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ziegenbock
10.07.2006, 12:07
Wie schwer es ist, sich mitzuteilen, ohne den anderen zu provozieren. Wie schwer es ist, seine Sicht der Dinge zu beschreiben, ohne einen Streit vom Zaun zu brechen. Und wie schwer es ist, seine eigene Meinung darzustellen, ohne dass sich jemand verletzt fühlt – auch unabhängig davon, ob man nach seiner Meinung gefragt wurde.

Die Akzeptanz aufbringen, von anderen etwas anzunehmen, die man mag, fällt leichter als umgekehrt.
So viele Gefühle, so viele Verletzungen, so viel Misstrauen – es kann einem manchmal auch schwer fallen, etwas anzunehmen oder zu ertragen, wenn es von jemanden kommt, den man sogar sehr gerne mag – selbst wenn er im Recht ist.
Warum ist das so schwer?

Wie soll man sich verhalten, wenn es nur noch zu Streit kommt – auch wenn man beteuert, keinen Streit provozieren zu wollen? Was kann man noch tun, wenn man sich selbst nur noch unverstanden fühlt?
Weniger Austausch – mehr Schweigen? Rückzug in die Einsamkeit? Den Dialog suchen und damit das Risiko eingehen, erneut angegriffen oder missverstanden zu werden?

Wohin soll man noch gehen, wenn es selbst interaktiv nicht möglich ist, sich auszutauschen?
Oder vielleicht ist es gerade das? Vielleicht kann man sich interaktiv gar nicht austauschen, ohne dass es zu Missverständnissen kommt – so höre ich nicht die Worte, wie sie vielleicht betont würden, kann das Sanfte im Blick nicht erkennen, sondern spüre nur den Angriff, die Provokation und reagiere mit Wut und Enttäuschung, trete um mich, verteidige mich und meinen Standpunkt, verteidige mich und meine Werte – mehr, als es überhaupt notwendig wäre, weil doch ein Angriff gar nicht stattgefunden hat.

Was soll man noch tun? Wie soll man sich noch verhalten?
Aufgeben? Am Ball bleiben? Auf einen besseren Tag warten?

Hat da jemand eine Antwort?

Eine gute Zeit
wünscht
Roman

Cl@us
10.07.2006, 13:19
Hallo Roman,
willkommen im Club der Unvollkommenen, das sind die die ihr Menschsein zulassen können.
Es ist die Magie der Worte, die uns so zu schaffen macht. Wir haben immer noch eine Umgangs-Sprache wie zu Kriegszeiten (siehe Sport), es ist aber lernbar die "Sprache des Herzens" zu sprechen.
Es ist verwirrend oft, aber das macht es doch so interessant. Ich habe auch lernen müssen immer wieder die Suchsprache (Zocker- und Säufersprache) sowie die Vulgärsprache abzulegen.
Menine Vorstellung wäre:
0% über andere reden
0% ungefragt Ratschläge zu geben, keine Therapie oder Bewertungen etc.
0% Diskussionen, es sei den der Schreiber wünscht das ausdrücklich
10% ein Problem beschreiben
90% über Lösungen schreiben, aber Nur seine eigenen persönlichen Erfahrungen
Gruss
Claus

Harry
10.07.2006, 17:03
@Claus dem kann ich nur bepflichten und zwar 100%.

Liebe Grüße
Harry

Chris
10.07.2006, 17:14
Hallo Roman,
Du beschreibst treffend die Verletzlichkeit und Empfindsamkeit, die beim
Schreiben über ein virtuelles Forum, wo man sein Gegenüber nicht sehen kann,
in manchmal überzogenden Reaktionen sich ausdrückt.
Das geht mir hier besonders so, wenn ich unruhig bin und das was das "Gegenüber" ausdrücken will nicht ganz aufnehmen kann oder will .
Das läßt sich bei allem Bemühen wohl nicht 100 % vermeiden ,
deshalb gehe ich für ein intensives Gespräch lieber in meine Gruppe oder treffe mich mit einzelnen Freunden auf einen Kaffee.
Bei mir ist das mit der Empfindsamkeit auch kein Wunder wenn man über Jahre den "heroischen" Kampf,vorsicht Sarkasmus,habe ich aber manchmal in meiner Verblendung so empfunden, mit Casinoautomaten aufgenommen hatte.
Das hat zu ziemlicher Isolation geführt, die ich erst durch selber Trockenlegen
durchbrechen konnte.
Insofern bedarf es einiger Zeit sich wieder im normalen Umgang mit einigermaßen belastbaren und vertrauenswürdigen Menschen zu üben und zurück in die normale welt zu kommen.
da die Nerven längerfristig geschädigt wurden sind mir besonders ,die Menschen ,die auf mich Ruhe austrahlen wichtig, bzw. sie tun mir einfach gut.
Sport Radfahren schwimmen und Natur helfen mir auch .
Ich wünsche Dir viele Menschen ,die Dir gut tun.
Herzlich
Chris

