Mensch, Monika,

von deiner Geschichte kenne ich ja einiges - aber wenn ich solche Dinge von anderen lese, scheint es mir immer schlimmer als die eigene Situation zu sein. Komisch.

Du hast dir deine Entscheidung gut überlegt und bist dir heute sicher, das richtige getan zu haben. Das ist gut so. Dahin möchte ich auch kommen.
Mir sicher zu sein, ist sehr schwer.
Ich bin mir nur sicher in dem , was ich nicht will:
- meine Grenzen nicht mehr verletzt sehen
- mich nicht mehr zufrieden zu geben mit einem Leben, das
mich unglücklich macht
- nicht mehr auf Geborgenheit, Vertrauen und Liebe ver-
zichten
- nicht mehr coabhängig sein
- keine festgefahrenen Sichtweisen mehr pflegen, auch wenn
sie Orientierung und vordergründigen Halt versprechen...

Es gibt viel zu tun für mich. Und es passiert auch ohne mich eine Menge.
Die letzten Wochen waren sehr anstrengend und von einem ständigen emotionalen Auf und Ab begleitet.
Immer wieder Hoffnung, dass es bei ihm Klick macht, dann wieder Zweifel und Misstrauen, wie er seine Worte denn meint.
Eure Deutungen seiner Worte und Taten hier im Forum haben mich immer wieder misstrauisch gemacht, wenn ich schon wieder kurz davor war, ihm zu glauben, mich einlullen zu lassen von seinem Zerknirschtsein, seinen Beteuerungen.
Aber ich merkte, ich muss mich auf mich, meinen Bauch verlassen. Der hat mich noch nie betrogen.
Ich wusste und weiß immer, wenn Fred mich anlügt, Mist baut, weglaufen will. Das spüre ich, er hats nur nie von selbst zugegeben.
Da war es wie bei dir, Monika. Er hat immer gewartet, bis alles eindeutig bewiesen war, vorher kam gar nichts von ihm, nur Lügen. Und das war das Schlimmste an dieser Ehe, der ewige Kampf, das hat mich zermürbt.
Damit ist Schluss, ich kämpfe nicht mehr, ich lasse kämpfen.
Ich lehne mich zurück und höre mir an, was er sagt und schaue zu, was er tut.
Ist es für mich inakzeptabel, stehen seine Koffer vor der Tür.
Gibt es Anzeichen für einen Umschwung, haben wir Chancen. Ich wünsche mir gerade jetzt, diese Ehe weiterführen zu können.
Warum? Weil ich weiß, dass wir ohne sein Suchtverhalten (das hatte er nicht, als wir uns kennenlernten) eine tolle Gemeinschaft bilden, und die findet man nicht an jeder Straßenecke. Dass es sich lohnen kann.
Er hat (trotz eurer Vorbehalte, aber ich sehe und höre ihn, wenn er erzählt) doch einiges begriffen, was er jahrelang negiert hat. Inzwischen spricht er ´freiwillig` mit mir, aus eigenem Antrieb.
Er erzählt, ohne dass ich frage. Dinge, die ihn negativ darstehen lassen, ohne zu beschönigen. Antwortet auf Fragen ohne Agressionen. Gibt zu, immer seine Wünsche sofort erfüllt haben zu wollen, gibt den Frust zu, wenn er sich `abgeschoben` fühlt und sich betäuben will, gibt zu immer weggelaufen zu sein vor Problemen, sich betäubt zu haben. Gibt seine Feigheit zu, seine Hilflosigkeit.
Legt sich `Notfallprogramme` zurecht, um gewappnet zu sein für Spieldruck und Beziehungsfrust.
Lässt die Hosen herunter.
Und: natürlich hat er Ziele. Die meint er auch ernst. Aber realistisch ist auch, dass man rückfallgefährdet ist, auch wenn man sich das nicht explizit vornimmt oder gar damit spielt...also kann man auch ruhig sagen, dass Fehler weiterhin passieren können, auch wenn man alles daran setzen will, sie zu vermeiden, bessere Strategien zu finden.
Alles andere wäre Heuchelei.
Als Hintertür würde ich das nicht bezeichnen. Ich nehme ihm für den Moment (!!) ab, dass er seine Worte ernst meint, wie er sie umsetzt, werde ich sehen.
Momentan ist er wie gesagt sehr offen und bemüht, wir sprechen wieder miteinander und mir wird auch meine eigene Rolle immer klarer.
Natürlich habe ich unbewusst sein Verhalten unterstützt. Natürlich unternimmt man alles, um den Parter zu unterstützen, ihm bei der Bewältigung von Problemen zu helfen. Warum sonst hätte man ein Lebensbündnis geschlossen....? Dass diese Dinge einseitig passieren und nicht viel zurückkommt, dass die Hilfe nichts bringt und die Liebe vertrocknet, merkte auch ich.....viel zu spät. Wie wohl alle Angehörigen.
Aber so wie ich mein Verhalten nicht einfach ausschalten kann, kann auch Fred nicht einfach den Schalter umlegen.
Die Einsicht muss zuerst im Kopf erfolgen und da ist er auf einem guten Weg, denke ich. Ich weiß, ihr denkt, es sind alles nur hohle Worte, nicht ernstgemeint und allzuleicht umkehrbar, aber ich nehme ihn ernst. Tatsächlich. Selbst wenn er die Neustrukturierung nicht schafft, den Willen spüre ich.
Er war noch nie so offen, hat noch nie zugegeben, immer der große Zampano sein zu wollen, bloss keine Schwächen zugeben zu können und zu seinen Gefühlen ein gestörtes Verhältnis zu haben....etc.etc.etc.
Da kommt eine Menge. Er merkt, dass es mir ernst ist, dass ich die Ehe beende, wenn er nicht sofort und umfassend agiert....und das bringt selbst jemanden wie Fred zum überlegen. Und zu der Erkenntnis, dass er sein bisheriges Leben vergeudet hat, auf meine Kosten, auf seine Kosten,
auf Kosten seiner Eltern und Geschwister usw.

