Hallo!

Mein Freund ist auch spielsüchtig, und je mehr ich die Beiträge von Angehörigen und Spielern lese, umso mehr finde ich sein und mein eigenes Verhalten darin wieder.

Er spielt jetzt seit gut 2 Jahren. Am Anfang habe ich es nicht gewusst. Habe mich natürlich gewundert, dass er sich so verändert. Wir hatten damals nur noch Streit. Er hat mich ständig belogen und betrogen und in jeder Hinsicht hintergangen. Das war (und ist) nicht mehr der Mensch, in den ich mich einmal verliebt habe. Aber ich liebe ihn trotzdem und wir sind jetzt etwas mehr als 3 Jahre zusammen.

Als ich dann langsam dahinter gekommen bin, dass das Spielen ihn zu so einem -tschuldigung- Arschloch gemacht hat, war ich regelrecht erleichtert. Er war nicht wirklich so, es gab eine logische Erklärung und etwas wogegen man ankämpfen konnte. Ganz so einfach war es leider nicht...

Erschwerend waren dabei natürlich die äußeren Umstände. Ich werde nächsten Monat 18, er ist 21. Wir haben zusammen eine 2-jährige Tochter. Mein Freund hat zwar immer bei uns geschlafen, er fühlt sich hier jedoch nicht wohl, da mein Vater ihn nicht ankzeptiert und wir nie ungestört und wie eine Familie zusammen leben können. Nächsten Monat wollen wir dies nun ändern und in unsere eigene Wohnung ziehen. Im Moment ist jedoch alles so durcheinander, dass ich bezweifle, dass wir gemeinsam einziehen.

Seit ich weiß, dass er spielsüchtig ist, hab ich immer verwucht ihm zu helfen. Am Anfang wahrscheinlich nicht besonders gut. Ich habe ihm oft eine Szene gemacht, wenn er Geld verspielt hat, das eigentlich für etwas anderes gedacht war. Danach ist er natürlich erst Recht weggefahren. Meine Vorwürfe haben seine Schuldgefühle nur noch verschlimmert. Mit der Zeit bin ich etwas abgehärtet (wenn man das so überhaupt sagen kann). Ich frage zwar immernoch nach, wenn etwas nicht zusammenpasst, aber ich habe es aufgegeben, mich darüber aufzuregen. Ich nehme es hin und versuche zu retten, was zu retten ist.

Zeitweise hat er es ganz gut im Griff gehabt, aber genau das ist ja das tückische an dieser Sucht. Hat er gerade gespielt, ist er plötzlich wieder (fast) normal. Ein liebevoller Freund und Vater - der Mann, den ich liebe. Wir verbringen dann ein paar wunderschöne Tage, ich fange an, mir wieder Hoffnungen zu machen, ihm wieder mehr zu vertrauen... Und dann kommt der nächste Schlag. Er wird wieder nervös, denkt an nichts anderes, ist aggressiv und streitsüchtig. Wenn es dann zum Streit kommt, fährt er so schnell es geht ins Casino zu seinen Automaten und "seinen Freunden". Die Leute dort müssen wirklich unheimlich nett sein...

Er hat mit dem Spielen schon sehr viel kaputt gemacht. Schulden hat er bei der Bank, bei mir, bei meiner Mutter (die im Moment mehr oder weniger sein Geld verwaltet, damit er wenigstens die Rechnungen bezahlen kann) und immer mal wieder bei verschiedenen Leuten. Um diese Schulden bei Bekannten aus dem Spielcasino zu begleichen, leiht er sich bei anderen Bekannten und kommt so natürlich auch nicht weiter. Er hat sich nach einem Autounfall bei der Bank Geld für ein neues Auto geliehen, dieses jedoch komplett verspielt. Oder er hat meine Bankkarte genommen und mit meinem Geld gespielt. Mittlerweile habe ich jedoch sowieso eine neue Karte, von der er den PIN nicht weiß und auch nicht erfahren wird.