ziegenbock
11.07.2006, 07:04
Hallo Claus,

ja, Du hast schon Recht mit der Unvollkommenheit und mit meinem Hang zum Perfektionismus mache ich mir das Leben auch oft unnötig schwer. Eigentlich - so denke ich immer - suche ich mir meine Worte schon gewählt aus, versuche die "Spitzen" noch relativ abgeschwächt einzubauen und nicht sooo verletzend rüberzukommen - gelingt offensichtlich nicht gut.
Andererseits stört es mich eigentlicht gar nicht, wenn man mir Ratschläge - auch ungefragt - gibt, nur auf die Art und Weise kommt es noch an.
Sicher ist jedoch, dass ich es nicht ertragen kann, wenn etwas von oben herab kommt oder mir die Möglichkeit meiner eigenen Fehler genommen werden soll - denn ich lerne nur aus meinen Fehlern und man kann mich nicht vor etwas beschützen. So gehe ich diesen Weg zur Spielfreiheit auf meine Art weiter und hoffe, trotzdem das Ziel nicht zu verlieren.

Gestern war ich kurz vor einem Rückfall, mir ging es schlecht wie lange nicht mehr, bin nicht zur Arbeit gegangen und ich konnte die alten Dämonen wieder hören, wie sie mich in die Spielhalle treiben wollten.
Es war ein zäher Kampf gestern und ich war schon draußen im Auto und lenkte bewusst in eine andere Richtung und fuhr doch nicht in eine Halle.
Ich kann nicht sagen, dass mich das mit Stolz erfüllt hätte, nicht spielen zu gehen. Vorrangig war der Ekel, mich wieder in einer "solchen" Situation zu befinden und das Entsetzen, dass die Dämonen präsent sind, wenn es mir nicht gut geht. Gestern war ich stark genug, dem zu widerstehen - ich kann aber erst heute durchatmen und fühle mich davon befreit.

Hallo Chris,

vielen Dank auch noch für Deine Worte - ich habe es noch nie so betrachtet, dass die Nerven langfristig geschädigt sind und ich vielleicht deswegen nervlich oft so angeschlagen und unausgeglichen bin.
In der Tat belasten mich Streitereien deutlich mehr, als es notwendig wäre, weil ich den Abstand dazu nicht bekommen kann. Meine natürliche Reaktion ist zunächst immer die Flucht in die Einsamkeit, ich kann mich nicht mitteilen, wenn es mir so geht und muss erst einmal für mich alleine sein, um alles zu ordnen, was bei mir durcheinander ist - ich nenne das auch gerne "Wunden lecken".
Nach dieser Prozedur bin ich dann vielleicht in der Lage, mich mit meinen Freunden zu treffen - ob ich dann darüber rede ist jedoch nicht sicher, meistens versuche ich mich nur in eine andere Stimmung bringen zu lassen. Heute schreibe ich diese Dinge in das Forum - ein neuer Tag, vielleicht auch ein besserer Tag.
Jedenfalls fühlt es sich heute nicht mehr so schlimm an - ich vollende die 23. Woche auch spielfrei - dessen bin ich mir sicher.

Ja, und Harry - es ist nett, dass Du Dich auch gemeldet hast - nur manchmal denke ich, dass es in Diskussionen auch erlaubt sein muss, ganz normale Vergleiche anzustellen - sicherlich können die auch nur aus der eigenen Sicht beschrieben und nicht verallgemeinert werden. Allerdings gibt es auch ganz allgemeingültige Verhaltensweisen, die sich manchmal auch hier einflechten lassen.

Ich hoffe, wir finden alle unsere Möglichkeiten.

