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Thema: Was wäre, wenn ich nicht spielsüchtig wäre....Gedanken eines Spielers

Hybrid-Darstellung

  1. #1
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    Standard AW: Was wäre, wenn ich nicht spielsüchtig wäre....Gedanken eines Spielers

    Hallo Gerri,

    ich finde es schön zu lesen, dass du dich von dem, was ich schrieb, hast anrühren oder besser noch, hast berühren lassen.
    Vielleicht liegt darin ja der größte Lohn für Deine bisherige Auseinandersetzung mit Deiner Glücksspielsucht. Denn über den Weg „Glücksspielsucht“ und die darin gebundene Themen bist du mit einem zentralen Bedürfnis, das übrigens für uns alle sehr bedeutsam ist, nämlich dem Bedürfnis für jemanden wichtig zu sein, wieder in Kontakt gekommen.
    Du wählst dafür treffende Metapher die „Nr. 1“ sein zu wollen.
    Gesehen zu werden ist ein elementares Anliegen aller Menschen. Wir alle wollen uns in den Augen von uns geschätzten und geliebten Menschen gespiegelt sehen, für sie wichtig und wertvoll sein.
    Wenn dieses Bedürfnis - aus welchen Gründen auch immer - nicht oder nicht angemessen befriedigt wurde z.B. von den Eltern, dann entsteht daraus bei uns allen eine starke Kränkung, an der wir nicht selten auch im Erwachsenenalter noch „kranken“ bzw. leiden. Manchmal ist der Blick der Eltern z.B. durch die Krankheit eines Kindes (Deiner Schwester) so fixiert, dass für die anderen Kinder kaum mehr Aufmerksamkeit bleibt.
    Du schreibst, dass Du den Auslöser Deiner Sucht bisher nicht erkannt hast. Ich weiß gar nicht, ob es einen solchen überhaupt gibt. Es sind eher viele einzelne Erlebnisse u. Kränkungserfahrungen, die uns manchmal dann in unserem Leben diesen „Umweg der Sucht“ gehen lassen. Wir wollen im Leben gesehen werden. Mit unseren Schwächen, aber vor allem auch mit unseren Stärken.
    Und eine Deiner Stärken, wenn auch aus der Not geboren, ist Deine Fähigkeit, Dich gut in die Gefühle andere Menschen hineinversetzten zu können und Dich also von ihrem Schicksal anrühren zu lassen. Entsprechend sind dann auch die Beiträge, die Du schreibst. Die meisten User fühlen sich von Dir verstanden, weil Sie sich von Dir gesehen fühlen. Und schon das ist oft im ersten Moment sehr heilsam. (Das funktioniert eben auch auf schriftlichem Weg). Letztlich ist dies ja auch ein starker Wirkfaktor in Selbsthilfegruppen.
    Apropos gesehen werden: Bei Dir glaube ich, könnte es wichtig sein, dass Du lernst, Dich selber mehr mit etwas gütigeren Augen anzusehen.
    Dass Du also für Dich selbst die Nummer Eins wirst! Vielleicht liegt darin die Aufgabe, die es für Dich zu lösen gilt, und zu der Dich die Spielsucht, eben auf besagtem Umweg, führen will.
    Im Umkehrschluss würde das bedeuten, je mehr Du Dich selber als Nr.1 liebevoll in den Blick nimmst, desto sichere bist Du vor weitern Rückfällen in die Glücksspielsucht geschützt.
    „Ziegenbock“ beschreibt es in anderen Worten ähnlich. Die eigenen Gefühle und Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellen, heißt nicht automatisch egoistisch zu sein, sondern in erster Linie bedeutet es, die eigenen Grenzen besser zu achten. Klar gehört dazu dann auch dazu eine gewisse Bereitschaft, Konflikte einzugehen und um eigene Positionen deutlich zu machen. Meiner Erfahrung nach achten Menschen, die die eigenen Grenzen kennen, auch die von anderen Menschen dann besser.

    Auch ich danke Dir für Deine Offenheit Gerri und natürlich Dir Ziegenbock.

