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Thema: Wo und wann beginnt der Rückfall

  1. #1
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    Standard Wo und wann beginnt der Rückfall

    Das Thema Rückfall ist sicherlich eins der Themen mit dem sich Spieler und Angehörige genau so stark beschäftigen wie mit dem Ausstieg aus der Sucht überhaupt.

    Auch in den neueren Treads wird dieses Thema wieder angesprochen.
    Hat man erst einmal der Sucht den Rücken gekehrt kommen als nächstes die bangen Fragen nach dem Rückfall.

    -Wie kündigt sich ein Rückfall an?
    -Wo beginnt der Rückfall?
    -Was sind die Konsequenzen eines Rückfalls in der Partnerschaft?
    -Wie hoch ist das Risiko eines Rückfalls?
    -Wie gehe ich mit einem Rückfall um?
    -Wann, oder bin ich überhaupt jemals vo einem Rückfall sicher?

    Eine Menge Fragen, die ich mir auch immer wieder stelle. Ich hatte zu diesem Thema einen Artikel im Internet gefunden und ihn auch schon einmal in einem Beitrag aus 2004 abgedruckt, möchte Ihn aber jetzt noch einmal anführen:

    "Der Rückfall beginnt meist schon lange vorher im Kopf

    Eingeleitet wird ein Rückfall nicht nur von einem Mangel an festem Vorsatz bezüglich der Abstinenz, sondern bisweilen paradoxerweise von einem Zuviel an guten Vorsätzen. Wenn man sich nämlich in dem ersten "Höhenrausch" (Euphorie) der Abstinenz zu viel vornimmt, dann wird die Umsetzung schwierig und es entsteht eine Unzufriedenheit mit sich selbst. Wird diese Unzufriedenheit dann zu einem Dauerzustand, entsteht daraus bald das Verlangen nach Erleichterung: Im Bewusstsein des Betroffenen bildet sich der Eindruck, dass sich die Abstinenz eben doch nicht "lohnt".

    Hinzu kommt, dass Abhängige, denen Anerkennung von außen sehr wichtig ist, diese nur anfangs für die abstinente Lebensführung erhalten. Mit der Zeit wird diese Lebensweise für die anderen selbstverständlich, so dass niemand mehr den Spieler dafür lobt oder ihm Anerkennung zollt, was ihn enttäuschen mag.

    Das Ausmaß und die Wucht des Rückfalls werden außerdem oft noch davon mitbestimmt, wie lange der Betreffende abstinent gelebt hat und was er damit verbindet. Es scheint, dass Schuld, Scham und Selbstverachtung wegen der Rückfälligkeit um so größer sind, je länger die Abstinenz schon dauert. Wer nicht Tag für Tag abstinent lebt, sondern die Abstinenztage wie einen Berg Geld auftürmt, der verliert natürlich besonders viel, wenn er mit einem Rückfall alles "Ersparte" in einem großen Loch verschwinden"

    Ich kann das was hier beschrieben ist sehr gut nachvollziehen, man hängt sich an Menschen die es geschafft haben, zählt die eigenen Tage und vergleicht sie mit den Tagen anderer, ist erschreckt, wenn man feststellt, dass andere, obwohl sie viel länger abstinent sind, einen Rückfall hatten, fragt sich, was müsste bei dir passieren, damit du auch rückfällig wirst, wo fängt der Rückfall an? Schon dann, wenn ich nach langer Zeit mal wieder einen Lottoschein abgebe, bei einem Preisausschreiben mitmache oder Rubbelkarten beim Tanken bekomme, weil ich unbedingt Karten für die WM haben möchte, wenn ich mit Freunden Karten spiele, wenn ich zum Zeitvertreib irgend ein Spiel auf dem Handy spiele, wenn oder erst dann, wenn ich wieder ein paar Euro in einen Schlitz gesteckt habe oder vielleicht auch dann noch nicht einmal, wenn es bei dem einen Mal geblieben ist? Ich habe in den letzten 2 Jahren sehr viele unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema gehört. Letztendlich könnte man natürlich sagen, wenn du überhaupt nichts mehr unternimmst, was in irgendeiner Form mit Spiel und Glück zu tun hat, ist das Gefährdungspotential am geringsten.
    Wo liegt da der Unterschied zu stoffgebundenen Süchten? Ein Alkoholiker darf sicherlich nie wieder einen Tropfen Alkohol trinken ohne das Risiko eines Rückfalls einzugehen, aber darf ein Spielsüchtiger auch nie wieder "Mensch ärgere Dich nicht" oder "Monopoly" spielen.