Auf einen besseren Tag
Liebe Grüße
Roman

Gerri
11.07.2006, 10:29
Hallo Ziegenbock,
verstehe es nicht falsch - aber ich finde es gut, das du gespürt hast, welcher Druck durch Spielsucht entstehen kann.
Und dieser Druck kommt wieder - immer und immer wieder - und wird stärker und stärker.
Wie du habe ich lange Zeit versucht alleine klar zu kommen. 3 Jahre hatte ich geschafft -1991 -94.
Irgendwann durchbrach ich meine Vorsätze - fühlte mich sicher - finanziell gesundet - und hatte die Ausrede für mich - ach eigentlich bist du ja nicht Süchtig - du kannst ja bei Bedarf von selbst aufhören.
Wo das hinging ist klar. Ich spielte, verheimlichte und log, um mein Spielen zu verbergen. Schämte mich vor mir selbst - und beschloss irgendwann - auch auf Druck meiner Partnerin - die Sache für MICH richtig anzugehen.
Ich suchte mir eine SHG - nach anfänglichen tappsigen Schritten, gelang es mir bis Heute trocken vom Spielen zu sein.
Natürlich tat ich viel - beschäftigte mich mit meinen Suchtbild und belas mich.
Nein, ich rede nicht wie ein Blinder von der Farbe und im nachhinein habe ich für mich den richtigen Weg gewählt.Aufgehört mich mit der Sache zu befassen habe ich bis heute nicht - und werde es auch nicht tun.
Vor einigen Monaten hatte ich einen Ausrutscher - mehr war es wohl tatsächlich nicht. Diesen erzählte ich Euch hier im Forum.
Was geschah war höchst verletzend für mich - und der Grund warum ich nicht weiter mit dir kommunizieren wollte.
Du warft mir Unfähigkeit vor, mein Leben in den Griff zu bekommen - meine Spielsucht.
Mal deutlich gefragt - steckst du das so einfach weg, wenn du das von jemand gesagt bekommst, den du im Grunde für wichtig empfindest tatsächlich auf bestimmter Ebene zu diskutieren ?
Ich habe es nicht - einige nicht so bedeutende Kritiken von ein paar wirklich armen Spielkranken kamen hinzu - und ich sah mich veranlasst zurück zu beissen - weil ich eben verletzt war - in einer Art von Notwehr von meinen Standpunkt aus gesehen,
Ich habe es nochmal aufgeführt, weil du dicht davor warst deine Spur zu verlassen - und hoffe du erkennst jetzt besser, wenn andere von der Gefahr des Rückfalles sprechen.
Trotzdem bin ich froh für dich, das du es abwenden konntest - aber ich verspreche dir - diese Situation werden noch öfter kommen - wieder und wieder. Das ist der Grund für mich, mehr zu tun als zu sagen - ich schaffe es, weil ich es will.
Gruss Gerri

Chris
11.07.2006, 23:35
Hallo Roman,
Mir ging es vor ein paar Tagen ähnlich, das Kribbeln und die Gedanken kamen wieder, mir gings halt zu gut : Zeit und wieder Erwarten mehr geld als gedacht, freundin weggefahren, da hab ich auch nur haarscharf die Kurve Kratzen können, bin auf eine Kulturnacht mit anschleißender WM party gegangen und hab dort einiges Geld in Bier umgesetzt.
Nachher konnte ich schlafen un´d am nächsten Tag alles noch mal mit einem
GA freund besprechen.
das Eis war noch recht dünn auf das ich schon wieder gehen wollte, das wird noch öfter kommen, das muß ich einfach so annehmen, ich alter ochse, weiß doch daß es eh in die Hose geht.
Also jeden Tag auf s Neue
Herzlich Chris 12 Wochen trocken

ziegenbock
12.07.2006, 07:20
Hi Gerri,

Dein Eintrag hat mich etwas überrascht – auch, dass Du einen anderen Eintrag benennst, den ich eigentlich schon abgehakt hatte.
Ich möchte jedoch kurz darauf eingehen – insbesondere auch auf Deine Aussage, ich hätte Dir Unfähigkeit vorgeworfen. Ich weiss welchen Satz Du meinst – und ich möchte Dir sagen, dass Du ihn damals schon nicht im Zusammenhang so verstanden hast, wie ich ihn geschrieben und gemeint habe. Hier also – ohne Vorwurf - noch einmal die Richtigstellung.
Es ging seinerzeit um Besuche einer Spielhalle, die unterschiedlichen Motivationen und Veranlassungen hierzu – der eine geht, weil er sonst keine Freunde hat, die andere geht, weil sie dort jemanden auf einen Kaffee besucht – und Du musstest arbeiten gehen…..und dabei ist es Dir eben passiert – das war „Deine Unfähigkeit, der Sucht in diesem Rahmen doch zu strotzen“ – und das ist auch so gemeint gewesen – überhaupt kein Vorwurf, sondern nur eine Feststellung – keine Annmache und schon gar nicht der Vorwurf, Du würdest Dein Leben nicht in den Griff bekommen.
Ich hoffe, der Unterschied ist Dir bewusst geworden und Du verstehst diesen Satz nun so, wie ich ihn auch gemeint habe.