    Mit lieben Grüßen
    Verena

  2. #2
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    Standard AW: Was wäre, wenn ich nicht spielsüchtig wäre....Gedanken eines Spielers

    Liebe Verena,
    vieles, was du mir zu sagen hattest, hat mich zum Denken gebracht - und auch zu der Einsicht, das ich in der Art mir meiner Spielsucht umzugehen einiges verbessern kann.
    Irgendwie fühlt man sich als Spielsüchtiger als jemand, der Menschen die ihn sehr nahe stehen sehr verletzt hat. Das ist auch nicht verkehrt. Was verkehrt daran ist ist in Schuldgefühlen zu ersticken.
    Was unsere Angehörigen erwarten, ist, das wir wieder frei leben - ohne Schuldgefühle - aber natürlich mit der inneren Vorgabe niemals wieder so verletzend und Vertrauenszerstörend zu sein, wie wir waren.
    Unabhängig davon ob wirklich ein Rückfall geschieht oder nicht - vielmehr ist maßgebend wie wir mit erneuten - ich sage mal Nachlässigkeiten in unserer Arbeit an unserer Suchterkrankung umgehen.
    Das heißt nicht einen Rückfall in alten Verhaltensformen. Keine Lügen - kein verheimlichen.
    Ich litt sehr unter meinen "Versagen", bin aber auch ein wenig mit neuem Stolz erfüllt, gelernt zu haben. Gelernt zu den Dingen zu stehen - ehrlich zu sein - und somit weit weniger verletzend für meinen Partner.
    Wir haben zusammen geweint - und gehen doch gestärkt aus der ganzen Situation heraus. Die Seele ist frei durchs Gespräch - frei vom Schuldbewußtsein.
    Richtig erkannt empfinde ich von dir,mich ,für mich selbst .mehr in den Mittelpunkt zu stellen - ob ich das vermag - kann ich noch nicht beantworten.
    Es war schon so, das ich eigene Bedürfnisse stets hinten anstellte - denn vieles schien mir wichtiger als ich selbt.
    In Kindheit die Familie - wohl anerzogen - sehr früh mitgearbeitet - denn Vater war krank - und das Geld chronisch knapp. Mit 10 Nachts Zeitungen tragen - mit 12 zusätzlich an der Tankstelle Autos waschen.
    Mit zunehmenden Alter wurde mir klar, das mein Vater zwar krank - aber auch chronisch faul war. Und Mutter mußte ich unterstützen - sie hatte es ja sehr schwer.
    Als ich meine erste Frau kennenlernte , lebte sie in einer desolaten sozialen Situation. Erst wollte ich nur helfen - später wurde ein Kind daraus und ich konnte mich der Verantwortung nicht entziehen.
    Wir gingen ihre Alkoholsucht an - sie wurde trocken -und irgendwie fühlten wir - oder vielleicht auch nur ich - uns als Gewinner.
    Gewinnen konnten wir leider dann nicht den Kampf gegen ihre Leukämie.
    Natürlich hattten wir Hoffnung - die stirbt zuletzt.
    Der Professor sagte mir damals längstens noch zwei Jahre. Meine Gefühle kann ich nicht wiedergeben - habe versucht da zu sein - für sie - für unseren Jungen...und konnte nur verlieren.
    Bei der Beerdigung wollte ich Trost .. wollte meine Eltern .. wolllte-brauchte Menschen...
    Meine Vater kam --für zwei Stunden,,,
    Es sind Erlebnisse, die wie gestern oft noch meine Gefühle aufreissen - auch wenn ich jetzt in einer wirklich guten Beziehung lebe.
    Eine Frau, die weiß was sie will - aber deren Gefühle und Liebe zu mir ich jeden Tag spüren darf.
    Warum erzähle ich das alles...weil ich über deine Worte nachdachte .
    Nein, ich selbst stand in meinen Leben nie für mich in den Mittelpunkt.
    Danke für deine Hilfe Verena- sie war sicher größer als du glaubst - und auch dir Ziege - den ich als einen sehr einfühlsamen Mensch sehr schätze - trotz unterschiedlichen Auffassungen.
    Wünsche Euch allen
    Frohe Ostertage
    Euer Gerri

  3. #3
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    Standard Was wäre, wenn ich nicht spielsüchtig wäre....Gedanken eines Spielers