    Ich denke für mich habe ich die Restrektion bezüglich des Spiels nach 2 jähriger Erfahrung festlegen können, ich weiss, das mich dies nicht vor einem Rückfall schützt, wie immer er auch deffiniert wird. Leider habe ich für mich noch kein Notfallprogramm bei einem Rückfall parat, ich denke hier muss ich noch dran arbeiten, im Moment habe ich nur die angekündigten Konsequenzen vor Augen, aber das kann ja nicht der Zwang sein, dem ich unterliege und der mich vom Spielen ab hält.

    Was wäre, wenn es keine Konsequenzen geben würde, käme es dann zum Rückfall? Müssen Konsequenzen da sein und muss man sie sich immer wieder vor Augen halten?

    Ich habe auch nach 2 Jahren immer noch so viele Fragen und Dinge an denen ich arbeiten muss. Ich freue mich nun wieder hier im Forum einige Antworten zu bekommen, die mir helfen den eingeschlagenen Weg fortzusetzen, vielleicht auch irgendwann einmal nach einem Rückfall.

    Liebe Grüße und schöne 24 Stunden


    K@rl

  2. #2
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    Standard AW: Wo und wann beginnt der Rückfall

    Hallo Karl,
    ein Thema, welches an Fülle sehr viel hergibt - und ich denke es ist auch nicht mit wenigen Worten geschildert - oder erfasst.
    Ich selbst möchte zu den ersten Punkt Stellung nehmen - wie kündigt sich ein Rückfall an.
    Wie du weißt, hatte ich nach über 5 Jahren Abstinenz meinen Rückfall.
    Persönlich habe ich nicht gespürt, das ich rückfallgefährdet bin.
    Gewiß sind in den letzten zwei Jahren allerlei Dinge geschehen, die ein rigorosen Umbruch in meinen Leben bedeuten - und so manches mal war ich sehr ungehalten - überempfindlich und von einer sensiblen Art, die nicht unbedingt zu mir gehört. Dazu auch überempfindlich gegenüber Menschen die ich mag - von denen ich mich auch schnell verletzt fühlte - und ich weiß im nachhinein noch nicht einmal ob berechtigt oder nicht.
    Ich denke in dieser Phase entwickelte sich auch unsere Auseinandersetzung - aus Überempfindlichkeit durch mich.Kritik als persönlichen Angriff - und natürlich ein gesunkenes Selbstwertgefühl - so unter den Motto keiner mag mich.
    Ich denke, das alles waren Hinweise auf Situationen meines Lebens, die ich in genannten Zeitraum nicht die nötige Beachtung schenkte.
    Der Verlust des Arbeitsplatzes - meine Kontaktschwierigkeiten mit meinen Sohn - gesundheitliche Probleme und Einschränkungen.
    Der Hinweis auf einen möglichen Rückfall kündigt sich nach meinen dafürhalten durch eine sehr emotionelle Handlungsweise an.
    Keiner kann einen was Recht machen - und man sich selbst schon gar nicht.
    Man ist überaus schnell verletzbar und neigt aus diesem Grund zu übersteigerten Reaktionen.
    Darauf deutet z.B. mein Verhalten dir - und auch Boomer gegenüber hin.
    Was eigentlich im Normalfall für mich leicht zu klären wäre, wuchs zum echten Problem.
    Ich denke ein wichtiger Hinweis ist also, wenn wir nicht mehr mit gegebenen Situationen umgehen ,wie im Normalfall.
    Wenn man sich - wie ich es mache, sehr mit Selbsthilfe und Forum auseinandersetzt, spürt man es auch immer wieder. Zunächst eine gesteigerte Verletzbarkeit - und dann irgendwann die Nachricht des Betreffenden - ich hatte leider einen Rückfall.
    Also die Folgerung : Ich muß mich zur Vorbeugung eines Rückfalls selbst beobachten - bin ich übersensibel - leicht reizbar - fühle mich im Stich gelassen von irgendwem - werde nachtragend. Das sind wohl Dinge, die es selbst zu beobachten gilt.
    Wichtig dabei natürlich unsere Partner, von denen wir Rückkoppelung erhalten.
    Z.B. die Frage, was ist mit dir los in letzter Zeit. Sie merken die Veränderung an und durch uns meißtens schneller, als wir es selbst tun.
    Ich finde, dein Eintrag birgt noch jede Menge Diskusssionsstoff - und man kann es nicht so Klompex beantworten.
    Nur ein positives hatte selbst diese Situation. Ich kenne mich ein Stück besser - und durch die zuletzt gemachte Erfahrung kann ich nun die "Vorboten" besser erkennen - und sie dienen jetzt für mich als echtes Warnsignal. Auch mein Rückzug aus meiner Gruppe gehörte wohl schon dazu.
    Befinde mich nach meinen dafürhalten trotzdem auf einen guten Weg.
    Über den Rückfall selbst - und Gefühle danach - habe ich schon an anderer Stelle eine kurze Erklärung gegeben.
    Ich sage dir auch an dieser Stelle, das mich unsere Auseinandersetzung zu schaffen machte - weil ich dich ja irgendwie mag.
    Freue mich das wir uns wieder normal unterhalten können.
    Dir, deiner Familie und deiner Frau einen lieben Gruß umd ein schönes Wochenende.
    Gerri

