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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Mein wahrer Grund zu zocken



howi1111
17.10.2007, 18:36
Zu meiner Person: Ich bin 51 Jahre, und war über 30 Jahre lang süchtiger Spieler. In dieser Zeit verlor ich circa 250.000 € . In erster Linie habe ich mein Geld in Daddelautomaten (Geldspielgeräte) gesteckt, und in Pferdewetten investiert. Ich bin ledig, und lebe allein.

Ich habe mich schon die letzten Jahre geistig damit beschäftig, warum ich jedes mal um den Monats Ersten mein Geld verspiele. Erst vor drei Monaten war ich vier Sitzungen in einer psychologischen Beratung, in der ich den wahren Grund für mein Verhalten herausgefunden habe. Seit dem fällt es mir leicht auf das Zocken zu verzichten. Ich bin der Überzeugung, dass dieser Grund universell für alle Spieler gilt. Da ich glaube, dass dieser Zusammenhang. noch nicht allgemein bekannt ist, habe ich ihn hier eingestellt.

Ich schildere zunächst nur mein Suchtverhalten, erst am Ende dieses Skriptes erkläre ich die wahren Beweggründe. Der geschilderte Ablauf war Monat für Monat derselbe.

Ich komme Anfang des Monats an einer Spielhalle vorbei. In meiner Geldbörse befinden sich 100 €. Das Kribbeln in der Hose wird stark. Zehn Euro kann ich ja mal “investieren”. Vielleicht gewinne ich ja heute. Vielleicht habe ich ja heute Glück. Ich betrete die Spielhalle. Sobald ich die ersten zwei Euro in den Automaten gesteckt habe verliere ich die Kontrolle über mich. Natürlich gewinne ich nichts. Ich wechsle nach und nach die ganzen 100 € ein, und verlasse mit leeren Taschen die Spielhalle. Wie konnte das wieder passieren. Dabei war mein bestes Fach in der Schule die Mathematik, und an jedem Automaten steht ja, dass er nur 60% als Gewinne wieder ausschüttet.

Der Grund warum ich gespielt habe:
Es ist keinesfalls wegen der Aussicht auf Gewinne. Nur in fünf Prozent aller Fälle habe ich die Spielhalle mit einem Gewinn verlassen, der dann umgehend in den nächsten Tagen wieder verspielt wurde. Dieser Grund dient allenfalls als Anlass die Spielhalle betreten zu dürfen. Eine Rechtfertigung für sich selbst braucht schließlich jeder Mensch. Der wahre Grund ist tiefer gehend.

Der Tagesablauf des Durchschnittsmenschen verläuft in etwa wie folgt:
Sie stehen morgens auf, frühstücken, gehen zur Arbeit, Essen zu Abend, schauen Fernsehen (oder gehen ihren Hobbys nach), und legen sich wieder schlafen. Das ganze Leben verläuft relativ gleichmäßig, und damit eintönig. Alles ist abgesichert.

Der Zocker bricht mit seinem Spielen aus dieser Eintönigkeit aus. In der Spielhalle erlebt er große Gefühle. Wenn er die Gewinnleiter bis zum Anschlag hoch drückt gibt es einen sagenhaften “Kick.”. Auch wenn ich alles verliere erlebe ich große Gefühle. Ich fühle mich dann zum Schluss völlig ausgebrannt und leer wie meine Geldbörse. Wie ich eingangs geschrieben habe, verspielte ich in den ersten Tagen eines jeden Monats auf diese Weise mein Geld. Für den Rest des Monats konnte ich also mangels Masse nicht mehr zocken. Selbstverständlich habe ich auch in dieser Zeit große Gefühle erlebt. Mir ist bloß der Zusammenhang nicht klar geworden.

In der “geldlosen Zeit” ist folgendes geschehen:
Zum einen musste ich Freunde anpumpen. Diese Erniedrigung liegt auch außerhalb des gesellschaftlichen Durchschnittslebens, und somit gibt es einen gewissen Kick. Ich musste mir ja auch häufig Gründe einfallen lassen, warum ich schon wieder Geld benötige. Das ich mein Geld verspielt habe, konnte ich natürlich nicht erzählen. Gibt der Gläubiger aus Freundlichkeit jedoch mehr als man verlangt, ist die große Gefahr da, dass alles wieder verspielt wird. Ich habe dann ja zum Beispiel 20 € über, die ich investieren könnte. Und siehe da, sobald die Spielhalle betreten ist, verliere ich wieder die Kontrolle. Auch die Ausreden warum ich am Anfang des nächsten Monats mein Versprechen nicht wahr mache, und das Geld zurück gebe, gingen mir nicht aus. Als Spieler muss ich den Rest des Monats sehr streng haushalten. Häufig war mein Traum für den nächsten Monat: Wenn das nächste Gehalt auf der Bank ist, haue ich mir mal den Kühlschrank so richtig voll, und gebe fünfzig Euro nur für Essen aus. Dazu kam es in meiner Zockerzeit nie. Es nützt auch gar nichts, wenn Verwandte zum Beispiel mit dem Zeigefinger wedeln, und denken mit viel Geld helfen zu können. Sie gleichen zum Beispiel das Girokonto in bester Absicht aus. In diesem Falle passiert folgendes:” Die finanziellen Waagschalen sind plötzlich wieder ausgeglichen, aber gerade diesen Zustand will der Zocker ja gar nicht haben. Es droht jetzt ein gleichförmiger Lebensabschnitt. Die Wellen sind zur Ruhe gekommen. Sie können sich das bildlich so vorstellen, als wenn ein Seemann nach langer Zeit zum ersten mal wieder Land betritt. Im wird schwindelig, und er möchte wieder auf sein Schiff zurück. Er wird also seinen Dispo wieder bis zum Anschlag bringen. Genau dasselbe gilt für den Fall, falls die Bank den Dispo in einen Kleinkredit umwandelt, und ihn so wieder “freischießt”. Geld sind für den Zocker nur Chips, oder Zahlen. Geld hatte für mich keine Bedeutung so lange ich zocken konnte.
Ich lebte also ständig hart am Limit. Für überraschende Extraausgaben war nie Geld vorhanden.

