Gehaltspfändungen hat und uns die Gläubiger das Haus einrennen.
Und so finde ich regelmässig Mahnschreiben vor von nichtbezahlten Stromrechnungen, Sperrandrohungen von Gas und Wasser usw.
Weihnachten fiel aus, weil plötzlich das gesamte 13. Gehalt weg war. Angeblich hätte ich es wohl heimlich ausgegeben. Kein Baum, kein schönes Essen, kein einziges Geschenk für den Kleinen. Ich hab geheult wie ein Schlosshund, er nannte mich nur verächtlich "Luxustussi", ich würde ja nur Wert auf materielle Dinge legen.
Er streitet aber vehement ab zu spielen. Das sei damals einmalig gewesen, er wäre seitdem nie wieder spielen gewesen!
Ich weiss nicht mehr wie ich ihm helfen soll, er lässt mich nicht durch. Er behandelt mich und das Kind im Wechselbad der Gefühle. Mal der superliebe Papa und Partner, dann wiederum sind der Kleine und ich scheinbar der letzte Dreck. Lügen, Lügen und immer mehr Lügen. Für alles wird gelogen, selbst für absoluten Humbug...
Von ausserhalb kann ich keine Hilfe suchen, da wir kurz nach der Geburt Richtung seines Arbeitsplatzes gezogen sind.
Es ist ein kleiner Landkreis und er ist ausgerechnet Polizist hier, jeder kennt hier wirklich jeden. Familie in dem Sinne habe ich leider keine, Freunde hab ich hier auch noch keine gefunden.

Früher war ich das, was man wohl einen lebenslustigen, selbstbewussten Menschen nennt. Heute bin ich mittlerweile nur noch ein Haufen Elend, depressiv, nervös und einfach nur noch völlig erschöpft.
Arbeiten konnte ich bisher nicht, da wir erst jetzt einen Kindergartenplatz bekommen haben und ich auch körperlich gar nicht mehr in der Lage gewesen bin arbeiten zu gehen.
Nun habe ich ab dem 15.05 eine neue Stelle, mein erster Dienst beginnt übernächste Woche ....

Eigentlich sollte ich mich freuen, denn nun kann ich die finanz. Probleme auffangen. Aber ich habe Angst das nicht mehr zu schaffen, da ich so fertig und erschöpft bin, einfach nicht mehr belastbar bin.
Ich habe auch trotz allem Angst vor der Zukunft...wird er nun NOCH MEHR Geld "durchbringen"? Gehe ich jetzt auch noch für die Aufrechterhaltung seiner Sucht arbeiten? Ist er überhaupt süchtig? Laut diesem Selbsttest wäre er es nämlich nicht. Allerdings spielt er auch pro Tag ca 8-10 Std am Pc nach der Arbeit.
Auch spiele ich mit dem Gedanken ihn zu verlassen, da ich Angst um meinen Sohn und auch um mich habe.
Ich weiss einfach nicht mehr vor und zurück.

Verzeiht mir diese ausufernd lange Auflistung und das ich Euch einfach hier mein Leben so vor die Füsse werfe...aber ich bin einfach am Ende meiner Kraft und brauche Rat, möchte mich einfach mal ein Stück des Weges "tragen" lassen, das Gefühl haben das ich nicht allein damit bin und das das schaffbar ist.
Liebe Grüsse und dank an alle, die es bis hier her geschafft haben zu lesen.
Kaya

Heide
14.05.2006, 12:35
Hallo Kaya,
deine Geschichte klingt so wie meine und wie die von vielen Angehörigen hier im Forum - hast du dich schon ein bisschen durchgelesen hier?
Dann wirst du sehen, dass die Mechanismen immer die gleichen sind. Der eine flieht (spielt sich weg), der andere kämpft (macht mit und versucht sinnloserweise zu helfen). Nur für was?
Immer weiter, jahre- oder jahrzehntelang geht das so, bis irgendwann der große Knall kommt und alles kaputt ist.
Wie sollte es auch funktionieren?
Sucht ist ja keine eigenständige Krankheit, sondern ein Symtom für tieferliegende psychische Erkrankungen. Mein Mann spielt, weil er sich wegdröhnen will, weil er die Realitäten nicht erträgt. Weil er nicht gelernt hat, mit Schwierigkeiten umzugehen, ehrlich zu sein und sich selbst anzunehmen.
Ich halte ihm die Toren offen, weil ich so erzogen wurde, immer für jemanden da zu sein, mich nur wertvoll zu fühlen, wenn ich jemandem helfen kann und nicht so sehr an mich selbst denke.
Ich kann gar nicht anders.