  3. #3
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    Standard AW: Wo und wann beginnt der Rückfall

    Hallo Karl, hi Gerri,

    ich denke seit einiger Zeit über Karls Eintrag nach – Du schreibst gleich zu Beginn, dass man sich genauso stark mit dem Thema „Rückfall“ beschäftigt, wie mit dem Ausstieg aus der Sucht selbst.
    Dieser Aussage kann ich nicht folgen – ich beschäftige mich gar nicht mit dem Thema seit ich nicht mehr spiele. D.h. ich werde nur hier auf das Thema gestoßen, aber ich für mich schließe das einfach aus – es wird keinen Rückfall geben und fertig! Das war mein erster, fast trotziger Gedanke dazu – und so wollte ich nicht antworten. Habe dann überlegt und mir Deine Fragen immer wieder versucht zu beantworten. Hier das Ergebnis:

    Wie kündigt sich der Rückfall an? – nun, er kündigt sich nicht an – er passiert einfach. Für mich würde das dann bedeuten, dass ich mich dem „Fluss des Lebens“ einfach so hingegeben habe und irgendwo eingeschlafen bin. D.h., ich darf mich nicht einfach meiner täglichen Routine und dem Leben mit seinen Schicksalsschlägen hingeben, sondern muss ein besonderes Pflegeprogramm für mich und meine offensichtlich gestörte oder gekränkte Seele entwickeln und durchführen. Ich muss vorher reagieren lernen, muss mich für mich selbst sensibilisieren, damit der Rückfall nicht passieren kann – so kann der Rückfall vielleicht auch nicht beginnen.
    Wenn ich mich aber vernachlässige – für einen längeren Zeitraum sogar – oder mir und meinen Bedürfnissen einfach nicht genügend Aufmerksamkeit schenke, dann lasse ich den Rückfall also beginnen.

    Konsequenzen in der Partnerschaft würde es bei mir nicht geben, so will ich hier meine Familie und Freunde an die Stelle einer Partnerin setzen. Es wäre eine Katastrophe für mich, wenn sie es überhaupt erfahren würden, dass ich seit Jahren gespielt habe und spielsüchtig - und nun seit 12 Wochen spielfrei bin. Also werde ich alles tun, um mit der Spielsucht für mich fertig zu werden – es muss nicht sein, Angehörige oder Freunde zu informieren, wenn sie es bis heute nicht wissen. Diese Einstellung bedeutet auch Ansporn für mich, denn vor meiner Familie und auch meinen Freunden will ich bestehen – bzw. will ich ihnen keinen Kummer machen (vielleicht ein Druckmittel – aber kein so schlimmes, sondern eines das mich nicht phlegmatisch werden lässt).

