Da ist ein Küken, welches ganz vorsichtig von innen an die Schale pocht. Und plötzlich bricht die Schale auf, mein Gott ist das hell, das blendet so, schnell wieder zurück ins Ei. Aber irgendwie ist das auch sehr schön, denkt sich das kleine Küken, so was habe ich ja noch nie gesehen, war da nicht noch viel mehr? Da will ich doch noch mal schauen, und ganz langsam, ganz vorsichtig werde ich mal meinen Kopf rausstrecken. Sehr zögerlich streckt das Küken nun sein Köpfchen durch das noch sehr kleine Loch in der Schale und ist überwältigt von der Schönheit und der Pracht, alles ist hell, so voller Leben, nicht wie in der engen, dunklen Eierschale, nein, es ist ganz anders.

Aber, was erwartet mich da draussen, denkt sich das kleine Küken? In meinem Ei war ich sicher, noch könnte ich zurück, nur? Ich sehe doch dann immer das helle Licht durch das Loch über meinem Köpfchen und ich weiss doch wie schön es da draussen ist, aber ich habe doch auch noch Angst, was soll ich nur machen. Vielleicht wartet da ja auch Böses auf mich und ich weiss doch gar nicht wie ich mich wehren soll, wer soll mir das denn beibringen? Das kleine Küken hat so viele Fragen, es fühlt sich allein und manchmal sehr hilflos und da ist trotz allem dieser unbändige Wunsch, ich will raus, ich weiss doch wie schön es da ist. Was soll ich nur machen? Und das kleine Küken lehnt sich zurück in sein Ei und fängt an zu weinen, Tränen der Trauer, des Schmerzes, es tut weh.

Doch plötzlich hört das kleine Küken ein Pochen an seinem Ei. Erst ganz leise, sehr zaghaft, aber es hört nicht auf. Was ist das, denkt sich das kleine Küken. Ob ich mal nachsehe? Warum nicht, notfalls kann ich ja ganz schnell wieder in mein Ei verschwinden, also schaue ich mal ganz vorsichtig durch das kleine Loch über meinem Köpfchen. So streckt das kleine Küken ganz, ganz vorsichtig sein Köpfchen durch das kleine Loch über seinen Kopf.

Da sieht das kleine Küken zwei ganz grosse Hühner stehen und ist sehr erschrocken. Ui, sind die aber gross und warum pochen die dauernd an mein Ei? Wer sind die? Und was können die bloss von mir wollen? Und eines von den grossen Hühnern kommt ganz nah an das kleine Küken heran. Da ist das kleine Küken sehr erschrocken und will sofort wieder ins Ei zurück. Aber dieses grosse Huhn wirkt so vertrauensvoll, so ruhig und es spricht mit zärtlicher Stimme, na mein kleiner, da bist du ja, es ist schön das du da bist. Magst du nicht noch ein bisschen mehr aus deinem Ei rauskommen, damit ich dich mal richtig sehen kann?

Würde ich ja ganz gerne, denkt sich das kleine Küken, aber in meinem Ei ist Schutz und Wärme, was weiss ich denn ob der mich nicht nach kurzem hallo wieder alleine lässt. Und wer ist dieses andere grosse Huhn, oje nun kommt das auch immer näher. Noch kann ich zurück in mein Ei, aber will ich das überhaupt? Irgendwie mag ich diese beiden grossen Hühner, vielleicht wollen die mir ja helfen mit all dieser Schönheit und Helligkeit um mich herum fertig zu werden. Vielleicht kann ich ja ganz viel lernen. Aber ich habe doch auch Angst, ach, was soll ich nur machen. Und das kleine Küken lehnt sich zurück in sein Ei und fängt wieder an zu weinen. Tränen der Trauer und des Schmerzes.

Doch, auf einmal denkt sich das kleine Küken, wenn die beiden grossen Hühner mir vielleicht Hilfestellung geben können um mit all der Schönheit und der Helligkeit fertig zu werden, vielleicht tun sie das dann auch wenn ich mit Schlechtem, Bösem fertig werden muss. Ja, denkt sich das kleine Küken, das ist ja auch wichtig, denn wenn ich das Schöne sehen will, werde ich auch das Schlechte sehen müssen. Denn das gehört auch zum Leben. Ich glaube ich kann es wagen, ich kann ja ganz langsam gehen, so schnell wie die beiden Grossen kann ich ja auch noch nicht, aber ich habe ja Zeit. Und was entgeht mir alles wenn ich in meinem Ei hocken bleibe. Nein, nein ich komme mal zu euch raus. Aber wenn die mich nun doch alleine lassen, da draussen in der Welt, ich habe dann kein Ei mehr wo ich mich verstecken könnte, ach was soll ich nur machen? Und das kleine Küken lehnt sich in sein Ei und fängt an zu weinen, Tränen der Trauer und des Schmerzes.