Jeder so, wie er geprägt wurde.

Aus diesem Kreislauf herauszukommen ist megaschwer, du weißt das ja.
Ich habe im Kopf auch längst begriffen, wie "der Hase läuft", aber meine Gefühle machen mir immer wieder einen dicken Strich durch die Rechnung.
Ich mache eine Psychotherapie (für mich und nur für mich!), dort gewinne ich Klarheit und Abgrenzung, aber die Umsetzung der Theorie in die Praxis scheitert immer noch oft genug.
Wie oft hast du dir schon vorgenommen, deinen Mann zu verlassen? Wie oft hast du es dir anders überlegt? Und warum?

Immerhin gehst du jetzt einen entscheidenden Schritt weiter, du machst die Probleme öffentlich und suchst Rat bei anderen.
Wahrscheinlich wirst du immer wieder ähnliches hören:
sei konsequent, grenz dich ab, lass ihn nicht mehr an dein Geld, trenn dich, sorge für dich und dein Kind usw.
Stimmt alles, ist alles unverzichtbar - nur reicht es bei weitem nicht aus.

Ich habe gelernt, dass es um mich geht. Dass ich an mir arbeiten muss, dass ich eine Sozialneurose habe, die ich bekämpfen muss, damit ich irgendwann einmal aus meinem Hamsterrad herauskomme.
Tue ich das nicht, trenne ich mich (nur) von meinem Mann, wird der nächste `Partner` kommen, der mich genauso behandelt und ich werde wieder einmal genauso agieren wie in der Vergangenheit.
Das darf nicht passieren. Dir auch nicht.
Du hast ein Kind, ich habe zwei - was für ein Vorbild bin ich für sie?
Meine Kinder haben schon immer zu mir gesagt: was willst du von ihm, warum wirfst du ihn nicht hinaus? Warum lässt du dir das gefallen?
ICh wusste nie eine Antwort. Jetzt kenne ich sie und kann immer noch nicht halb so handeln, wie ich sollte. Aber ich weiß, dass ich es schaffen werde, auch wenn es lang dauert und ich immer wieder Anläufe unternehmen muss, mir immer wieder Rat holen werde und Rückschritte mache. Ob mein Mann da mit kommt oder zurückbleibt, ist mir inzwischen egal - zum Glück!
Lieben Gruß
Heide

Kaya
14.05.2006, 18:06
Hallo Heide,

vielen Dank für Deine ehrliche und klare Antwort.
Bisher habe ich das Thema auch nicht so sonderlich ernst genommen, weil es eben nur "quartalsmäßig" scheinbar passiert ist.
Zumindest ist es mir dann aufgefallen weil eben Geld gefehlt hat. Immer dann passend dazu, dass er für viele Stunden grundlos das Haus verlassen hat.

Ich habe mir gestern dazu ja viele Gedanken machen können, da es gestern ja mal wieder soweit kam.
Mittags "nur mal eben was besorgen" und kam um 23:00 Uhr heim.

Die Ausreden werden nur immer verletzender, fast schon boshaft. Als wenn ich nicht bis drei zählen könnte.
Gestern hat es dann für mich den persönlichen Gipfel erreicht. Da die Ausreden mit dem Auto oder aber ich hätte etwas verbockt ausgelutscht sind und nicht mehr ziehen, musste eine neue Ausrede her.
Wie immer muss so eine Ausrede bei ihm ja bombastisch sein mit einem Hauch Dramatik.

Er kam dann also gestern mit einem typischen Tankstellenblumenstrauss und wollte mir weiss machen, er hätte die ganzen Stunden benötigt um darüber nachzudenken wie er mir heute einen Heiratsantrag machen kann.