Zusammenfassung:
Der Gelegenheitsspieler geht in eine Spielbank, weil es für ihn ein Ereignis oder Erlebnis ist. Er plant ganz bewusst einen bestimmten Geldbetrag auszugeben, den er auch schon abgeschrieben hat.
Der Zocker betritt die Spielbank am Monatsanfang mit der fordergründigen Absicht Geld zu gewinnen. In Wirklichkeit (im tiefsten Inneren) betritt er sie, um sein ganzes Geld möglichst schnell zu verlieren. Das eigentliche Ziel ist für ihn, wieder einen ereignisreichen Monat zu haben. Natürlich sind es nur negative Thrills die er sich auf diese Art und Weise verschaffen kann.


Da ich jetzt meinen Grund kenne, habe ich es nicht mehr nötig in die Spielhalle zu gehen. Die großen Gefühle kann ich auch auf anderem Wege erreichen.
Es würde mich freuen, wenn ihr zu diesen Zeilen Stellung nehmen würden.

Viele Grüße
Holger

Gerri
20.10.2007, 12:14
Hallo Holger,
dein Beitrag ist nachzuvollziehen, wirft jedoch eine sehr wichtige Frage auf.
DIESE GEFÜHLE KANN ICH AUCH AUF ANDEREN WEG ERREICHEN.
Das zeigt das du diese Gefühle weiter haben willst. Dich nicht in ruhige Gewässer begeben willst.
Eine Alternative wäre natürlich mit Menschen spielen - deren Gefühlswelt ausprobieren - eben das Automatenspiel auf das Spiel mit Menschen umzuleiten.
Sicher suchst du den Reiz der Bewegung auch mit diesem Eintrag - ans Limit gehen - auch ans Limit der Mitspieler? Derer die die gleichen Suchterfahrungen haben wie du?
Nein, für mich geht es so nicht.
Was du tust hört sich nach Suchtverlagerung an - denn du möchtest ja weiterhin ans Limit -
und prüfe mal ganz für dich allein, ob du nicht mittlerweile ein Spiel mit den Menschen denen mit dem Automaten vorziehst.
Raus aus der Spielsucht ist mehr als weg von den Automaten - es ist die Neueinstellung von Geist und Körper - das werde dir bewußt.
Wünsche dir die nötige Einsicht.

Herzlichst Gerri

Gerri
20.10.2007, 13:38
Holger,
bitte sehe meinen Eintrag als das was er ist - als Frage an dich -
auf keinen Fall als Feststellung.
Danke

howi1111
20.10.2007, 19:28
Hallo Gerri!
Vielen Dank für Deinen Beitrag. Ich spiele wahnsinnig gerne mit Menschen, allerdings nur Gesellschaftsspiele. Ich möchte damit sagen, dass ich nicht mit Ihren Gefühlen spiele! Allerdings spiele ich solche Spiele schon seit frühester Kindheit. Schach zum Beispiel seit über 40 Jahren im Verein, und Bridge betreibe ich auch schon seit 20 Jahren in Klubs. Ich persönlich spiele diese Gesellschaftsspiele allerdings nie um Geld. Das wäre zum Beispiel beim Bridge in Deutschland auch verpöhnt. Vermutlich hat mein Spieltrieb vor 30 Jahren dazu geführt, dass ich zum Zocker geworden bin. In den letzten Jahren waren die "großen Gefühle" am Daddelautomaten allerdings gar nicht mehr so beeindruckend groß. Du mußt bedenken, dass ich über 30 Jahre gezockt habe. Dabei habe ich 250.000 € verspielt, was ungefähr einen Umsatz von 625.000 € entspricht. Deshalb schätze ich mal, dass ich in etwa 1.000 Mal die einhunderter Serie gehabt habe. Wenn ich in die Spielhalle ging, war es also etwas ganz alltägliches für mich solch eine Serie zu bekommen. deshalb war ich zum Schluss kaum noch aufgeregt, wenn eine solche Serie kam. Sie verlängerte sozusagen nur meinen Aufenthalt in der Spielhalle an diesem Tag.
Jetzt bin ich ein wenig von unserem Thema abgekommen. Ich halte Gesellschaftsspiele für ungefährlich, solange sie nicht um Geld gespielt werden. Es gibt zum Beispiel welche, die ihren ausschließlichen Reiz daraus ziehen, dass man sie um Geld spielt. Sie sind sonst langweilig. Diese Art von Spielen rühre ich aber nicht an.
Ich persönlich halte übrigens auch Spiele wie Monopoli für ungefährlich, auch wenn es viele Therapeuten, Psychologen etc. für schädlich halten. Da es sich hier zu über 95% um ein reines Glücksspiel handelt, spiele ich es dennoch nicht. Die Gefahr für mich rückfällig zu werden wäre ohne diese Gesellschaftspiele viel größer, denn ein bisschen Aufregung bedeutet auch Spass.
Ich würde mich freuen, wenn Du mir auch auf diese Einwürfe kritisch antwortest, denn nur so kann eine Diskussion zustande kommen.
Noch einmal vielen Dank für Deinen Beitrag
Viele Grüße
Holger

Sternchen
21.10.2007, 08:55
Hallo Holger,

mir geht es da ähnlich wie Gerri...ich hänge an dem Satz:
DIESE GEFÜHLE KANN ICH AUCH AUF ANDEREN WEG ERREICHEN.
fest.