    Liebe Verena, lieber Gerri, lieber Ziegenbock,

    ich habe Eure Beiträge sehr aufmerksam gelesen und auch mich haben sie sehr zum Nachdenken gebracht. In der kleinen Gerri-Gruppe, die in der Forumlosen Zeit gegründet wurde, habe ich mich anfangs sehr engagiert und später immer mehr und mehr zurückgezogen. Ich konnte nicht erklären, warum es so war und denke jetzt, daß ich dank Euren Beiträgen der Sache etwas näher gekommen bin.
    Auch ich habe mich in den letzten Jahren nie um mich selbst gekümmert, sondern mich immer aufopferungsvoll um die Probleme von Freunden, habe versucht zu machen und zu tun und zu helfen, wo ich nur konnte, denn ich hatte mein Leben ja sowieso nicht im Griff.....
    Zu Beginn meiner Spielfreiheit, die jetzt fast 7 Monate dauert (auch wenn Gerri da anderer Meinung ist), hatte ich angefangen, mich an die erste Stelle zu setzen, aber ich habe jetzt festgestellt, das das wieder nachgelassen hat. Ich denke mehr darüber nach, was ich anderen Gutes tun kann, als zu überlegen, was ich mir Gutes tun könnte. Das ist FALSCH !
    Desweiteren habe ich feststellen müssen, daß ich in der Vergangenheit eigentlich nie groß über etwas nachgedacht habe, bevor ich es getan habe und war immer sehr stolz auf meine eigene "Spontanität". Mittlerweile hat sich das etwas geändert, mein Kopf arbeitet viel mehr mit und das verwirrt mich sehr, denn Sachen, die ich früher nur mit dem Herzen oder dem Bauch entschieden habe, werden jetzt nochmal über den Kopf geführt und schon habe ich teilweise ein Problem. Gegen das Spielen ist es gut, denn früher habe ich Bock gehabt, zocken zu gehen, habe nicht nachgedacht, sondern bin einfach gegangen. Wenn ich Heute dieses oder ein ähnliches Gefühl bekomme, denke ich auch darüber nach und kann mich so selbst davon abbringen. Der Kopf hat also sowohl Nach- als auch Vorteile. (lächel)

    Die Nachteile liegen z.B. da, das ich eine Frau kennengelernt habe, die ich wirklich mag und sie mich auch - früher wäre ich in die Beziehung gesprungen, mit Anlauf und gestreckten Beinen. Heute aber gehen mir sehr viele Sachen durch den Kopf, ob das alles auch so richtig ist und natürlich auch wg. der letzten in die Brüche gegangenen Beziehung..... Keine Angst, ich werde das Thema jetzt nicht auf die Beziehung münzen, ich wollte einfach nur sagen, daß meine Vorgehensweise vor der Handlung sich einfach geändert hat und ich damit noch nicht wirklich gut umgehen kann, aber wenn ich mich jetzt noch an oberste Stelle setze, dann wird es damit vielleicht auch besser.

    Das ist sicherlich auch ein Grund, warum ich mich in der letzten Zeit nicht mehr so rege mit Beiträgen beteiligt habe. Früher habe ich gelesen, etwas empfunden und dann schriftlich reagiert. Heute denke ich mehr darüber nach und verkneife mir dann vielleicht doch den einen oder anderen Beitrag.
    ( Gerri - ich hoffe, Du siehst mir diese Veränderungen nach und verstehst meinen Rückzug aus der Gruppe jetzt vielleicht etwas besser - ich konnte es bisher einfach nicht erklären, was mit mir passierte bzw. noch passiert )

    Übrigens, am Wochenende werde ich mein Buch zum Abschluss bringen - drückt mir doch einfach mal die Daumen, das ich danach einen Verlag finde, der mein Buch druckt, ansonsten gehe ich halt über BoD.

    Schöne Ostern und viele Grüße und danke, das ihr mir auf Eure Weise wieder etwas mehr Klarheit verschafft habt.
    Maik

  4. #4
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    Standard AW: Was wäre, wenn ich nicht spielsüchtig wäre....Gedanken eines Spielers

    This Time Lyrics
    by The Verve

    Lookin' back on my life
    You know that all I see
    Are things I could of changed
    I should have done
    Where did the good times go?
    Good times so hard to hold
    This time, this time
    This time I'm gonna find

    Lookin' back on my life
    You know that all I see
    Are things I could of changed
    I could have done
    No time for sad lament
    A wasted life is bitter spent

    So rise into the light
    In or out of time
    Gonna rise straight through the light
    In or out of time