    Das Risiko eines Rückfalles schätze ich tatsächlich für 50:50 ein – ich glaube, wenn man wirklich will, dann kann man es schaffen. Nur – siehe oben – man muss sich den Rest seines spielfreien Lebens schon etwas näher betrachten, damit man nicht in alte Verhaltensweisen verfällt – und offensichtlich haben wir alle hier eine jahrelange „Verhaltensstörung“ antrainiert und gelebt (nur meine Worte, will niemanden zu Nahe treten).

    Sicher vor einem Rückfall kann ich mir nicht sein – meine ich. Aber ich kann versuchen, mich so sicher wie möglich zu fühlen in meinem Umfeld und lernen, mich und meine Bedürfnisse mitzuteilen und versuchen, sie auszuleben. Wenn es mir gelingt, mich nicht durch die alltägliche Routine „einwickeln“ zu lassen, sondern trotzdem mein Pflegeprogramm durchziehe – wie ein Sportler – dann gewinne ich für mich Sicherheit.

    Und wenn all dies nichts gebracht hat und ich sollte doch scheitern und habe einen Rückfall – dann, ja dann hoffe ich auf meine Vertrauensperson im MSN und auf die Menschen hier im Forum. Ich weiss, dass ich daran nicht zerbrechen werde – aber dann muss ich wohl Wege gehen, die ich meine, heute nicht gehen zu müssen.
    So kann ich mir also für mich Deine Fragen beantworten – Deine Sichtweise mal ganz außer acht gelassen – und mich auch nur auf Deine Fragen beziehend.
    Wie gesagt – das Thema Rückfall beschäftigt mich nicht vorrangig, das Thema Spielsucht beschäftigt mich nicht vorrangig – ich denke nur an mich und meine Verhaltensweisen und meine Vergangenheit – und wie ich mir Gegenwart und Zukunft gestalten kann.
    Darum fällt es mir auch hier immer schwerer Fuß zu fassen – ich erlebe wieder diese Auseinandersetzungen und – ja Machtkämpfe will ich es mal nennen – und ich mag solch eine Umgebung einfach nicht.
    Trotzdem, ich wünsche allen eine gute und spielfreie Zeit!
    Liebe Grüße
    Der Ziegenbock

  4. #4
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    Standard AW: Wo und wann beginnt der Rückfall

    Hi Gerri,
    zu Deinem Eintrag und den Gedanken zu Deinem Rückfall möchte ich gerne was schreiben.
    Wie Du selber festgestellt hast, gab es in den letzten zwei Jahren diverse Dinge, die Dein Allgemeinbefinden doch mehr oder weniger stark belastet haben. Ich glaube nicht, dass Du mit irgendeinem Menschen darüber gesprochen hast, sondern die Dinge einfach nicht an Dich herankommen lassen wolltest.
    Als ich Dich im Januar kennen lernte, dachte ich gleich – was für ein harter Hund – aber inzwischen wurde ich auch eines Besseren belehrt. Ich glaube, Du machst etwas mit Dir, was Du vielleicht auch schon immer im Leben gemacht hast – Funktionieren, mehr für Andere als für Dich selbst. Und ich glaube auch, dass das genau der Punkt bei Dir ist. In neueren Einträgen wirst Du versöhnlicher und ich lese, dass Du bemüht bist, Dich auch ein wenig „lieber“ zu mögen und zu achten – ich denke, dies ist auch der richtige Weg für Dich.
    Erlaube Dir ruhig Deine Schwächen, versuche einfach, dem Drang des Funktionierens nicht nachzugeben, sondern bleib einfach mal still und ruhig in Deinem Kämmerlein und besinne Dich auf die Dinge, die Dich belasten – und rede und schreibe auch wirklich darüber.