Weisst Du, Du schreibst eine Riesenabhandlung zu Deinem Spielverhalten
und Dein Resumee ist genau diesen einen Satz lang....
Mir ist das zu schnell und zu wenig eigentlich.
Auch bin ich irritiert darüber, dass Du in 4 Sitzungen bei einem
Psychologen Deinen Grund für´s Spielen herausgefunden hast,-herausgefunden haben willst.

Es würde mich interessieren, wie Du Dir die grossen Gefühle wie Du es nennst , jetzt verschaffst.
Das müssen ja Wege oder Möglichkeiten sein, die Du vorher nicht hattest, denn sonst wärst Du ja auch nicht spielen gegangen.

Ich bin ein wenig skeptisch bei Deiner Erklärung für´s Spielen.....irgendwie genügt mir das so nicht....

Ich bin gespannt auf Deine Kicks, und wie Du sie Dir holst aber noch mehr würde mich interessieren, wie Du in Deinem Leben zur Ruhe kommst !!!!!!!!

Sternchen*

howi1111
21.10.2007, 15:07
Hallo Sternchen!
Vielen Dank für Deinen Beitrag.


Mein Resumee war eigentlich: Ich spiele, um möglichst schnell mein Geld zu verspielen (Mein wahrer Grund für meine "Leiden-schafft").

Du schreibst:
Mir ist das zu schnell und zu wenig eigentlich.

Bei diesem Satz weiss ich nicht worauf Du hinaus willst.
Die Wahrheit ist manchmal kurz und bündig.
Die Großen Gefühle beim Zocken, indem ich zum Beispiel eine hunderter Serie erreiche, haben sich durch die Wiederholungen auch abgenutzt. Siehe Antwort auf Gerry.

Du schreibst:
Auch bin ich irritiert darüber, dass Du in 4 Sitzungen bei einem
Psychologen Deinen Grund für´s Spielen herausgefunden hast,-herausgefunden haben willst.

Hier muss ich Dir noch ein wenig von meiner Vergangenheit berichten:
Ich habe 11 Jahre in einem Betrieb mit über 4.000 Mitarbeitern gearbeitet. Diese Firma war auch schon 75 Jahre auf dem Markt. Ich dachte, dies ist mein Job bis zur Rente. In diesen 11 Jahren habe ich von der Bank immer wieder einen höheren Dispo bekommen, oder es wurde mal wieder umgeschuldet. Das machte mir nichts aus, weil ich ja einen "sicheren Job" hatte. Im Jahr 2002 ging die Firma in Konkurs, und wurde abgewickelt. Plötzlich konnte ich weder meine Raten zurückzahlen, und natürlich mangels Masse auch nicht mehr zocken. Nach 18 Monaten wandelte sich das ALG I in ALG II um. Ich musste persönliche Insolvenz anmelden, und war noch ca. 18 weitere Monate arbeitslos. In diesen drei Jahren habe ich kaum noch gezockt, und dachte immer bei mir: Warum warst Du bloss in der Zeit wo Du noch viel Geld zur Verfügung gehabt hast so blöd, und hast alles verspielt?
Da ich nicht zu einer Lösung gekommen bin, war meine Sucht nur in einem "Schlummerzustand". Sobald ich wieder einen festen Arbeitsplatz hatte, wurde jeden Monatsanfang alles verzockt was ich erübrigen konnte. Das ging so noch ein Jahr. Immer wieder nahm ich mir vor: Bei meinem nächsten Monatsgehalt verzocke ich keinen einzigen Euro. Aber die guten Vorsätze gingen immer wieder den Bach runter. Selbstverständlich habe ich in diesem Jahr immer wieder überlegt warum ich mein Geld verzocke. Selbstständig bin ich aber nicht darauf gekommen. Gott sei Dank konnte ich durch meine Insolvenz nicht mehr Schulden aufnehmen, und habe ein Konto auf Guthaben Basis, sonst hätten sich meine Verbindlichkeiten wieder deutlich erhöht. Endlich war ich so weit, dass ich mit mir selbst folgende Abmachung getroffen habe: Wenn du nach dem nächsten Gehaltseingang noch einen Euro verspielst, gehst du zur Psychologischen Beratung. Und so kam es dann auch. In den ersten beiden Sitzungen habe ich ihm nur die Abläufe meiner Sucht geschildert. Er hat mir erzählt mit welchen 5 Methoden ich das Zocken vermeiden könnte. In dieser 2. Sitzung kam er aber nur bis zur vierten, und ich habe mir in der Woche überlegt, wie die fünfte aussehen könnte. Sollte ich vielleicht anfangen ein Kassenbuch zu führen? Gesagt, getan. Ich begann also mit den Aufzeichnungen. Das war für mich persönlich ein sicherer Weg einen Rückfall zu vermeiden, schließlich wollte ich nicht in mein "Tagebuch" eintragen: 20 Euro beim daddeln ausgegeben. Die fünfte Methode die er mir in der dritten Sitzung erklärt hat, war übrigens eine ganz andere. Das Jucken mit Geld in der Hosentasche hatte aber noch nicht aufgehört. In dieser Stunde kam mir plötzlich die "Erleuchtung" mit den großen Gefühlen. Darauf verschwand schon das Jucken fast völlig. Erst nach der 4. Stunde habe ich dann nach viel Überlegen den wirklich Grund warum ich spiele herausgefunden.