Auf der Arbeit läuft es natürlich für ihn auch nicht mehr so gut. Er ist schön öfter zu spät gekommen, weil er die ganze Nacht im Casino verbracht hat. Er ist dann auch oft tagelang kaum etwas und trinkt literweise Kaffee und Red Bull o.ä. Magenkrämpfe sind natürlich die Folge... Da er vorher eine Lehre abgebrochen hat, ist er jetzt noch in der Ausbildung. Daher verdient er sowieso nicht sooo viel und er muss sehr große Strecken fahren, um auf die Berufsschule und Handwerkskammer gehen zu können. Der Großteil des Geldes geht also schon fürs Tanken drauf, meist verspielt er aber auch davon einen Teil, sodass meine Mutter ihm dann wieder etwas leiht, damit er nicht noch seinen Ausbildungsplatz verliert.

Zuerst hat er es mit einem Gespräch bei der Caritas versucht. Die haben ihm dort seltsamerweise versucht einzureden, er sei nicht spielsüchtig, sondern laufe vor seinen Problemen weg. Letzteres ist sicherlich ein Zeichen der Spielsucht (habe mittlerweile ja auch schon sehr viel über die Krankheit gelesen), aber spielsüchtig ist er auf jeden Fall! Er hat es dann wieder alleine versucht - es hat natürlich nicht geklappt. Dann haben wirn uns um einen Termin bei einem Psychologen bemüht. Fehlanzeige, weil diese alle ein halbes Jahr Wartezeit haben oder erst gar nicht zurückrufen. Jetzt hat er bei der Caritas einen Antrag auf eine stationäre Therapie gestellt. Meiner Meinung nach das einzig Richtige für ihn. Allerdings hat er den Bogen, den der Hausarzt ausfüllen muss, erst nicht dorthin gebracht, weil er die 10 Euro Praxisgebühr vom letzten Arzttermin noch nicht bezahlte hatte (sondern natürlich verspielt). Als der Fragebogen dann endlich beim Arzt war, war dieser in Urlaub. Daher ist der Antrag jetzt immernoch nicht weg, obwohl das Gespräch bei der Caritas schon 4 Wochen oder noch länger her ist. Es wird dann außerdem noch weiter 2 Monate dauern, bis der Antrag durch ist und er in die Klinik kann. Dort wird er voraussichtlich 3 Monate bleiben müssen...

Das schlimme, wenn man mit einem Spielsüchtigen zusammen ist, ist das ständige hoch udn runter. Es ist wie Achterbahn fahren. Erst ist wieder alles prima, man kann miteinander reden, schöpft neue Hoffnung, dass er es doch schafft und endlich alles wieder normal ist. Ich mache dann jedes Mal den gleichen Fehler, dass ich anfange zu planen. Was machen wir heute Abend, was machen wir morgen usw. Die Kleine freut sich ja auch, wenn ihr Papa kommt. Er bleibt jedoch immer nur ein paar Tage so. Dann fährt er z.B. nur schnell in die Videothek einen Film ausleihen oder nur mal eben Zigaretten holen o.ä. und kommt nicht mehr zurück. Das ist das schlimme, wenn man zu Hause sitzt und wartet, dass das "kurz" vorübergeht und er wiederkommt, aber er kommt und kommt nicht. Ich kann die SMS nicht mehr zählen, die ich in solchen Situationen schon abgeschickt habe - Antworten bekomme ich jedoch meist keine... Wenn ich anrufe, ist er entweder total patzig und beschuldigt mich noch, oder er legt gleich auf, macht das Handy aus.

Dann kommt noch dazu, dass man alles abkriegt. Er hat mir schon so oft gesagt, dass er sich von mir trennen will, damit ich mir nicht so viele Sorgen machen muss. Aber ich brauche ihn und ich mache mir auch so Sorgen. Ich will ihn nicht verlieren und er liebt mich doch auch! Außerdem sagt er solche Sachen immer nur, wenn er gerade am spielen bzw. kurz davor ist. Er will dann doch eigentlich nur weg, damit er ungestört spielen kann. Das hat aber doch mit unserer Beziehung nichts zu tun. In den anderen Phasen nach dem Spielen verspricht er mir immer das Gegenteil "wir bleiben zusammen, wir schaffen das...". Einmal, als wieder mal "alles schief ging", hat er deswegen mit mir Schluss gemacht!! Aber er sagt nie, dass es wegen dem Spielen ist. Wie alle Spieler, ist er im Lügen und Schauspielern perfekt. Angeblich sind wir einfach zu verschieden und streiten uns deswegen so oft usw. Und ich falle jedes Mal wieder drauf rein. Suche die Fehler bei mir, denke drüber nach, was ich in unserer Beziehung falsch gemacht habe. Klar ist nicht immer alles prima gewesen, aber unsere Streits, die nicht das Spielen als Thema oder zumindest als (Hinter)Grund haben, sind eigentlich immer noch im Rahmen des Normalen.