    Woke up one other day
    The pain won't go away
    I am growing
    In peculiar ways
    Into a light I pass
    Another dream, another trance
    This time, this time
    This time I'm gonna rise into the light
    In or out of time

    Gonna find my way in life
    In or out of sight
    I'm still seeing things in black and white
    Gonna rise straight into the light
    In or out of sight

    I'm gonna see the light
    I'm gonna see the light
    I'm gonna see the light

    'Cause I know there is time
    There is time
    There is time
    There is time
    There is time
    There is time
    There is time
    There is time
    This time, this time
    This time, this time
    This time, this time
    This time, this time

    Hallo Ihr Lieben,
    wie einige von Euch wissen, lese ich permanent Songtexte, Gedichte und Geschichten und heute möchte ich auch selber nicht viele Worte verlieren - nur soviel, dass ich Euch allen wünsche, Euer Leben und diese Geschichten darin annehmen zu können - denn das ist unsere eigentliche Aufgabe.

    Mein guter alter Freund Richard Ashcroft animiert mich mit diesem Text, aufzustehen und das Licht des Lebens zu sehen - es ist Zeit dafür, eine bessere wird es wohl nicht dafür geben.
    Viel Kraft auf Euren Wegen
    und ein schönes Osterfest
    wünscht
    der Ziegenbock
    Roman

  5. #5
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    Standard AW: Was wäre, wenn ich nicht spielsüchtig wäre....Gedanken eines Spielers

    Hallo Maik , hallo Ziegenbock,
    ich trage bestimmt niemanden nach, das er aus der kleinen Gruppe ausgeschieden ist.
    So neu ist das für mich alles gar nicht - habe ich doch selbst diese Art Fahrstuhl selbst bei mir verspürt. Nur es ist schon länger her - und man vergißt da schon gerne - besonders wenn man es für sich selbst als Fehler erkannt hat.
    Das sich bewegen von einem Extrem in das Gegenteilige - mal unglaublich an seine Sucht zu arbeiten - und dann am liebsten nichts davon hören wollen.
    Ja, das verstehe ich.
    Aber was geschieht da mit uns ?
    Für mich habe ich da einige Gedanken aufgestellt.
    Irgendwo war mal eine Situation in unser Leben, die uns sehr beeindruckt hat - die uns vermutlich entschieden umgeworfen hat. Aber wir sind aufgestanden - haben uns nicht unterkriegen lassen - nichts in der Welt kann einen Maik - einen Ziegenbock - oder auch einen Gerri dauerhaft umwerfen.
    Wir fanden einen Weg aufzustehen - und bedienten uns dabei einer Krücke - wie schon von Verena passend beschrieben - unserer Spielsucht.
    Vielleicht auch mit Hilfe dieser Krücke gelang es uns fortan ein für uns akzeptables Leben zu führen. ( Bitte nicht vergessen - ich denke nur laut - und stelle nicht den Anspruch auf Richtigkeit).
    Ich denke auch - zumindest auf mich trifft es zu, das es Jahre gab in der aktiven Spielphase, die uns sehr gefielen - irgendwo fühlte ich mich lange Zeit mit meiner Sucht wohl.
    Irgendwann begriff ich, wie sehr diese Spielsucht mein Leben bestimmt - das ein für mich "normales" Leben irgendwie nicht machbar schien.
    Nahm meine Sucht in beiden Händen - nahm viel Kraft und wollte sie einfach fortblasen - steigerte dabei meine Anstrengung gegen diese Sucht zu sein - ins Extreme. Mußte erkennen - sie lies sich nicht fortblasen - so sehr ich mich auch bemühte - versuchte sie zu ignorieren - ein Extrem in die andere Richtung.
    Ich mußte kapitulieren - erkennen das diese Sucht ein Teil von mir bleibt.
    Nein - besiegen kann ich sie nicht - aber ich will und kann der bestimmende Part über meine Sucht werden - sie beherrschen - wie sie mich beherrscht hat.
    Zugegeben - das klappt nicht immer 100 Prozent - manchmal findet sie ein Schlupfloch. Aber ein Schlupfloch, welches ich sehr schnell wieder schließen werde. Das habe ich ja erst kürzlich erlebt.
    Es geht mir gut - mit meiner Sucht - und ich kann dafür sorgen das es so bleibt.
    Manchmal werde ich wohl mehr tun müßen mich nicht von ihr ergreifen zu lassen - manchmal sicher kaum was. Aber es wird mir gelingen - weil ich sie erkannt habe - mit all ihren Tricks und Finessen.
    Ein solcher Gegner wird irgendwann nur noch Statist sein - kaum mehr merkbar.
    Das ist die Zuversicht die ich habe - diese - meine Sucht kann mich nicht mehr besitzen oder gar bezwingen.
    Es wird mit jedem Tag leichter - das Leben mit meiner Sucht - weil ich sie kaum mehr spüre.
    Lieben Gruß
    Gerri

