Hallo Gerri,
ich finde es schön zu lesen, dass du dich von dem, was ich schrieb, hast anrühren oder besser noch, hast berühren lassen.
Vielleicht liegt darin ja der größte Lohn für Deine bisherige Auseinandersetzung mit Deiner Glücksspielsucht. Denn über den Weg „Glücksspielsucht“ und die darin gebundene Themen bist du mit einem zentralen Bedürfnis, das übrigens für uns alle sehr bedeutsam ist, nämlich dem Bedürfnis für jemanden wichtig zu sein, wieder in Kontakt gekommen.
Du wählst dafür treffende Metapher die „Nr. 1“ sein zu wollen.
Gesehen zu werden ist ein elementares Anliegen aller Menschen. Wir alle wollen uns in den Augen von uns geschätzten und geliebten Menschen gespiegelt sehen, für sie wichtig und wertvoll sein.
Wenn dieses Bedürfnis - aus welchen Gründen auch immer - nicht oder nicht angemessen befriedigt wurde z.B. von den Eltern, dann entsteht daraus bei uns allen eine starke Kränkung, an der wir nicht selten auch im Erwachsenenalter noch „kranken“ bzw. leiden. Manchmal ist der Blick der Eltern z.B. durch die Krankheit eines Kindes (Deiner Schwester) so fixiert, dass für die anderen Kinder kaum mehr Aufmerksamkeit bleibt.
Du schreibst, dass Du den Auslöser Deiner Sucht bisher nicht erkannt hast. Ich weiß gar nicht, ob es einen solchen überhaupt gibt. Es sind eher viele einzelne Erlebnisse u. Kränkungserfahrungen, die uns manchmal dann in unserem Leben diesen „Umweg der Sucht“ gehen lassen. Wir wollen im Leben gesehen werden. Mit unseren Schwächen, aber vor allem auch mit unseren Stärken.
Und eine Deiner Stärken, wenn auch aus der Not geboren, ist Deine Fähigkeit, Dich gut in die Gefühle andere Menschen hineinversetzten zu können und Dich also von ihrem Schicksal anrühren zu lassen. Entsprechend sind dann auch die Beiträge, die Du schreibst. Die meisten User fühlen sich von Dir verstanden, weil Sie sich von Dir gesehen fühlen. Und schon das ist oft im ersten Moment sehr heilsam. (Das funktioniert eben auch auf schriftlichem Weg). Letztlich ist dies ja auch ein starker Wirkfaktor in Selbsthilfegruppen.
Apropos gesehen werden: Bei Dir glaube ich, könnte es wichtig sein, dass Du lernst, Dich selber mehr mit etwas gütigeren Augen anzusehen.
Dass Du also für Dich selbst die Nummer Eins wirst! Vielleicht liegt darin die Aufgabe, die es für Dich zu lösen gilt, und zu der Dich die Spielsucht, eben auf besagtem Umweg, führen will.
Im Umkehrschluss würde das bedeuten, je mehr Du Dich selber als Nr.1 liebevoll in den Blick nimmst, desto sichere bist Du vor weitern Rückfällen in die Glücksspielsucht geschützt.
„Ziegenbock“ beschreibt es in anderen Worten ähnlich. Die eigenen Gefühle und Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellen, heißt nicht automatisch egoistisch zu sein, sondern in erster Linie bedeutet es, die eigenen Grenzen besser zu achten. Klar gehört dazu dann auch dazu eine gewisse Bereitschaft, Konflikte einzugehen und um eigene Positionen deutlich zu machen. Meiner Erfahrung nach achten Menschen, die die eigenen Grenzen kennen, auch die von anderen Menschen dann besser.
Auch ich danke Dir für Deine Offenheit Gerri und natürlich Dir Ziegenbock.
Mit lieben Grüßen
Verena