Aber genau in diesem Moment pocht es schon wieder an seinem Ei, von zwei Seiten. Und auch das andere grosse Huhn spricht nun....komm raus mein Kleiner, wir passen auf dich auf, du hast Zeit, du darfst langsam wachsen , komm näher, sei zuversichtlich, wir werden da sein, wir begleiten dich, bis du irgendwann alleine gehen kannst. Meint ihr das wirklich ehrlich fragte das kleine Küken, doch es fühlte bei seinen Worten, das war eine dumme Frage, das muss ich wohl selber herausfinden. Aber dazu muss ich aus meinem Ei raus. Ich wage es, es scheint in Ordnung zu sein.

Und das kleine Küken stemmt sich mit aller Kraft von innen gegen sein Ei, die dicke Schale fängt an zu zerbrechen und da ist es nun draussen. Noch sehr unsicher, ängstlich voller Scheu.
Doch die beiden grossen Hühner nehmen das kleine Küken in die Mitte und fangen ganz langsam an mit ihm spazieren zu gehen. Sie zeigen dem kleinen Küken etwas von der Welt da draussen. Sie erklären dem kleinen Küken die Dinge, sie haben Geduld. Und das kleine Küken staunt und ist wie benommen von soviel Leben um sich herum.

Das kleine Küken ist mittlerweile etwas grösser geworden. Bei einem gemeinsamen Spaziergang mit den beiden grossen Hühnern fiel ihm eine Frage ein: Hört mal ihr beiden, als ich damals nicht aus meinem Ei wollte und soviel Angst hatte, dass ihr mich vielleicht alleine lasst in der Welt, die ich überhaupt noch nicht kannte, da habt ihr gesagt, wir lassen dich nicht allein mein Kleiner, du brauchst keine Angst zu haben. Und nun möchte ich mal wissen, warum habt ihr mich nicht alleine gelassen, ich habe ja auch sehr viele Dummheiten gemacht auf meinem Weg, Vielleicht ist meine Frage dumm, aber könnt ihr mir eine Antwort geben?

Das werden wir gerne machen, sagen die beiden Grossen Hühner, aber erst merke dir. es gibt keine dummen Fragen, mein Kleiner, und dabei schmunzelt das eine grosse Huhn, und sagt, ich sehe gerade, so klein bist du gar nicht mehr, du bist ganz schön gewachsen. Aber nun zu deiner Frage.

Wir haben dir damals, als du nicht aus deinem Ei wolltest gesagt, wir lassen dich nicht alleine. Das stimmt. Und du hast auch Dummheiten gemacht, das ist auch richtig. Aber, mein kleines Huhn, was tust du heute? Denk mal drüber nach und vielleicht kannst du dir deine Frage dann selber beantworten.

Und das kleine Huhn fing an nachzudenken. Es fing an zu begreifen, zu fühlen. Was mache ich heute? Ich helfe anderen kleinen Küken beim schlüpfen, ich sage ihnen, he mein kleiner, komm raus, brauchst nicht soviel Angst zu haben, ich lasse dich nicht alleine. Wir haben Zeit, du darfst langsam wachsen, komm nur raus aus deinem Ei. Und das kleine Huhn lehnt sich zurück, schliesst seine Augen und weiß die Antwort auf seine Frage. Ja, deshalb habt ihr mich nicht alleine gelassen, ihr habt mehr gesehen als ich. Ihr habt die Liebe in mir gesehen und ihr wusstet wie viele kleine Küken Hilfe beim schlüpfen brauchen. Und das könnt ihr nicht alles alleine schaffen, denn es gibt wirklich sehr, sehr viele kleine Küken, die Unterstützung brauchen. Ich glaube, dann sucht ihr euch von Zeit zu Zeit ein kleines Küken aus um auch mal Unterstützung zu bekommen.

Ich glaube die Antwort nun zu kennen. Ich war es immer schon wert, das ihr mich nicht alleine gelassen habt. Ihr habt mehr gesehen als ich, damals, als ich nicht aus meinem Ei wollte. Ja, ich glaube wirklich die Antwort zu kennen.

Und das kleine Huhn lehnt sich zurück. Es schliesst seine Augen und fängt an zu weinen. Tränen des Glücks und der Freude.


Unglaublich, es ist zu lang für mein Forum. Aber hier ist ja auch eins, viele Grüße, Rolf