  6. #6
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    Standard AW: Was wäre, wenn ich nicht spielsüchtig wäre....Gedanken eines Spielers

    Hallo Gerri, hallo Maik,

    da ich hier so direkt angesprochen und mit einer Menge Theorien von Gerri beglückt werde, muss ich nun mal schnell was dazu schreiben.
    Zunächst einmal erlebe ich kein Fahrstuhlverhalten mit dem Ausstieg aus der SHG – schließlich hat der dortige Ausstieg nichts damit zu tun, nicht mehr an mir arbeiten zu wollen. Und damit ich auch mal zum Arbeiten kommen kann, musste ich dort raus, denn die privaten Auseinandersetzungen dort machten mir erheblich zu schaffen, so sehr, dass ich meine Arbeit dort eher als gefährdet sah.
    Es gibt für mich auch nicht nur „die eine“ Situation für meine Spielsucht, sondern bei mir handelt es sich um eine Verkettung frühkindlicher Erlebnisse unterschiedlichster Natur bis hinein in die Pubertät – so reagierte ich schon früh mit verschiedenen Verhaltensweisen wie Arme aufschneiden, Suizidale Tendenzen (insbesondere unter Alkoholeinfluss), rauchte sehr früh Zigaretten (obwohl Asthmatiker), fing früh an zu kiffen – ging in entsprechende Lokalitäten und kam so auf Umwegen zum Spiel. An dieser Stelle möchte ich einfädeln, dass innerhalb der Familie immer alles schön zurückgehalten wurde, damit ja keiner bemerkt, dass ich vielleicht doch anders bin, als bislang immer dargestellt wurde. So gab es immer diesen Zwang, nach Außen hin alles „passabel“ zu gestalten, so dass auch in meiner Familie außer meinem Bruder niemand weiss, dass ich drogensüchtig oder spielsüchtig war/bin – wie auch immer. Das wohl heftigste Langzeit-Erlebnis war meine Beziehung mit der heroinabhängigen Frau und der jahrelange und erfolglose Kampf gegen ihre Heroinsucht – und meiner anschließenden Kokainsucht (die übrigens auch nach drei Jahren Abstinenz noch einmal auflebte, bis ich im Oktober 1999 endlich endlich aufhören konnte). Und der nächste Tiefschlag waren sechs Tote im Freundeskreis, zu der auch meine große Liebe zählte, und ich musste mich wieder neu orientieren und zog mich mehr und mehr zurück, behielt nur noch eine handvoll Freunde, die es auch tatsächlich wert sind, so genannt zu werden.
    Gerri meint, dass mich nichts dauerhaft umwerfen könne – aber so möchte ich es nicht ausdrücken, denn ich trage noch immer die Last der Vergangenheit mit mir herum und habe gerade erst angefangen, viele Dinge neu zu betrachten und weniger als Last erscheinen zu lassen. Ob es mich nun doch noch umwirft vermag ich nicht zu beurteilen – aber ich werde es erleben – und ich bin geübt im Wieder-Aufstehen.
    Die Spielsucht ist nicht vordergründig – darum ist sie auch kein ernst zu nehmender Gegner oder ein Feind für mich. Ich bin irgendwann mein eigener Gegner geworden, weil ich mir ein Verhalten antrainiert habe, welches mein Leben komplett ruinieren kann. Dieses Fehlverhalten gilt es aufmerksam zu studieren und nach Möglichkeit auch zu korrigieren. Ich muss mich selbst erkennen und annehmen können und nach meinen Bedürfnissen und Möglichkeiten leben. Ich muss mich selbst mögen und mir meine Fehler verzeihen – dann muss ich nicht spielen, dann muss ich nicht fixen – und ich muss keine Rückfälle einplanen.
    So also meine Gedanken – freue mich auf Deine Antwort.
    Lieben Gruß
    Vom
    Ziegenbock