Du schreibst:
Es würde mich interessieren, wie Du Dir die grossen Gefühle wie Du es nennst , jetzt verschaffst.
Das müssen ja Wege oder Möglichkeiten sein, die Du vorher nicht hattest, denn sonst wärst Du ja auch nicht spielen gegangen.

Ich habe in meiner Zockerzeit immer nach dem großen Glück geschielt, und nicht gemerkt, dass ich es auf diesem Wege nicht erreichen kann. Das es die großen Gefühle und der Wunsch mein Geld schnell zu verspielen sind, die mich in die Spielhalle getrieben haben, hatte ich bis zu den Sitzungen ja nicht realisiert. Erst jetzt kann ich sie vielfälltig substituieren. Einen größeren Kick gibt es für mich schon, wenn ich zum Beispiel eine Lokalrunde schmeissen kann, oder ich jemanden zu etwas ganz besonderem einlade. Das alles konnte ich in meiner Zockerzeit nie. Wenn ich es einmal aus einem Anlass wollte (zum Beispiel Geburtstag), kam ich vor dem Einkauf an einer Spielhalle vorbei, und dann war das Geld wieder weg.
In geselliger Runde zu spielen (aber nicht um Geld!) ist für mich auch eine schöne Freizeitgestaltung, oder ich gehe meinen Hobbys wie auch schon früher nach.

Du schreibst:
Ich bin gespannt auf Deine Kicks, und wie Du sie Dir holst aber noch mehr würde mich interessieren, wie Du in Deinem Leben zur Ruhe kommst !!!!!!

Zu den Kicks habe ich Dir schon geschrieben, zur Ruhe kommen will ich gar nicht. Mir reicht es, wenn ich finanziell zur Ruhe komme. Das habe ich jetzt geschafft. Stelle Dir doch bitte einmal vor, wie fade das Leben ganz ohne Aufregung wäre. Es gibt Stress der krank macht (wie zum Beispiel beim zocken), es gibt aber auch positven Stress, der einen aufbaut und für ein langes Leben sorgt. Wenn Du zum Beispiel in einem tollen Team arbeitest, kommt auch da manchmal Stress auf, aber Du weisst, Dein Wissen wird in dieser Firma gebraucht. Kommst Du dann in den "Ruhestand", wirst Du nicht mehr viel von Deiner Rente haben, denn solche Leute sterben dann meist sehr schnell weil es um sie plötzlich zu ruhig geworden ist.
Die Hauptgefahr nach einer Therapie wieder rückfällig zu werden sehe ich genau in diesem Grund: Der Patient ist gänzlich zur Ruhe gekommen, und sehnt sich früher oder später nach etwas mehr Abwechslung im Leben. Also verfällt er wieder in seine alten Verhaltensmuster. Nur wenn er den Grund für sein Spielen gefunden hat, hat er seine Suche beendet, und damit stirbt auch der Spieltrieb ab.

Viele Grüße
Holger

mikesch
21.10.2007, 17:25
Hallo Howi1111,

Mein Resumee war eigentlich: Ich spiele, um möglichst schnell mein Geld zu verspielen (Mein wahrer Grund für meine "Leiden-schafft").

Genau das macht jeder süchtige Spieler - Spielen - um möglichst schnell sein Geld zu verspielen. Die eigentliche Frage nach dem Warum ist meines Erachtens damit nicht beantwortet.

Du schreibst:
Mir ist das zu schnell und zu wenig eigentlich.

Ich habe das gleiche Empfinden wie Sternchen dabei. Wenns so einfach wäre - dann wären wir alle nicht süchtig. Klasse Sache!

Zu den Kicks habe ich Dir schon geschrieben, zur Ruhe kommen will ich gar nicht. Mir reicht es, wenn ich finanziell zur Ruhe komme. Das habe ich jetzt geschafft. Stelle Dir doch bitte einmal vor, wie fade das Leben ganz ohne Aufregung wäre. Es gibt Stress der krank macht (wie zum Beispiel beim zocken), es gibt aber auch positven Stress, der einen aufbaut und für ein langes Leben sorgt. Wenn Du zum Beispiel in einem tollen Team arbeitest, kommt auch da manchmal Stress auf, aber Du weisst, Dein Wissen wird in dieser Firma gebraucht. Kommst Du dann in den "Ruhestand", wirst Du nicht mehr viel von Deiner Rente haben, denn solche Leute sterben dann meist sehr schnell weil es um sie plötzlich zu ruhig geworden ist.

Ein "ganz normales" Leben birgt Höhen und Tiefen. Gute und schlechte Gefühle. Ruhe und Aufregung. Regelmäßigkeit aber auch Abwechslung. Da muß ich doch nicht künstlich Kicks hervorrufen?!