Am Schwesten ist es für mich, dass ich nie weiß, ob er nun wirklich so ist, sich also bewusst so verhält, oder ob er (bewusst oder unbewusst) durch das Spielen bzw. die Sucht danach so ist. Ich kann ihn nicht mehr einschätzen und ich kann ihm nicht mehr vertrauen. Ich versuche ihm beizustehen, für ihn dazusein, mit ihm zu reden - meistens macht er jedoch dicht, ist wie besessen oder total zurückgezogen.

Im Moment habe ich ihn schon seit Tagen nicht mehr gesehen. Er ist wieder voll in der Sucht gefangen. Habe das Gefühl, dass ich ihm total egal bin. Maile ihm, dass er doch bitte kommen soll, weil ich ihn so vermisse usw., aber er kommt nicht. Gestern hat er unsere Tochter abgeholt und mit ihr den Nachmittag verbracht. Warum nicht auch mit mir? Warum lässt ihn das so kalt? Will er wirklich Schluss machen? Ich will das aber nicht. Die 2 Monate bis zur Klinik sollten wir auch noch schaffen. Ich will nicht einfach kalt gestellt werden. Er sagt dann immer, er muss erst sein Leben in den Griff kriegen. Aber wenn er in der Klinik ist, können wir ja sowieso nicht zusammen sein. Dafür braucht er sich doch nicht von mir zu trennen! Ich habe nix gesagt, als er gestern hier war. Wollte, dass er mal den ersten Schritt macht und mir zeigt, dass ihm noch was an mir liegt. Es kam nix. Er hat mich angeguckt (oder auch nicht) und ist dann wieder gefahren. Jetzt ist er schon so weit, dass er nach einer Spielphase noch nicht mal mehr versucht zur Normalität und zu mir zurückzukehren. Oder war diese Phase vielleicht noch gar nicht vorbei? Oder ist er wirklich so und will nichts mehr von mir wissen bzw. erst "wenn er sein Leben wieder im Griff hat"? Ich weiß nicht mehr, wie ich darauf reagieren soll. Es tut so weh, wenn der Mensch, den man liebt, einen wie der letzte Dreck behandelt! Meist kommt er ja nach den paar Tagen zocken zu mir/uns und tut so, als wäre er nur mal eben Zigaretten holen gewesen. Wenn ich ihn darauf anspreche und frage, ob er das für normal hält, wird er sofort aggressiv und ist schneller wieder weg, als ich gucken kann. Aber soll ich denn sein Verhalten immer einfach so hinnehmen mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass es nach der Klinik bestimmt besser wird? Und soll ich es akzeptieren, wenn er "mal wieder" mit mir Schluss machen will, mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass er bestimmt wieder zu mir zurückkommt, wenn er erst mal in der Klinik war? Aber wer sagt mir denn, dass das auch wirklich so ist?

Das Problem ist ganz einfach, dass ich ihn liebe, auch wenn er sich mir gegenüber so verhält!! Ich will auch nicht, dass diese Sucht auch noch unsere Beziehung zerstört, nachdem wir schon so viel zusammen geschafft haben! Ich brauche ihn - aber braucht er mich auch?!

Wahrscheinlich gibt es sowieso keine Antwort auf diese Fragen und es wird sich alles erst mit der Zeit zeigen. Ich wünsche mir nur, dass er später nicht sagen muss, ich habe nicht nur mein Geld, sondern auch meine Beziehung verspielt...