  7. #7
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    Standard AW: Was wäre, wenn ich nicht spielsüchtig wäre....Gedanken eines Spielers

    Hallo Ziegenbock,
    was meinst du kann ich auf deinen Eintrag noch groß antworten ?
    Dein Werdegang ist mit meinen nicht vergleichbar . Ich kenne sie nicht die Szene - weder Heroin noch Kokain - und bin froh sie nicht zu kennen.
    Nun kann ich natürlich nicht beurteilen woran 6 Personen in deinen Umfeld starben - bis auf die Umstände an der deine Liebe starb.
    Du sprachst davon, das du alles im wesentlichen mit die selbst ausmachst - dich teilweise zurückziehst.
    Das du so negativ erlebtes weiter mit dir rumträgst, wird sich wohl auch nicht ändern lassen. Du bist jetzt 6 Jahre clean - und der Ausstieg war bestimmt eine harte Sache für dich.
    Doch es gab wohl vermutlich auch keine Alternative als der Ausstieg - und das von dir erlebte sprach eine sehr deutliche Sprache.
    "Ich bin mein eigener Gegner geworden...muß mir meine eigenen Fehler verzeihen."
    Es hört sich recht plausibel an was du sagst. Ich hoffe auch sehr, das es dir auch gelingt. Aber was machst du in depressiven Phasen - wo man sich schuldig fühlen kann - sich selbst nicht lieben und verzeihen kann ?
    Genausowenig wie du voraussehen kannst, ob es solche Phasen bei dir geben wird, kannst du voraussagen ob du mit Rückfällen konfrontiert wirst.
    Ich sehe nicht das du irgendwie für dich eine Art Schutzmechamismus entwickelt hast - und sehe es als ernste Gefahr. Nach wie vor wünsche ich sehr, das du vor solchen Situationen bewahrst wirst.
    Du siehst die Spielsucht bei dir als nicht Vordergründig. Aber bei wem ist sie es denn ?
    Ich sehe sie als Ausdruck - wie alle Süchte - nicht verarbeiteter Sehnsucht nach Liebe , Geborgenheit und innerer Zufriedenheit.
    Schwer nachzuvollziehen welches der eigentliche Knackpunkt war - wenn es diesen überhaupt gibt.
    Nur Situationen gab es in meinen Leben, wo mir das "Aufstehen " sehr schwer viel - wo ich mich weder geliebt noch gemocht fühlte. Und wo ich mich fragte für was und für wem willst du überhaupt aufstehen.
    In diesen Phasen des inneren Gefühls niemand was zu bedeuten - aus Trotz niemanden etwas bedeuten zu wollen - der tiefen Leere der inneren Gleichgültigkeit - macht man Dinge, die andere Menschen nicht verstehen . Auch das Spielen. Vielleicht auch die Einnahme von Drogen um zu betäuben - ich weiß es nicht. Aber für mich denke ich ,vielleicht durch das auffällige Verhalten Beachtung finden zu wollen, die man irgendwann nicht erhalten hat.
    Bestimmt wird es für den einen oder anderen sehr befremdent klingen wenn ich mich selbst als sehr feinfühlig und sensibel bezeichne - ich denke auch, das ich das gut verberge. Man muß mich schon sehr gut kennen, um es zu bemerken.
    Nur ich will ihn nicht mehr - den Weg des Verstellens - des nicht so sein wollens wie man eigentlich ist. Weinen habe -hatte - ich mir verboten . Es war für mich der Ausdruck von Schwäche - nicht so wie ich es heute sehe -der Ausdruck von Gefühl und Schmerz der das Innere verlassen muß.
    In Anbetracht all dieser Dinge gerät meine Spielsucht in den Hintergrund - bleibt also nicht vordergründig.
    Ich will mir den Raum geben, so zu sein wie ich bin. Je mehr mir das gelingt - bin ich in der Lage ein ausgefülltes, zufriedenes Leben zu führen. Egal ob ich mich spielsüchtig nenne oder nicht.
    Will dir sagen, das ich mich sehr freue, mit dir derart offen zu reden.
    Das war es eigentlich was ich in der kleinen Gruppe wollte - und keine persönlichen Auseinandersetzungen.
    Jetzt freue ich mich auf eine Antwort von dir.
    Lieben Gruss
    Gerri