    Bei manchen Einträgen von Dir denke ich – große Güte, Gerri, Du kannst die Welt nicht retten, das vermag keiner. Du bietest Dich Allen und Jedem an mit Hilfe – aber ich glaube, dass Du Dich darüber hinaus manchmal etwas überschätzt, weil Dir vielleicht auch wenig Zeit für Dich selbst bleibt. Obwohl ich selber feststellen muss, dass dieses Schreiben im Forum einen unglaublich erleichtert – aber ich habe nie das Bedürfnis gehabt, jemandem „helfen“ zu wollen – weil ich mir erst einmal selbst helfen muss, um „abgeben“ zu können.
    Nun, heute gebe ich Dir doch einen Rat, weil ich glaube, dass ich nun „abgeben“ kann, es verbraucht ja auch nicht meine Kraft, sondern es wird Deine Kraftanstrengung.
    Ich meine zu erahnen, dass Dich die letzten Monate, der Wirbel in Deiner Gruppe und die Auseinandersetzungen mit einigen Gruppenmitgliedern auch ziemlich belastet haben und es gipfelte nach über fünf Jahren auch in einem Rückfall. Ich bin mir sicher, dass es Dir nicht so ergangen wäre, wenn Du ein wenig mehr Zeit für Dich aufgebracht hättest – und eben auch selber nach Hilfe gesucht oder gefragt hättest, immerhin hattest Du eine eigene Internet-Gruppe und auch so privaten Austausch, der Dir dies alles ermöglicht hätte.
    Aber ich glaube einfach, dass Du zu ruhelos mit Dir selbst umgehst und Deinen eigenen Ansporn mehr aus Deiner Arbeit mit Anderen ziehst und Dich darüber hinaus einfach vernachlässigst.
    Und ich stelle fest, dass Du bemüht bist, Dich mit alten „Rivalen“ oder auch mit dieser einen „speziellen Person“ zu versöhnen (Du weißt schon wenn ich meine) – es wäre schön, wenn es Euch gelingt. Nur dies kann erst geschehen, wenn auch die notwendige Ehrlichkeit im Umgang miteinander aufgebracht wird. Überdenke Dein Handeln und Deine Worte mit der nötigen Ruhe und Gelassenheit – dann wird es vielleicht für alle etwas einfacher.
    Lieben Gruß und alles Gute
    Ziegenbock

  5. #5
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    Standard Wo und wann beginnt der Rückfall Teil I.

    Diesen Text bekam ich während meiner Therapie in einer psychsomatischen Klinik
    Claus

    ***********

    Auslösungsmechanismen
    Im Lauf einer Sucht entwickelt der Betroffene eine Reihe von auslösenden Mechanismen, wodurch der Suchtkreislauf erhalten wird. Bei diesen handelt es sich um Reize, Konflikte oder Drucksituationen, die eine Phantasie, ein Gefühl oder einen Gedanken provozieren, die zur Suchthandlung führen. Die Auslöser können seelischer, körperlicher oder zwischenmenschlicher Natur sein oder umweltbedingt. Der Süchtige ist sich jedoch ihrer nicht bewusst. Einige Auslöser, die er am wahrscheinlichsten selbst erkennen wird, sind Misserfolge, Ablehnung und Kritik. Bis ein Mensch also süchtig wird, haben er oder sie sich eine ganze Welt von Reizen aufgebaut: Phantasien, andere Menschen und all das, was zu einer Sucht gehört. Und Reklame, Film, Gedrucktes, Fernsehen, Kneipen und das gewöhnliche Leben auf Straßen und Plätzen wirken alle weiter als starke, umweltbedingte Auslöser.
    „Die ganze Welt draußen ist verrückt danach. Was soll ich denn tun?“

    Charakteristische Merkmale des Süchtigen
    Allgemein: Der Süchtige hat eine geringe Frustrationstoleranz. „Ich bin ohne ein Bewältigungsmittel zur Welt gekommen“, sagen einige und meinen, dass sie Frustrationen sehr wenig bewältigen können. Dieser Charakterzug kann uns während der Genesung bewusster werden, besonders am Anfang und besonders, was banale Dinge anbetrifft.
    „Mit dem dritten Weltkrieg kann ich umgehen, aber wenn mein Schnürsenkel im falschen Moment reißt, könnte ich verrückt werden.“

    Der Süchtige hat eine geringe Toleranz für seelischen Schmerz. Deshalb muss der Schmerz sofort gelindert werden. Er kann Freude und Schmerz, Arbeit und Spiel nicht im Gleichgewicht halten. Er leidet an einem beeinträchtigten Selbstwertgefühl. Abhängigkeit, Kontrolle, Disziplin, Passivität und Aggressivität lösen Konflikte bei ihm aus. Seine Sprache ist voll von Anspielungen auf seine süchtigen Bedürfnisse. Der ganze Verlauf wird gewöhnlich entzündet und in Gang gesetzt durch die Selbstverachtung wegen der mangelnden Kontrolle über das Suchtverhalten und wegen andauernder mangelnder Leistung in vielen Lebens bereichen.