Die Hauptgefahr nach einer Therapie wieder rückfällig zu werden sehe ich genau in diesem Grund: Der Patient ist gänzlich zur Ruhe gekommen, und sehnt sich früher oder später nach etwas mehr Abwechslung im Leben. Also verfällt er wieder in seine alten Verhaltensmuster. Nur wenn er den Grund für sein Spielen gefunden hat, hat er seine Suche beendet, und damit stirbt auch der Spieltrieb ab.

Kannst Du Dir vorstellen, dass es auch noch etwas anderes gibt?

Viele Grüße
Mikesch

lila
28.10.2007, 21:46
Hallo Zusammen,
eine Frage:
"Genau das macht jeder süchtige Spieler - Spielen - um möglichst schnell sein Geld zu verspielen. "
Kann mir das mal jemand bitte erklären? Ich bin Angehörige, spiele nicht selber. Mein Freund gibt leider nicht zu, dass er zur Zeit spielt ( die Schulden sprechen eine andere Sprache ).
Als wir über seine früheren Spielerzeiten gesprochen habe, sagte er genau dies. Er hat gespielt, damit sein Geld weg war und er sich selber damit wehtun konnte. Niemals um zu gewinnen. Aber: Macht das Sinn? Ich kann den Reiz nicht erkennen. Wenn ich mir z.B. ein neues Sofa kaufe habe ich vielleicht auch kein Geld mehr, aber zumindestens ein neues Sofa. Wenn ich gespielt habe, habe ich nichts... Nur Ärger. Wo ist denn da der Kick?
Lila

Cl@us
29.10.2007, 09:01
der Kick ist der Ärger

winnetou
29.10.2007, 09:24
Hallo lila,

ich versuche das mal mit meinen Worten und aus meiner heutigen Sicht zu erklären. Aber das kann bei Deinem Mann ganz anders sein, deswegen schreibe ich nur von mir.
Ich beschäftige mich seit 1996 (meiner ersten stationären Therapie) mit dem Thema Sucht. Seit 2000 hatte ich bisher 5 Spielrückfälle. Der Kick war nicht das sitzen vor dem Automaten, das empfand ich eher als langweilig. Ich wollte nur schnell das Geld loswerden um Probleme zu haben.
Vor etwa 2 Jahren in meiner ambulanten Therapie sagte meine Therapeutin ein Satz:“ In meinem Unterbewusstsein ist etwas, was mir verbietet glücklich zu sein“! Zudem Zeitpunkt hatte ich das nicht so richtig verstanden.

Dazu muss ich erwähnen dass ich mehrfach Süchtig bin. Wenn ich nicht gespielt habe, hab ich gesoffen oder wenn ich genug Geld hatte bin ich meiner Sexsucht nachgegangen. Das alles hat mir nie richtig Spaß gemacht, aber dadurch hatte ich natürlich immer viele Probleme. Und die Probleme zuhaben und nach und nach wieder zu lösen gab mir den Kick.
Wenn ich mir die letzten 25 Jahre anschaue spiegelt sich das in vielen Dingen wieder. Hier mal nur ein paar Beispiele:

-- ich habe bewusst 15 000 Dm Telefonrechnung verursacht(Flirtline), um hinterher das Problem zu spüren kein Anschluss mehr zu haben. Und dann das Problem zu lösen ergab den Kick.
-- Ich habe bewusst keine Bewerbungen geschrieben als Hartz 4 Empfänger, um hinter das Problem mit der Sachbearbeiterin zu haben und zu lösen.
-- Ich habe bewusst meine Musik in meiner Mietwohnung bis zum Anschlag gedreht, um hinterher das Problem mit Polizei und Vermieter zu spüren und zu lösen.
-- …………nur ein paar Beispiele.

In der letzten Zeit habe ich mal Analysiert womit das zusammenhängen könnte. Wenn ich mir meine Kindheit anschaue habe ich nichts anderes vorgelebt bekommen. Es gab ständig Streitereien und Probleme zwischen meinen Eltern. Und da ich nichts anderes erlebt habe ist es für mich normal. Auch Heute noch merke ich das wenn es mir gut geht, ich auf irgendeiner Art für Probleme Sorge. Ich bin zwar seit 1 Jahr wieder Spielfrei, aber ich Sorge immer wieder dafür dass ich Probleme habe.
Wie ich da nun rauskomme weiß ich noch nicht, aber dafür bin ich ja wieder in ambulanter Therapie.