  8. #8
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    Standard AW: Was wäre, wenn ich nicht spielsüchtig wäre....Gedanken eines Spielers

    Hallo liebe Freunde,
    ich bin Andreas, Spieler, Polysüchtig, meiner Destruktivität gegenüber machlos und ich bin ich.
    Bin immer noch im Urlaub in Südengland und bereite mich auf die harte Realität des Lebens in meiner gewohnten Umgebung vor.
    Konstruktiv: Ich nehme so viele wunderschöene Erkenntnisse mit, die ich nie für Möglich hilet. Heute stand der Besuch eines Landhauses an , das ein bedeutender Naturforscher für seine Studien nutzte und wie ein in sich ruhender Lebenspol, ein festgebautes Haus, eine Lebensperspetkite ist.
    Ach so: Thema: wenn ich nicht spielsüchtig wäre?
    Als ich im Juli 1990 vor dem selbstzerstörerischen Glücksspiel kapitulierte - und nachdem der Tränenfluß der Trauer raus gelassen wurde, aus meiner verklemmten Seele, ging ich in Hamburg am Elbuferweg spazieren.
    In der einsetzenden Euphorie zog die Fähre HH.-Landungsbrücken - Harwich/England vorrüber.
    "Ich werde wieder nach England fahren und meine Schwester besuchen künnen. Ich bin frei, brauche nicht mehr spielen gehen!"
    15 3/4 Jahre später: Nun habe ich es geschafft.
    Und vorher, alle diese Jahre des Nicht - Spielens, verschlafen?
    Ich glaube nicht! 2 Psychotherapien, eine Bäderkur, Heirat und Scheidung, 3 Umzüge, Mitglied im Kirchenchor, Mitglied in 4, 5, 6, Selbsthilfegemeinschaften, Mitglied im Fahradclub, (ADFC) , Mitglied einer Bedarfsgemeinschaftsnummer letztendlich!
    Das Leben, mein Leben nimmt Perspektiven an, ist nicht mehr aalglatt, so wie in der Zeit, als ich noch spielte. Habe hier bei meiner Schwester Fotoalben aus Ihrer Jugend, Ihrem Freund, Ihren Urlaubsfahrten, Ihrer Schwangerschaft, Ihrer kleinen Tochte gesehen, > und dazwischen Fotos von mir. Leerer Tunnelblick in das Nirgendwo, Hautausschläge in verquollenen Gesicht, Grimassen schneiden, vor der Kamera, unbeholfene Körpersprache...
    Schnell die Fotos rausreißen und wech damit!!!
    Nein!!! - Es ist mein Leben. Auch das bin ich. Den Wert des Lebens dadurch sichern, das sich der Boden unter mir dreht, weil ich mich um mich selber drehte, wie auch die rotierenden Scheiben der Spielautomaten.
    Im Kirchenchor sangen wir zu einem Konzert am Ewigkeitssonntag einmal die Mottette " Ich lieg' und schlafe ganz in Frieden.." von C.F. Bach (Psalm 4,9) Ich selber glaube jetzt, daß in der Zeit, in der ich Spielte , ich nicht nur dem Streß der Arbeit, (Spielgelderwerb), dem Streß des Spielens (!) und dem Streß des Lügens und Stehlens ausgeliegfert war - und wie sehr mich das erschöpfte.
    Der "Alte Spieler" ruht, er schläft in Frieden, der Neue ist wach.
    Jetzt gerade merke ich , beim Schreiben, daß es unmöglich ist, vermessen, diabolisch und Traumtänzerisch - mein altes Ich zu verleugnen und vermessen es zu dramatisieren und so zu bagatellisieren.
    Ich habe Berge von Inventuren Geschrieben, nichts konnte mich von meinem nicht vorhandenen Ich befreien, als die Erkenntnis, daß ich mich selber hier auf dieser Welt kennen lernen kann, so wie Gott mich meint, Einfach nur ICH!
    So sah ich aus und so sehe ich aus , wenn ich durch die Natur gehe: Blühend wie eine Junge Pflanze, die das Dornengestrüpp der Unnahbarkeit abgeworfen hat. Im Wald nahe der Klinik im Allgäu, in Englands Garten.
    Ich brauchte diese Zeit, meiner Schwester zu begegnen, weil ich es als Aufgabe sah mich von den Remissements der Spielsucht zu befreien, die da wäre4n, Groll, Zorn, Angst, Neid, Eifersucht, Hilflosigkeit, Co - Abhängigkeiten, folgerichtig Depressionen, also ein flaces Nervenbündel.
    In meiner Selbsthilfegruppe habe ich gelert: wenn ich bei meinen Angehörigen etwas wieder gut zu machen habe, ist es zu allererst wichtig, mich selber dabei mit zunehmen.
    Gott bewahre mich vor meinem Zwang zum Pefektionismus. Nein, hier im Urlaub, will ich nur erfahren können, wie weit mein Leben HEUTE gediegen, gewachsen ist, nur einmal in den Spiegel schaen und sagen können:
    Andreas, Du hast Heute Deine Aufgaben angegangen und es hat Freude , ja Lebensfreude bereitet.
    Ich bin Dankbar Süchtiger Spieler zu sein.
    Demut ist die anhaltende Ruhe im Herzen.
    Andreas