    Rechtfertigung und Verleugnung: Da das Suchtverhalten mit der Zeit wichtiger wird, jedoch weniger befriedigend, muss der Süchtige Wege finden, den Schmerz, den die Sucht selbst zu verursachen beginnt, zu verleugnen und die Illusion zu verstärken, dass er intensivere Hochgefühle erlebt. Er muss die zerstörerischen Folgen seines Wohlbefindens verleugnen. Er kann seinen Schmerz weder erkennen noch zugeben, geschweige denn die Tatsache, dass sein Suchtverhalten exzessiv ist und eine Bewältigungsart darstellen.
    Selbst wenn die Sucht seine Arbeit und sein soziales Leben zu beeinträchtigen beginnt, leugnet er immer noch, was vorgeht. Da der Süchtige immer Wesen, Tragweite, Fortdauer und Auswirkung seiner Sucht verleugnet, tritt eine Verzerrung seines Zeitgefühls auf. Er kann wenig darüber sagen, was er mit seiner Zeit gemacht hat, da er sich nicht bewusst ist, dass er sie mit süchtigen Träumereien oder Handlungen verbracht hat. Selbst in den Endstadien kann er immer noch keinen Zusammenhang herstellen zwischen seiner Beinahe-Lähmung und der Sucht, die sein Leben zum Stillstand gebracht hat. Der Süchtige ist immer der letzte, der weiß oder wissen will, dass er süchtig ist. Allzu oft ist sein Leugnen so raffiniert,
    dass denjenigen, die er vielleicht um Hilfe oder Behandlung bittet, der zentrale Sachverhalt seiner Sucht entgeht.

    Charaktermängel: Charaktermängel sind, wenn auch verdeckt, immer vorhanden. In verschiedenen Stadien können auftreten: Unehrlichkeit, Unzuverlässigkeit, zuwenig oder zuviel Kontrolle, manipulierendes oder unreifes Verhalten, leichte oder schwere Kriminalität, forderndes Benehmen, Großspurigkeit, Exhibitionismus, Unersättlichkeit, Impulsivität und die Unfähigkeit, Belohnung aufzuschieben. Je größer die Charaktermängel sind, ehe der Suchtprozess einsetzt, umso zerstörerischer ist die Sucht bei dem Betreffenden.
    Der herausforderndste Schutzmechanismus des Süchtigen ist seine Fähigkeit, offen und indirekt zu lügen. Am Anfang mögen die Täuschungen nur im Zusammenhang mit der Sucht auftreten. Aber nach und nach umschließen sie sein Leben und werden zu den Wächtern der Sucht. Der Süchtige wird zu einem eleganten Schauspieler -der sich vielleicht seines Talentes nicht bewusst ist, jedoch selten ohne dieses und nicht bereit, es aufzugeben. Schließlich glaubt er an seine eigenen Lügen und bringt andere dahin, auch daran zu glauben. Seine Wahrheiten sind zu Selbsttäuschungen geworden, den Keimen des Verfolgungswahns.

    Narzissmus: Narzissmus wird im Allgemeinen als ein Zustand definiert, in dem der Betreffende eine übertriebene Aufmerksamkeit und Einschätzung von sich selbst hat. Er verneint die Existenz und den Wert anderer und nimmt nur Menschen wahr, die ausschließlich seinen Bedürfnissen entgegenkommen und eine Genussquelle darstellen; Menschen, die er gebraucht und mit Leichtigkeit wieder ablegt. Im Zusammenhang mit dieser Haltung finden wir oft Allmachtsgefühle, oberflächliche Beziehungen, Unreife und manchmal den Wunsch, in die kindliche Abhängigkeit zurückzufallen und im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen.

  6. #6
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    Standard Wo und wann beginnt der Rückfall Teil II.

