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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Guter Freund spielt immernoch...



Katze
08.08.2006, 15:58
Hallo Leute!

Ich komme aus Berlin und brauche hier irgendwie Hilfe.

Mein ältester/langjährigster Freund spielt in der Spielhalle.
Er hat es soweit im Griff, daß es nicht wirklich nach außen auffällt, aber nach 20 Jahren zocken, hat er jetzt einen Kredit laufen, Dispo ausgereizt und langsam kommt er auch mit der Miete nicht mehr nach.
Er hat auf Nachfrage immer wieder gesagt, daß er nicht mehr spielt, nur die Schulden bei seinemgeringen Einkommen schuld seien...

Nun hat er´s zugegeben, will auch von mir irgendwie an die Hand genommen werden.
Ich hab´ wohl Erfahrung mit Sucht, aber nicht mit Spielsucht.
Das Problem ist, daß er suuuuuper schüchtern, sensibel und gehemmt ist. Er geht nirgendwo alleine hin, schon gar nicht wo viele Fremde sind. Außerdem schämt er sich und es ist ihm sehr unangenehm "darüber" zu sprechen.
Er hat nur 2 Freunde (mich und noch eine Frau mit Kind u. Kegel), keine Familie (Schwester lebt in Westdeutschland u. weiß nichts von seiner Sucht) und ich hab Angst, daß er sich nicht traut eigeninitiativ zu sein - war er noch nie, wenn´s nicht um Arbeit ging.
Ich kann nur den Anfang mit ihm gehen, aber ich hab´ nicht die Möglichkeit immer bei ihm zu sein.
Er spielt das Ganze auch runter wenn man ihn festnageln will...

Hat irgendwer ´ne Ahnung welche Form der Hilfe für so einen Menschen am besten wäre?
Kennt jemand einen guten Arzt/Psychologen in Berlin.
Ich hab´ hier ´ne Selbsthilfegruppe aus Berlin gefunden, aber ich befürchte, daß ihm so öffentliches Reden halt zu peinlich ist und er deswegen nicht hingehen würde...

Ich mach´ mir einfach totale Sorgen, daß ich ihm nicht richtig helfen kann.

Danke schonmal,
Katze

Ziggy
08.08.2006, 21:28
Hallo Katze,

will er von Dir nur an die Hand genommen werden, oder will er aufhören zu spielen?
Ich denke, Dir ist klar, dass nur er den ersten Schritt gehen kann. Du kannst ihm Adressen raussuchen oder Kontakte knüpfen. Aber ohne dass er sich irgendwann irgendjemandem offenbart, wird es nicht funktionieren. Ein guter Ansatzpunkt kann ein Arzt oder Therapeut sein, der sich mit Sucht auskennt. Eine Suchtberatung ist sicherlich eine geeignetere erste Anlaufstelle für ihn. Eine Selbsthilfegruppe die aus Menschen besteht die auch irgendwann einmal ihr erstes mal in der Gruppe waren und die selbst genau wissen wie wir Spieler so ticken, ist sicherlich auch nicht so schlimm. Dort wäre es nur schlimm, weil man es dort wohl am schwersten haben dürfte, sein Spielen zu bagatellisieren. Ein Vorteil hier könnte jedoch sein, dass man sich unter Gleichgesinnten nicht schämen muss, wenn doch alle dort selbst einmal in genau derselben Situation gesteckt haben, wie Dein Freund. Andererseits kann es ganz schön motivieren Menschen zu begegnen, die einen Weg gefunden haben ihre Sucht in den Griff zu bekommen...
Den Kopf abreißen wir ihm garantiert niemand in einer der genannten Anlaufstellen. Alle bieten einen geschützten Raum, in dem er sich offenbaren kann, wenn er dazu bereit ist.

Aber mein Eindruck, den Deine Schilderung erweckt, ist nicht so postitiv. Ich vermute fast, er ist noch gar nicht so weit, dass er aufhören will...

Ich kann Dir nur sagen, dass Du ihm eigentlich gar nicht helfen kannst. Wenn er es nicht will, wird er sich auch nicht helfen lassen. Auch wenn er es ernsthaft will, dann wirst Du nicht für ihn die Schritte gehen können, die nur er gehen kann. Du kannst ihm nur die Richtung aufzeigen. Hier ein link, der ihm oder Dir helfen könnte:
http://tinyurl.com/zukwp
oder in langer Form:
http://caritas.erzbistum-koeln.de/neuss_cv/sucht_hilfe/gluecksspiel/beratungsstellen/plz1.html

Dort wird man Dir sicherlich konkrete Adressen vor Ort geben können, bzw. etwas mehr zu den einzelnen Angeboten wissen.

Aber erst, wenn er selbst aus seinem Teufelskreis ausbrechen will, wird er auch die Kraft finden es zu tun...