Monika, du schreibst:
"....Aber es gab eben diese Sucht. Kein Mensch käme auf die Idee, dass ein Junkie seiner Partnerin zuliebe auf Heroin verzichtet. Der Antrieb aufzuhören, muss ein anderer sein.... "
Eben, genauso ist das! Mein Mann hat mir erzählt, wie man sich als Süchtiger Spieler fühlt, diese Angst vor dem Nachhausekommen....die Unsicherheit, welche Lüge hat man letztes Mal erzählt und was soll man heute sagen?...diese Kopfschmerzen...Sorgen....das schlechte Gewissen...die Einsamkeit...die Hoffnungslosigkeit usw.
Klingt grausam. Aber es muss wohl erst so furchtbar werden, dass es zum Aufhören und Lebenändern reicht.
Als ich mit Fred über die `Affaire` sprach, hat er gesagt, dass er sich zurückgesetzt gefühlt habe, ich hätte ihn ja an nichts mehr teilnehmen lassen, er wäre so verzweifelt gewesen und habe gedacht, dass er mir nichts mehr bedeute. Dabei war mein Distanzhalten nur Selbstschutz.
Es hat ihn fertiggemacht, sagt er.
Und die Wärme und Zuwendung zurückzuweisen, die ihm da auf einmal geboten wurde, dazu hatte er nicht den Willen und nicht die Kraft.
Er hätte sich aber schnell entschlossen, die Beziehung nicht zu intensivieren, um mich nicht zu verlieren. Sagt er.

Glaube ich ihm?
Ich weiß es nicht.
Das ist so ein Punkt, da bin ich sehr unsicher. Er ist ein normaler Mann, ich kenne ihn, und ob er so reagieren kann, wenn sich ihm nach jahrelanger Abstinenz eine solche Gelegenheit bietet..? Da denke ich wie du, Nimitz.
Er hat mir auch erzählt, dass er diese Dinge alle so irrsinnig auffällig gemacht hat, um erwischt zu werden. Damit ich endlich begreife, dass er nicht mehr kann, es nicht mehr aushält...nicht umsonst wäre er nächtelang weggeblieben, hätte so blödsinnige Lügen erzählt, die auffliegen müssen.
Als Hilfeschrei sozusagen.
Über meine Reaktion war er sehr erschrocken. Ich glaube, er hielt mich für so überlegen und stark, dass er mir gar nicht mehr wehtun könne. Mein Zusammenbruch kam für ihn (man glaubt es kaum) vollkommen unerwartet.
Aber er hat einiges wachgerüttelt, bei ihm und auch bei mir. Meine Therapie geht gut voran und ich bin gespannt, was ich noch alles an alten , verkrusteten Verhaltensweisen und Komplexen aufdecken und ändern und somit mein Leben positiv beeinflussen kann.
Sehr gespannt.
Heide