Hätte ja tatsächlich so sein können..... wenn da nicht diese überanstrengten roten Augen gewesen wären, er mir ins Gesicht hätte sehen können dabei und nicht nur an mir vorbei, wenn da nicht von vornherein diese Angriffsstimmung gewesen wäre von ihm.
"bevor Du jetzt was sagts, also eigentlich war ich so lange weg um zu überlegen wie ich Dir einen Antrag machen soll - aber Du wirst ja jetzt eh wieder anfangen zu meckern und mir vorwerfen ich sei sonstwo gewesen"

Gab mir den Strauss und guckte herausfordernd durch die Gegend, nur nicht mir ins Gesicht.
Toller Antrag sag ich dazu nur. Eher wohl mal wieder die Suche nach einer tollen Ausrede.....

Es ist wohl nicht erklärenswert, dass er den Strauss als Flugsalat ohne Dressing zurückerhalten hat?
Heute hingegen tut er so als sei nichts gewesen. Kein Antrag, kein Muttertag, kein gespräch.... war ja nix.

Ich hab die Nase so gestrichen voll.

LG und einen schönen Muttertag an die Muttis unter Euch,
Kaya

Andrea
14.05.2006, 20:05
Hallo Kaya,

für eine Antwort an dich möchte ich mir mehr Zeit als mir heute Abend zur Verfügung steht. Ich möchte dir nur sagen, dass du nicht allein bist und ich Heide nur zustimmen kann.

Dir geht es im Moment sehr schlecht und dieses Gefühl kennt (leider) jeder Angehörige nur zu gut. Es ist sehr, sehr wichtig, dass du dich klar von ihm abgrenzt. Versuche ihm keine Vorwürfe zu machen (ich weiß, dass ist mega schwer, wenn man selbst keinen Nerv mehr hat….), denn er ist krank. Konzentriere dich auf dein Kind und deine Arbeit (einen guten Start wünsche ich dir, du schaffst das, denn aus dir spricht eine sehr starke Frau!!!) – jetzt seid zu allererst DU und DEIN KIND wichtig! Kaya, du trägst Verantwortung – nicht nur für dich selbst. Jemand anderes schrieb in diesem Forum „wenn reden nichts mehr hilft, musst du dein Verhalten ändern“ – das trifft es so ziemlich auf den Punkt, denn IHM kannst du es z.z. eh nicht Recht machen. Durch seine provozierende Haltung versucht er dir Schuld zuzuweisen, um sich dann als beleidigter Mann (die böse Frau!) seiner Sucht hinzugeben. Es ist ein suchttypisches Verhalten. Versuche dich nicht mit ihm zu „bekämpfen“ – in der akuten Phase bringt das gar nichts. Er muss SELBST zur Einsicht kommen, DANN erst kann er es schätzen, einen starkten Partner an seiner Seite zu haben. Kaya, tanke deine Akku's auf und entwickle eine gesunde Eigenliebe zu deinem Selbstschutz. Vertrau mir, es wird dir dann besser gehen und machmal (so bei mir) kommt dann auch die Einsicht des Spielers. Auch wenn’s schwer fällt, du musst Geduld haben und daran arbeiten, wenn er es dir wert ist.... Bei mir ging das auch nicht mit einem „Fingerschnipp“ – ich brauchte sehr lange, um das zu verstehen und tu mich noch immer schwer daran es umzusetzen. Aber es wird… kleine Steinchen setzen…

Ich bin nicht der Typ Frau der dir raten möchte: verlasse ihn um dich zu schützen. Das tat ich selbst nicht – mein Partner kam nach Jahren zur Einsicht und ist z.Z. in einer Klinik. Deine Schmerzgrenze musst du selbst erkennen. Aber auch Liebe rechtfertigt nicht, sich dadurch kaputt machen zu lassen…. Mein Partner und ich sind mittendrin im Kampf gegen die Sucht, warten wir ab, was aus uns wird….

Hast du schon mal einen Blick auf die anderen Beiträge gerichtet? Z.B. Thema „Angehörige“?... sie sind sehr interessant und werden dir hoffentlich etwas Kraft geben.

Ich wünsche dir viel Kraft.
Herzlichst, Andrea