Lieben Gruß
Jürgen

Gerri
29.10.2007, 11:46
Hallo Lila,
das mit den Kick wenn ich Geld verspielt habe - kann als langjähriger Spieler nicht sagen, das es sich bei mir so verhielt.
Viel mehr war es bei mir ein rauswollen aus dem täglichen Einerlei - abschalten . für sich sein - mechanisch was tun, ohne das sich Überlegungen einschalten. Diese kamen ja erst nach dem Spiel.
Nach dem Spiel - ich spürte Zorn in mir - auf mich selbst - meine Veranlagung viel Arbeitskraft in den Automaten zu investieren - immer und immer wieder.
Will jetzt nicht sagen, das ich in eine Art Sadismus verfiel als ich spielte.
Nein - ich ging voller Freude zum Spiel - konnte es kaum erwarten den ersten 5er reinzuwerfen - mit einer Tasse Kaffee - den dazu obligatorischen Glimmstengel - und das gefangen sein im Spiel - einfach nicht bewußt Existenz zu sein, nur damit beschäftigt die Töne der Automaten - das Laufen der Walzen zu sehen - scheinbar zu Spüren wann denn mal ein Gewinn kam - auch zu spüren wann man hochdrücken kann - wann nicht. Es dennoch zu tun, um zu überprüfen ob man falsch liegt. Spielwelt halt - sonst nichts.
Nicht im Bewußtsein was ich dadurch sozial für mich verursache, nicht bewußt das ich Liebe und eigene Existenz mitverspielte.
Natürlich war es mir nach dem Spiel klar - und sagte mir fast jedes mal, den Scheiß brauchst du nicht für dich - das ist doch was für Idioten.
Doch bald war ich wieder der Idiot - spielte - mit und ohne Spass.
Ein Kreislauf schier nicht zu durchbrechen.
Andere mögen andere Gründe haben - bei mir war es oberflächlich betrachtet der Spass am Spiel - das mich lange gefangen hielt und dafür sorgte, das ich auch Workaholic wurde - einfach um das Spiel weiter ausführen zu können.
Nein - ich hatte nicht das Verlangen mir Probleme zu schaffen. Die kamen zwangsläufig durch den Einsatz von viel Geld - was an anderer Stelle fehlte.
Ich habe mich gehasst dafür - habe geweint der Schwäche wegen - habe in meiner Verzweiflung Gott angeklagt - habe resigniert - bin wie ich bin - aber bin aufgewacht.
Der Kreislauf ist durchbrochen - durch Liebe die ich erfuhr - und ich meine speziell für mich Gottes Nähe und Hilfe zu spüren.
Es bewahrt mich nicht vor neuen Fehlern - aber in der Gesamtheit spüre ich ein Vorwärtskommen, ja, ich habe viel Zuwendung trotz meiner Sucht.
So kann ich Vertrauensvoll auf das Morgen schauen - falle ich, so stehe ich wieder auf.
Gefährde nicht mehr die eigene und andere Existienzen - und beginne mich selbst zu mögen.
Ich denke, das die Unfähigkeit sich selbst zu lieben - das Gefühl niemals geliebt worden zu sein - tiefe Enttäuschung im Kindesalter - unser Suchterlebnis geprägt haben. Einfach nur sein zu dürfen - sich verkriechen und verstecken in einer Scheinwelt , das ist für mich die Spielsucht.
Wir müssen uns bewußt werden, das es keinen Grund für uns gibt in einer Scheinwelt zu tauchen -müßen stolz auf uns werden . was bei einer Sucht recht schwer ist - und den festen Willen haben unsere Sucht zu beherrschen - dann wird es auch gelingen. Jeder Spieler hat diese Chance.
Zuversicht und Anerkennung braucht ein Suchtkranker - hat er das, wird der Weg in eine positive Zukunft führen.
Vorhaltungen treiben den Suchtkranken eher tiefer in sein Verhalten, dennoch muß ihn klargemacht werden, das man nicht bereit ist, seine Sucht mitzutragen.
Bereit ist zu helfen - wenn er sich selbst helfen will - und das nicht nur sagt, sondern auch handelt.
Konsequenz ist für einen Mitbetroffenen unumgänglich. Die Konsequenz das eigene Leben vorne an zu stellen - nur dann und dadurch ist Hilfe für einen Suchtbetroffenen möglich.
Er ist letztlich für sein Leben verantwortlich - allein - du für das Deine. Vergiß das nie - sonst tuts nur noch weh.

Herlichst Gerri

mikesch
29.10.2007, 19:30
Hallo Lila,

Deine Frage nach dem Kick trifft den Kern der Sache, würde ich mal sagen.

Ich möchte Dir von mir erzählen, was für mich die Erklärung war, warum ich spielte, über viele Jahre hinweg und nicht allein aus diesem Teufelskreis herauskam:

Am Anfang - und ich glaube das geht jedem so, wenn man die ersten Male spielt, dann ist es ein Spiel - nicht mehr. Entwickelt zur Sucht hat es sich erst so nach und nach - und irgendwann verselbstständigt.

Der Automat nahm mein Geld, er versprach mir die Aussicht auf Gewinn. Gewinn war gleichbedeutend für besiegen. Es war ein Kampf, den ich nur verlieren konnte, weil die Automaten nun mal so ausgerichtet sind. Weil ich immer verloren habe. Weil ich nichts anderes kannte als zu verlieren. Der Kampf ging in Sekunden hin und her. Der Automat vermittelte mir das Gefühl, ihn in jedem einzelnen Spiel besiegen zu können. Der Automat war ich, mich wollte ich besiegen.

Ich habe es schon einmal anders erklärt: In dem Moment, in dem ich die Halle betrat, gab' ich alle meine Gedanken, meine Gefühle, meine Probleme ab am Automaten wie an einer Garderobe. Mein Kopf war leer und die Konzentration war einzig und allein aufs Spielen gerichtet. Gewann ich tatsächlich mal, dann war es nur eine Verlängerung der Spielphase und der Auszeit, die ich mir damit verschaffte.

Warum waren mir diese Auszeiten so wichtig? Wichtiger als alles andere auf dieser Welt? Weil ich es nie kennenlernte, mit Gefühlen umzugehen. Weil ich lernte - von klein auf an - sie zu vergraben, sie nicht für andere sichtbar machen zu dürfen. Das ist jetzt nicht ganz richtig, richtiger ist: ich lernte es, die Gefühle zu zeigen, die andere von mir erwarteten und die wahren Dinge zu verheimlichen, zu verstecken.