Dir wünsche ich, dass Du nicht noch ein paar Jahre lang mit ansehen musst, wie er sich selbst weiter ruiniert... mehr als ihm eine Richtung zu zeigen, kannst Du einfach nicht. Nur er kann den nötigen ersten Schritt gehen.

Ziggy

Katze
08.08.2006, 23:17
Hallo nochmal!

@Ziggy: Danke für Deine Antwort.
Die Adresse hab´ ich auch über links gefunden. Werd´ da mal anrufen und evtl. mit meinem Freund hingehen.

Leider ist mein Gefühl auch etwas unsicher/neg. was den Wunsch komplett aufzuhören betrifft.
Deine Argumente mit den Leuten aus einer Selbsthilfegruppe find´ ich gut... könnte wirklich was bringen...

Ich hab´ ihm das auch schon gesagt, daß das Ganze nur Sinn macht, wenn ER wirklich aufhören will. Das ich ihm nur beim Anfang, bei der Kontaktknüpfung helfen kann.

Naja, hab´ ´n bisschen Angst, das Ganze anzufangen und dann wird´s nichts. Aber ich will wenigstens diejenige sein, die einen Versuch gemacht hat.
Was draus wird liegt dann sowieso nicht in meiner Hand - auch wenn´s manchmal leichter wär´ wenn´s so wäre.

Toll, daß es mittlerweile für jede Sorge einen Ort gibt, wo man Leute fragen kann, die sich damit auskennen!
Soll heißen: Schön, daß es euch gibt :-)

Lieben Gruß aus sin city,
Katze

Chris
09.08.2006, 01:23
Hallo Katze,
Geh beim ersten mal mit am besten in eine GA Gruppe, Berliner Adresse findest Du unter Anonyme Spieler Deutschland Adressen.
Da ist er gut aufgehoben und erhält weitere Hilfe.
Herzl Gruß
Chris

K@rl
09.08.2006, 10:54
Hallo Katze,

bei Deinem Beitrag habe ich sofort an meine eigene Geschichte gedacht, nur war es nicht mein bester Freund, sondern ich der spielsüchtig war(bin). Auch ich habe zig Jahre gespielt und es geschafft es ziemlich geheim zu halten.

Erst als finanziell nichts mehr ging habe ich meinem besten Freund einen Brief geschrieben. Meiner Familie hatte ich es noch nicht gesagt.

Mein Freund hat mir dann auch Hilfe angeboten. Eine finanzielle Unterstützung hat er aber davon abhängig gemacht, dass ich mich in Therapie begebe.

Das habe ich dann auch gemacht, die 3000€, die er mir geliehen hatte wollte ich Ihm nach 3 Monaten zurückzahlen. Nach 3 Monaten hätte ich diesen Betrag auch gehabt, habe aber leider mit diesem Geld gespielt um mit einem Gewinn auch meine restlichen Schulden verringern zu können.

Dass das nicht geklappt hat kannst Du Dir sicher denken.

Ich habe es danach auch meiner Familie gebeichte und mit Unterstützung von allen habe ich es bis heute geschafft.

Du siehst bei meiner Beichte meinem Freund gegenüber ging es mir in erster Linie um die Beschaffung von Finanzmitteln, du solltest daher genau prüfen ob er wirklich aufhören will, sonst kann es Dir auch wie bei uns passieren, dass Dein bester Freund dich enttäuscht.

Ich wünsche Dir viel Glück

Liebe Grüße

Karl

Katze
10.08.2006, 10:11
Hallo again!

@Chris: Ja, so hatte ich das auch vor. Ich werd´ihn einmal begleiten und dann sehen wir weiter... was er draus macht. ´ne Adresse hab´ ich schon.

@K@rl: Ich freu mich echt aufrichtig zu hören, daß Du es bis jetzt geschafft hast. Außerdem macht es Mut. Aber Deine Geschichte ist auch genau der Verlauf, vor dem ich Angst habe.
Das ist so ziemlich der einzige Freund, der mich noch nicht verletzt, enttäuscht o. ausgenutzt hat... und ich möchte natürlich am liebsten, daß es so bleibt.
Ich muß mich halt im Vorfeld auf alles gefasst machen und nicht irgendwelche Erwartungen in den Raum stellen.
Das mit dem Geld rausleiern kenne ich zu gut von meinem drogenabhängigen Bruder. Da bin ich glaub´ ich ganz gut vorgeprägt.

Mein Freund hat leider seine Eltern - an denen er sehr hing - beide schon verloren.

Ich danke Dir, daß Du mir Deine Geschichte so offen erzählt hast - bin ja schließlich ´ne Fremde und neu hier.

Ich wünsch´ euch viel Kraft und gutes Gelingen beim weitergehen. Drückt uns die Daumen.

Lieben Gruß,
Katze