Lieber Rudi!

Vielen Dank für Deine immer wieder schnellen und ehrlichen Antworten. Es tut so gut zu wissen, dass es jemand gibt, bei dem ich das Gefühl habe, er nimmt mich zu 100% ernst. Schließlich ist es ernst. Eine Frage habe ich vorweg: Ist das Schreiben in diesem Forum für Dich auch ein Mittel, mit Deiner Sucht umzugehen? Du setzt Dich schließlich ständig und immer wieder damit auseinander. Ich finde das sehr bemerkenswert.

ich möchte heute das "Pferd von hinten aufzäumen". Es freut mich, dass Du auf jeden Fall nicht in die Arbeitslosigkeit fallen wirst und vielleicht sogar die Chance bekommst, einige Kollegen mitzunehmen. Für diesen Weg wünsche ich Dir schonmal alles Gute und sehr viel Erfolg! Dass es für Dich sehr hart war, diese Hiobsbotschaft zu überbringen, kann ich sehr gut nachvollziehen. Die Idee mit dem persönlichen Kontakt hatte ich auch schon, vielleicht klappt es ja irgendwann.

Der Abend seines Umtrunks endete dann wirklich nicht so toll. Er kam morgens nachhause und war ziemlich agressiv und laut. Aber es legte sich zum Glück sehr schnell und wir redeten. Er entschuldigte sich mehrfach und ich glaube, es tat ihm wirklich leid. Aber ich glaube auch, dass sein Kampf für ihn wesentlich härter ist, als er sich selbst eingestehen mag oder kann. Dass er gar nicht mehr ans Zocken denkt, nehme ich ihm einfach nicht ab. Ich denke, dieser Kapf mit sich selbst, brach nach diesem Abend in dieser Form aus. Aber jedenfalls hat er es geschafft, trotzdem nicht zu spielen. Dass das nicht leicht für ihn sein wird, ist mir immer vollkommen bewusst gewesen und glaube mir, dass ich nicht in der Illusion lebe, es wird nie wieder vorkommen.
Ich glaube an ihn, verschließe aber nicht meine Augen vor der Realität. Ich glaube, eine gewisse Sensibilität dafür entwickelt zu haben, wann er nicht ganz ehrlich ist- vor allem zu sich selbst. Er hat für sich eine Art Schutzwall aufgebaut, die für ihn negativen Dinge des Alltags, nicht an sich heranzulassen. Das klappt allerdings nicht sehr gut, die Niedergeschlagenheit kommt häufig einige Tage, manchmal auch Wochen später. Aber ich glaube, er weiss, dass ich es sehe und er versucht nicht mehr, seine Fassade zwingend aufrecht zu erhalten. Damit ist er nun schon ein ganzes Stück weiter.
Ich ziehe meine Kraft nicht allein aus der Liebe zu ihm. Dann läge ich wahrscheinlich schon selbst am Boden. Es gibt viele andere Dinge, die ich tu oder habe, die mich etwas standfester machen, wenn der Sturm mal heftiger weht. Natürlich bin ich auch nur ein Mensch und manchmal verzweifelt, doch der Sinn zur Realität, zeigt mir immer wieder Wege auf, Lösungen zu finden, so hatte ich zum Glück nie das Gefühl, vor einer Wand zu stehen, über die ich nicht klettern kann. Außerdem tut auch er vieles für mich: er hilft im Haushalt, nach einem anstrengenden Arbeitstag massiert er meinen Rücken, bringt meine Kids gelegentlich zur Schule, .... Er ist sich gar nicht darüber bewusst, dass er sehr viel macht, was mir viel bedeutet. Warum ich gerade ihn will. Er sagt immer, irgendwann finde ich einen besseren. Für mich ist er der Beste. Das fällt ihm sehr schwer zu glauben.

Wir haben das Wochenende auch wieder zusammen gearbeitet und sind dann gestern danach noch zusammen etwas trinken gegangen. Das war schön und hat auch mir gutgetan, mal wieder raus zukommen. Die Müdikgkeit heute, und dass die Wäsche noch einen Tag warten muss, war es absolut wert.
Am Samtag hat er in seiner Mittagspause den Brief an Dich gelesen. Ich habe direkt gemerkt, dass ihn etwas sehr bewegte, als er zurückkam. Ich habe auch genau das vermutet. Gestern sagte er mir dann, dass er den Beitrag gelesen hätte und er es wahnsinnig schön findet, wie sehr ich hinter ihm stehe. Er hätte nicht geglaubt, dass es mir so ernst ist. Aber wie sollte er auch an andere glauben und dass er für sie viel bedeutet, wenn er selbst nicht an sich glaubt. Der einzige Bereich, wo er von sich überzeugt ist, ist seine Arbeit. So musste er heute schmunzeln, als er Deinen Brief, den ich ausgedruckt neben meinem Bett liegen hatte, las und auf den Satz stieß: "Bin in meinem Job gut, vielleicht auch besser..."
Heute musste er seine Wohnung abgeben, nachdem er es Samstag wieder verschwitzt (ich würde eher sagen verdrängt) hatte. Ich glaube schon, dass ihm das sehr nah gegangen ist, auch wenn er es nicht so zeigt.

Eines kommt mir allerdings etwas merkwürdig vor. Als ich ihm sagte, dass ich Mittwoch gerne mitgehen würde, sagte er das ginge nicht so einfach, er müsste dann Frau A. nochmal anrufen. Dabei war es doch seine Idee und Frau A. hatte angeblich auch gefragt, ob seine Partnerin mal mitkommt. Da weiss ich momentan nicht was ich denken soll.
Aber vielleicht ist es doch nur meine Skepsis, die mich manchmal zweifeln lässt.

Wünsche Dir alles Gute und hoffe bald von Dir zu lesen.

Liebe Grüße, Mai-Lee