Ein kleines Beispiel: meine Mama war sehr böse mit mir. Sie kam vom Einkauf zurück und hatte viele Tüten mit neuen Klamotten dabei. Jedes einzelne Teil zeigte sie mir und erwartete von mir, dass ich mich mit ihr freute. Soweit ich mich erinnere, habe ich das auch, allerdings wohl nicht genug nach ihrem Geschmack. Ich weiß noch, das sie mir eine weiße Bluse um die Ohren haute und mir vorwarf, ich wäre neidisch. (Viel später -letztes Jahr- habe ich erfahren, dass sie die Sachen von meinem Geld gekauft hatte - Geld, welches das Jugendamt für mich angespart und ihr zur Verfügung stellte, als sie das alleinige Sorgerecht für mich bekam.)

Ein weiteres Beispiel habe ich hier in meinem Beitrag "Zeitreise" beschrieben.

Ich möchte klar und deutlich zum Ausdruck bringen, dass ich meinen Eltern keine Schuld an meiner Spielsucht gebe. Sie haben im Rahmen ihrer Möglichkeiten gehandelt und mich erzogen.

Fakt ist, dass ich es erst jetzt lerne, wirklich zu leben mit allen Höhen und Tiefen meines Bewußtseins, ohne Versteckspiel, mit Vertrauen in mich selbst.

Marlies

andreasg
30.10.2007, 07:55
Hallo ihr Lieben,
Aufmerksamkeit. Bei mir gehr es darum aufzufallen. Raus aus der grauen Uniform. Wenn ich im Lauf des Spielens war, war ich auch wer. Sonst kam ich in meinem Leben gar nicht vor.
Wenn der Geldspielautomat vor deem ich saß bimmelte unt tutete bekam ich ja diese Aufmeksamkeit. Alles was sonst noch in der Halle rumstand blickte zu mir. "The Winner is ...."
Wenn ich zur Sparkasse ging und die von mir gefälschten Schecks (meiner Mutter) einlöste. bekam ich Aufmerksamkeit. Zur Legitiomation legte ich meinen Ausweis vor. Einmal wurde ich fast zurückgewiesen. Die Gültigkeitsdauer des Ausweises lief ab. Trotzem dekam ich das Geld. Und - ich bekam Adrianin ohne Ende! Keine Ahnung was mein Herz alles mit dem Blutdruck zu verarbeiten hatte. Mir ging es nur gut, wenn ich "unter Strom" stand. Das war mein Kick.
Claus schreibt: Kick = Ärger.
Im Sommer 1989 bekam ich aus einem Spielautomaten eine Gewinnserie, dessen Ausspielung satte 3 Stunden daiuerte. Damals der absolute Höchstgewinn!. Ich lieft jubelnd aus der Halle raus als der Kasten noch spielte, in die anderen Hallen rein (alle im Rotlichtviertel) und euphorisierte mein Glück. Steckte anschließend die Kohle ein, nonchalant ein Trinkgeld verabreichend und ging locker an der Sparkasse - Ich habe in dieser Situation habe ich das erste Mal den Schmerz des Spielens gespürt, als ich an dem Geldinstitut, an dem ich meinen Betrug vollzogen habe vorbei wollte. Es war wie ein heftiger Keulenschlag!.
Ich muße noch zwei Mal in den folgenden 4 Wochen in diese Sparkassenfiliale gehen.
Dann fand ich den Weg - über den Weg der Selbstanzeige (bei der Kripo) - in meine Selbsthilfegruppe.
Schöne 24 Stunden
Andreas

lila
31.10.2007, 19:25
Vielen Dank Euch allen!
Ich finde es toll, wie weit ihr mit Eurer Reflektion der Sucht gegenüber schon gekommen seid ( komischer Satz, aber ich kann es gerade nicht besser formulieren).
Leider ist mein Freund noch nicht im entferntesten so weit.
Als gestern ein Arbeitskollege ( den ich nicht kenne, kommt also nicht von mir )ihn aufs "Spielen" angesprochen hat, hat er anscheinend umgehend gekündigt. Wo er jetzt ist, kann ich nur vermuten...
Liebe Grüße
Lila

Princess
08.11.2007, 15:46
Hoch interessant, wirklich war. Ich kann so vieles von dem Geschriebenen nachvollziehen.

Der Threaderöffner schrieb: Wenn alles im Lot war, musste ich zocken gehen.

Das kenne ich sehr gut. Da kämpft man sich mit seinem Partner aus dem finanziellen und emotionalen Tief, das Konto ist einigermaßen schick, man könnte sogar was Schönes kaufen. Aber das war auf einmal nicht mehr attraktiv. Dann schlug der Spieldruck mit voller Kraft zu. Meistens geht es ja in die Hose, aber man fängt wieder von vorne an zu kämpfen. Alles auf Anfang. Nicht weiterentwickeln.

Ein anderer schrieb, es wäre die Lust am Spiel, das ausloten der Möglichkeiten, das überlegen von Strategien. Auch das kenne ich. Zu gut.

Nur der Wunsch zu verlieren, den hatte ich wirklich nie.