Und damit komme ich auch auf die Grundaussage zurück – es ist Dir passiert, nach mehr als fünf Jahren und trotz aller Aufmerksamkeiten und auch trotz Deiner Tätigkeiten im Bereich SHG und des Studiums über das Glücksspiel und der Süchte – es ist also „egal“ ob ich eine SHG besuche oder nicht – dieser Besuch schützt mich nicht vor diesen Rückfällen und auch nicht vor meinen Stimmungsschwankungen. Da ist noch etwas anderes, was eine SHG nicht auffangen kann – was vielleicht mit einer Therapie anders sein könnte – und das ist mein Verhalten oder auch meine Einstellung.

Mir ist es nun am Montag gelungen, diese dunklen Gedanken beiseite zu schieben, ich konnte dem Spieldruck trotzen, weil mir bewusst war, dass die alten Dämonen nur aufstehen konnten, weil es mir sehr schlecht ging und ich mich unwohl gefühlt habe. Ich habe mich damit auseinandergesetzt und ich wusste genau, wieso es mir so schlecht ging. Ich habe geschrieben, ich war entsetzt darüber, dass dieser Druck wieder so stark war – das ist wohl wahr. Und ich weiss auch, dass diese Situationen auch wiederkommen werden – aber ich muss diese Situationen alleine meistern; denn ich gehe einfach mal stark davon aus, dass am Montag sicher nicht mein Gruppentermin in einer SHG gewesen wäre – und wenn, ich hätte nicht hingehen können, weil ich mich erst einmal alleine wieder auf die Reihe bekommen muss, bevor ich mich wieder unter Leute begeben kann.

Für mich steht fest, dass mich eine SHG nicht schützen kann vor solchen Situationen – ganz im Gegenteil, ich muss in diesen Situationen alleine bestehen, denn ich kann mich nie darauf verlassen, dass mir in solchen Momenten auch jemand zur Verfügung steht – alleine aus zeitlichen Gründen.
Also durchleide ich diese Momente und gehe mit mir ins Gericht und analysiere meine Probleme und versuche diese zu lösen – was mir inzwischen wohl einigermaßen gelungen ist. Ich habe die Herausforderung angenommen und sie alleine gemeistert – auch wenn es schwer war. Wer weiss – vielleicht wird es beim nächsten Mal schwieriger – meine Erfahrung im Bereich Drogensucht sagt mir aber, dieser Druck verschwindet mit den Jahren oder kommt nur minimal wieder hoch, er wird schwächer, weil mein Wille ,zu bestehen, stärker geworden ist in dieser Zeit.
Und ich weiss für mich, dass es sich mit der Spielsucht auch so verhält.
Mein Wille ist das wichtigste Instrument auf dem Weg zur Spielfreiheit – und mein Verstand, der sich Strategien entwickeln muss, um gegen die Emotionen bestehen zu können.
Ich hoffe, Du kannst Dich irgendwann mit meiner Einstellung anfreunden – auch wenn es für Dich so unmöglich erscheint, die Spielsucht ohne SHG zu besiegen – umgekehrt geht es mir ja nicht viel anders, aber ich akzeptiere die unterschiedlichen Wege für jeden einzelnen von uns.
Lieben Gruß
Roman

Gerri
13.07.2006, 06:54
Hallo Roman,
ich habe mir gestern noch einmal besagten Eintrag gezogen und gelesen.
Was mich vor ein paar Wochen so sehr verletzt hatte , konnte ich nicht mehr so deutlich ausmachen.
Gewiß bin ich da nicht mit allen einverstanden - aber das steht auf einen anderen Blatt. Ich habe auch zu diesen besagten Artikel deutlich überreagiert - vielleicht auch weil ich gerade in dieser Zeit besonders übersensibel auf Kleinigkeiten reagierte. Wie an anderer Stelle erzählt,leidet an dieser Überempfindlichkeit mitunter sogar meine Frau - und das ist etwas, was ich so gar nicht will.
Vielleicht sind es die vielen Schmerzen die ich zur Zeit habe - oder die entsprechend starken Medikamente die ich nehmen muß.
Ich erkenne bei vielen Dingen nicht mehr meine Gelassenheit, die ich eigentlich schon für mich hatte.
Zu deinen Eingangsthread habe ich in meinen "Miteinander" wohl schon ausgedrückt was ich dazu meine.
Am Ball bleiben denke ich - denn nur Beständigkeit bringt dauerhaften Erfolg.
In diesem Sinn.
Lieben Gruss
Gerri