Eins vorweg. Ich wollte dich in keinster Weise angreifen. Jeder hat seinen Weg um mit seiner Krankheit fertig zu werden. Und jeder, ob er es nun geschafft hat oder erkannt hat etwas zu tun, verdient mehr als meinen Respekt. Ich mag nur den Begriff "Schuld" nicht in diesem Zusammenhang. Ich kann mich nur all zu gut an meine Gefühle während meiner nassen Phase erinnern. Schließlich hat sie mit kleinen Unterbrechungen über 20 Jahre gedauert:) Zwei Gefühle waren übermächtig. Schlechtes Gewissen und Schuld. Dieses Gefühl, an allem Schuld zu haben, hat mich auch sehr oft wieder zurück zur Flasche oder zum Spielen gebracht. (Ich bin Alkoholiker und Spielsüchtig) Wie oft hatte ich kurze trockene Phasen in meinem Leben. Dann hatte ich wieder etwas aufgebaut und bin rückfällig geworden. Da habe ich mir natürlich immer die Schuld gegeben. Ich war dann für mich selbst der größte Versager der rumläuft. Nur, in dieser Zeit hatte ich noch kein Mittel in der Hand. Ich hatte noch nicht akzeptiert, dass ich krank bin und das man eine Krankheit behandeln kann. Leider ist Sucht nicht heilbar, aber durch Abstinenz kann die Krankheit gestoppt werden. Sie schreitet dann nicht fort. Aber sie ist da!! Als ich das irgendwann erkannt hatte( ich hatte therapeutische und Gruppen Hilfe)wurde manches leichter für mich. Ich brauche kein schlechtes Gewissen zu haben oder mich schuldig zu fühlen. Und zu schämen brauche ich mich erst recht nicht. Auch nicht wegen eines Rückfalls. Aber, jetzt greift der Begriff "Verantwortung". Wenn ich weiß, das ich eine sehr, sehr ernste Krankheit in mir trage, sollte ich alles tun um deren Ausbruch zu verhindern. D.h. für mich, nachdem ich meine Krankheit als solches akzeptiert hatte, hatte ich ein Mittel in der Hand. Erst von da an war ich in der Lage Verantwortung zu übernehmen. Ich vergleiche das gerne mit einer schweren Zuckerkrankheit. Wenn ein Zuckerkranker vergisst Insulin zu spritzen kann er sterben.(er muss aber erst wissen, dass er Zuckerkrank ist) Wenn ich vergesse, dass ich suchtkrank bin, kann ich sterben. Ich stehe nun in Verantwortung mir gegenüber. Aber, um diese Verantwortung übernehmen zu können, musste erst ein neues Bewußtsein geweckt werden. Ein Bewußtsein für meine Krankheit. Mir persönlich ist es immer lieber, wenn wir sagen "Verantwortung" und nicht "Schuld". Keiner wird absichtlich krank und keiner wird absichtlich Rückfällig. Er hat nur nicht genug auf sich aufgepasst. Das ist nicht seine Schuld. Das Unterbewußtsein hat ihm einen Streich gespielt. Aber, er kann noch lernen, mehr Verantwortung für sich zu übernehmen.
Das Bewußtsein schärfen. Das Bewußtsein für die Krankheit. Aber, letztendlich ist es egal, wie ein Mensch mit seiner Krankheit umgeht. Hauptsache, er lässt sich nicht von ihr besiegen. Wenn jemand zu mir sagt, er hätte 10 Jahre gesoffen oder gespielt, und ist jetzt 5 Tage trocken, dann ziehe ich meinen Hut. Jeder trockene Tag ist eine echte Leistung und verdient den allergrößten Respekt. Und wenn er nach 5 Tagen rückfällig wird, so waren doch diese 5 Tage ein Geschenk. Und vielleicht sind es das nächstemal 14 Tage. Und wenn er sich vielleicht irgendwann nicht mehr schuldig fühlt, für seine Krankheit, ist Platz für positive Gefühle. Schuld und schlechtes Gewissen sind negative Gefühle. Sie beeinträchtigen die Genesung. So sehe ich das. Und wie alles in diesem Forum, ist das subjektiv. Heute bleibe ich trocken,
viele liebe Grüße (natürlich an alle)
Rolf