Man vergleicht die Wirkung des Adrenalins beim Spielen mit dem von Kokain. Das erklärt evtl. Außenstehenden diese Macht der Spielsucht. Es knallt einfach im Kopf. Und das möchte man immer wieder.

howi1111
10.11.2007, 12:07
Hallo Zusammen!
Vielen Dank für alle Beiträge zu meinem Thema. Schön das ihr Euch alle so geöffnet habt. Ich selbst hatte als Nachkömmling liebevolle Eltern, und eine vielleicht alzu behütete Kindheit. Zum Beispiel habe ich erst mit ca. 15 Jahren Taschengeld bekommen. Dies hat vermutlich dazu beigetragen, dass ich nicht gelernt habe mit Geld richtig umzugehen.

Ich möchte mein Thema jetzt nur noch einmal für Princess und Lila ergänzen, beziehungsweise abrunden:

Alle süchtigen Spieler haben mit Sicherheit zwei Eigenschaften:
Sie sind alle Optimisten, und Masochisten.

zu Optimisten:
Das erklärt sich glaube ich von selbst. Wenn ein Zocker regelmäßig jeden Monat sein Geld verspielt, und dann am nächsten Ersten wieder die Spielhalle betritt (mit der Begründung: Heute habe ich Glück!) muss ein wahrer Optimist sein.

Zu Masochisten:
Ich möchte das Motto einer großen Fussballlegende einmal aufgreifen:
"Nach dem Spiel ist vor dem Spiel". Das gilt auch für den Zocker.

Nachdem ich mein Geld an den Automaten für diesen Monat verspielt hatte, war das "kleine Spiel" für diesen Monat abgeschlossen. Als kleines Spiel bezeichne ich einmal das verspielen von meinem Geld.

Danach folgte das "große Spiel". Ich verweise hier auf den Beitrag von Jürgen und AndreasG, die auf anschauliche Art und Weise beschrieben haben, was so alles in einem Zockerleben passieren kann.
Ich nenne es das grosse Spiel, weil sich für den Rest des Monats der "Spieleinsatz" deutlich erhöht. Dementsprechend ist der Kick natürlich auch bedeutend höher. Ich kann mir also in dieser Phase deutlich mehr Schmerzen zufügen.
Das liegt an folgendem: Ich spiele nun mit gewachsenen Beziehungen zu Menschen. Diese habe ich mir über die Jahre aufgebaut. Die Frage lautet also für den nassen Spieler: Wie weit kann ich gehen, bevor die Bezugsperson die Beziehung abbricht? Wenn sie dabei tolleriert ,dass das Girokonto ständig am Dispolimit liegt, dann wird die Grenze weiter gezogen. Zum Beispiel: Ich verkaufe unser gemeinsames Auto um weiter zocken zu können (selbstverständlich ohne die Einverständniserklärung vom Lebenspartner).
Wenn die Ehefrau ihn darauf hin aus dem Haus schmeißt, und ich als Obdachloser am Ende unter der Brücke schlafen muss, auch das ist eine Grenzerfahrung und verspricht "große Gefühle", viel größere als ich in der Spielhalle je erreichen könnte.
Das einzige Problem dabei ist folgendes: Nachdem ich unter der Brücke schlafe habe ich wirklich alles verloren. Nicht nur das Geld, sondern auch meine sämtlichen Freunde und Bekannte. Das schlimme daran ist, dass es dann ganz schwierig ist aus dieser Situation heraus zu kommen, und wieder ein soziales Netz aufzubauen, durch das ich gerade gefallen bin. Selbst ich als Nichttrinker würde wahrscheinlich in diesem Falle zur Flasche greifen, mich selbst bedauern, und meine Lebenserwartung würde jeden Monat um ein Jahr sinken.

Angehörige tun also dem Spielsüchtigen keinen Gefallen wenn sie nachsichtig sind, und immer wieder "die Grenzen" in Bezug auf Geld verschieben. Hier greifen nur radikale Lösungen. Spontan fällt mir folgender Vorschlag ein:
Die Ehefrau vereinbahrt mit dem spielsüchtigen Ehemann, dass sie zukünftig nur noch ein Konto haben werden, auf dem nur sie die Berechtigung zum Abheben hat. Sein Gehalt wandert auch auf ihr Konto. Er erhält von Ihr ein wöchentliches Taschengeld von zum Beispiel 25 €. Über dieses Geld kann er dann wirklich völlig frei verfügen. Wahrscheinlich wird er es jeden Montag sofort in der Spielhalle verballern. Wichtig ist die wöchentliche Auszahlung, denn dann hat er eine kürzere Wartezeit "bis zum nächsten Schuß".
Alle anderen Ausgaben müssen dann aber von dem Konto der Ehefrau bestritten werden. Sollte er einmal tanken müssen, bekommt er mit dem Beleg die Auslagen zurück erstattet.
Der einzige Nachteil bei diesem Weg ist, dass die Ehefrau unter Umständen denkt, sie hätte jetzt ein neues Kind das nie richtig erwachsen wird. Sehen Sie bitte darüber hinweg. Sie haben immer noch ein Kind mit "Schulter zum Anlehnen".

Das liegt daran, weil ein Zocker eines wirklich gelernt hat. Das ist verlieren zu können. Ein guter Verlierer hat den Vorteil nicht um jeden Preis gewinnen zu müssen. Er ist in der Regel auch ein guter Zuhöhrer und ohne Geld in der Regel ein friedlicher Zeitgenosse.

Liebe Grüße
Holger