    Der Süchtige wird als ein Mensch beschrieben, der eine sofortige und übertriebene Belohnung braucht für vergleichsweise geringe Anstrengungen bei der Arbeit oder in der Beziehung. Er zeigt wenig oder keine angemessene Aufmerksamkeit oder Anerkennung für die Mitwirkung anderer in seinem Leben oder für deren Opfer, die diese wegen seines Suchtverhaltens bringen. Der Betroffene ist meist unfähig, Befriedigung aufzuschieben. Er ist leicht frustriert und reagiert überempfindlich auf Fehlschläge. Er befasst sich selten mit seinen übertriebenen negativen Gefühlen, die durch jeden Grad des Unbehagens hervorgerufen werden, noch kümmert er sich um die entsprechend unangenehmen Folgen für alle, die um ihn sind.
    Seine Stimmung schwankt von Arroganz bis hin zu Gleichgültigkeit, von Schmerz über totale Selbstverleugnung bis hin zur Freude über vollkommenen Genuss. Er glaubt, dass durch die Zuflucht zu seiner Gewohnheit jede Kränkung seines Ichs wie durch ein Wunder aufgehoben wird.
    Persönliche Beziehungen: Das unangemessene Verhalten des Süchtigen gegenüber Menschen wird allmählich schmerzhafter und endet in vielen tatsächlichen oder provozierten Ablehnungen durch seine Familie, Bekannte oder Autoritäten. Er wird unfähig, die Spannungen intimer Beziehungen zu tolerieren und benutzt den Rückzug in das Suchtverhalten als Lösung. Da andere negativ auf ihn zu reagieren beginnen, kann er Beziehungen als potentiell gefährlich, feindlich oder verwirrend ansehen. Letztendlich kann ihn dann die Isolation vom Familie und Bekannten zum Rückzug in ein Leben mit anderen Süchtigem zwingen, und er kann übertrieben abhängig von ihnen und vom seiner Sucht werden.
    Ein Süchtiger mag nicht einsehen, wie hartnäckig er nach Mitsüchtigen oder nach einer süchtigen Umgebung Ausschau hält. Mit ihnen fühlt er sich lebendig, gleichwertiger und von dem Druck entlastet, der bewirkt hatte, dass er sie aufgesucht hatte. Als Ergebnis mag er sich weiter den alltäglichen familiären Kontakten und Erfahrungen entziehen. Das mag wie Auflehnung oder Pseudounabhängigkeit erscheinen. Auch seine Unfähigkeit, Kontrolle zu akzeptieren oder genug Kontrolle auszuüben, mag zu Versuchen führen, seine geschädigte Psyche durch destruktive Dominanz oder exzessive Unterwerfung zu heilen.
    Abhängigkeit: Jeder Süchtige hat ein übermäßiges — offenes oder verdecktes — Abhängigkeitsbedürfnis. Gewöhnlich ist er sich nicht bewusst, wie abhängig er wirklich ist, wie lähmend seine Abhängigkeitswünsche sind und wie unersättlich seine Bedürfnisse anderen erscheinen. Er ist sich nur der schmerzlichem Ablehnung und der Misserfolge bewusst, wenn die Gesellschaft und diejenigen, die ihm am nächsten stehen, seinen Bedürfnissen nicht nachkommen.
    Viele Süchtige finden einen anderen Menschen, dessen Sucht ihnen Vorschub leistet und seine eigene zu rechtfertigen scheint. Er braucht auch Menschen, die das haben, was in ihm selbst nicht vorhanden ist. Er wird gebunden an solche Menschen, Verwandte, Ehepartner, Liebhaber und Bekannte. Seine eigene Sucht dient dabei als Katalysator. Manchmal kann er Menschen, die ihn nahe stehen, zu seiner süchtigem Ergänzung werden lassen. Er manipuliert sie, damit sie ihm den Auslöser verschaffen, den er braucht, um sein Ausleben zu rechtfertigen. Er kann sie dazu zwingen, sein Selbstwertgefühl herunter zu machen, ihn schuldig fühlen zu lassen, ihn übermäßig zu behüten oder ihn abzulehnen. Er kann sie dazu bringen, ihn auszunutzen oder zu missbrauchen. Anstatt seine Wut direkt bei ihnen auszudrücken, fühlt er sich dann gerechtfertigt, seine Sucht auszuleben.
    Wenn zwei süchtige Menschen eine feste Beziehung eingehen, kann einer die Sucht des anderen nähren. Sie werden leicht isoliert und misstrauisch und finden es sogar schwierig, sich in die Gesellschaft einzufügen. Es erscheint ihnen so, wie wenn niemand anderes ihre süchtigen Bedürfnisse so gut erfüllen kann, wie sie es füreinander tun können.
    In vielen Fällen sucht der Süchtige immer weiter nach einer Bezugsperson, die ihn ganz und gar annimmt —wie er es als Kind gehabt oder sich gewünscht hatte. Und er fängt an, den wirklichen Grund der Ablehnung, die ihm zuteil wird, zu verzerren. Er kann nicht einsehen, dass Menschen seine Forderungen ablehnen, weil sie überzogen sind oder so gestellt, dass es schwer fällt, diesen nachzukommen.