  9. #9
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    Standard Was wäre, wenn ich nicht spielsüchtig wäre....Gedanken eines Spielers

    Hallo Andreas,

    ich muß schon sagen, ich finde es toll, wie Du Deine Vergangenheit beschreibst, vorallen Dingen, wie Du mit Deinem vergangenen "Ich" umgehst. Ich empfinde das als ein extrem wichtiges Thema, was vielleicht auch oft gar nicht so im Detail besprochen wird. Nur weil ich jetzt spielfrei bin und mich dadurch auch menschlich verändert habe, heißt es ja nicht, das an dem "alten" Maik, dem "Spieler-Maik" alles schlecht war. Und genau das sollten wir auch nicht vergessen. Ich habe z.B. aus meinem Freundeskreis, nachdem ich nach und nach jedem von meiner Spielsucht erzählt hatte, sehr viele positive Rückmeldungen bekommen. Ich habe mich zwar für das spielen und lügen gehasst, aber ich war anscheinend trotzdem in den 20 Jahren für viele Menschen ein guter Freund und das ist etwas, was man bei seiner Selbstinventur nicht vernachlässigen sollte.
    Ich habe z.B. am Anfang immer gedacht - dies & das will /muss ich ändern und ich Zukunft will ich so und so sein, aber erstens sind wir der Mensch, der wir sind und so sehr werden wir uns nicht mehr verändern und ausserdem will ich das auch gar nicht. Ich muss lediglich das spielen und das lügen sein lassen und diese Lücken mit anderen positiven Taten füllen, ansonsten kann ich der bleiben, der ich bin.

    Wie gesagt, Du hast das wirklich toll auf den Punkt gebracht und es ist ein Thema, über das man mehr als nur einen Gedanken verwenden sollte - es ist ein extrem wichtiger Punkt, damit man sich nicht komplett für die letzten 20 Jahre verteufelt und selbst haßt, sondern dies nur auf das Spiel und seine Begleiterscheinungen bezieht, denn ansonsten waren wir Spieler vielleicht auch aufgrund unserer Sensibilität bestimmt keine schlechten Menschen. (zumindest die meisten)

    Danke Dir & weiterhin alles Gute
    Maik

  10. #10
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    Standard AW: Was wäre, wenn ich nicht spielsüchtig wäre....Gedanken eines Spielers

    Hallo Maik,
    so sehr müßen wir uns nicht verändern - nur das Lügen sein lassen.
    Ein Satz, den ich vor nicht allzu langer Zeit selbst hätte schreiben können.
    Genau das war aber mein Ansatzpunkt - nicht mehr Lügen - damit auch zur Wahrheit - meiner Wahrheit stehen.
    Lasse das Lügen - werde dadurch wieder wirklich du - versuch es zumindest - und du wirst erfahren, welche Veränderungen es mit sich bringt.
    Vieles wird schwerer - als Spieler war ich ja gewohnt mit eine glatten Lüge Wege zu ebnen. Wenn du das für dich nicht mehr willst, wirst du erstaunt sein, wieviel Veränderung das bewirkt.
    Aber trotz so manchen Gegenwind..es ist eine positive Veränderung, denn du selbst wirst dich damit wohl fühlen.
    Lieben Gruß Gerri

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