  7. #7
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    Standard AW: Wo und wann beginnt der Rückfall

    Hallo Claus,

    ich bin erst jetzt dazu gekommen Deinen Text ausführlich zu lesen. Er beschreibt für mich einen Menschen, bei dem ich in vielen Eigenschaften mich selbst wieder finde.

    Es stellt sich für mich nun die Frage, wird ein Mensch, der so ist in jedem Fall irgendeiner Sucht verfallen?

    Es wird gesagt, dass der Betroffene selbst die Auslösemechanismen entwickelt, liegt hier vieleicht der wichtigste Ansatz der Sucht entgegen zu wirken.

    Vieles was beschrieben wird sind Charaktereigenschaften, die auch bei mir vorhanden sind, sie sind vererbt oder anerzogen. Ich denke es ist schwierig die auch zu ändern, einige Eigenschaften möchte ich auch gar nicht ändern, denn sie gehören zu mir und sind Bestandteil meines Lebens. Sie haben mich zu dem Mensch gemacht, der ich bin.

    Bei den Charaktermängeln habe ich kaum etwas gefunden, das zumindest offen bei mir vorhanden ist, sieht man mal von dem Thema Belohnung ab.

    Ich denke zusammengefasst für mich muss ich daran arbeiten auch mal ohne sofortige und übertriebene Belohnung leben zu können und meine Befriedigung aufzuschieben, denn wenn ich etwas haben möchte und nicht sofort bekommen kann beschäftige ich mich in Gedanken einfach zu viel mit diesem Thema. Hier muss ich geduldiger werden.

    Ich denke, dass ich das Thema Auslösemechanismen gut im Griff habe und werde hier wachsam bleiben und die beschriebenen Reize, Konflikte oder Drucksituationen nicht für einen Rückfall vor den Karren spannen.

    Danke Dir noch eimal Claus, für die Einstellung des Beitrages, der mir zumindest in der theoretischen Betrachtung weitergeholfen hat.

    Liebe Grüße

    Karl

  8. #8
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    Standard AW: Wo und wann beginnt der Rückfall

    Hallo Karl,
    ich glaube nicht das jeder Mensch mit Charaktermängeln einer Sucht verfallen muß! Wo beginnt das, wo hört das auf? Wer kann das sagen?

    Bei den Auslösungsmechanismen, habe ich schon einiges bei mir herausgefunden und kann entsprechend vorbeugen (zB. in ein Meeting gehen!) oder darüber Reden mit einem vertrauten Menschen (Freund).
    Da ich ein Mensch bin und nicht perfekt sein muß, brauche ich auch nicht mehr enttäuscht von mir und anderen sein in übertriebener "Vollkommenheit".
    Einige "Ladenhüter" was Charaktermängel- und verhaltensweisen angeht habe ich auch noch, aber ich denke wenn der Leidensdruck hoch genug ist werde ich sie ablegen können.

    Lieben Gruss
    Claus

  9. #9
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    Standard AW: Wo und wann beginnt der Rückfall

    Hallo Karl und Claus

    Der Mensch der vollkommen ist lebt wohl nicht auf unserer Erde. Ich bin der Ansicht, dass ein jeder seine Charaktermängel hat. „Wo beginnt es- wo hörte es auf“ das ist gut geschrieben. Nicht jeder Spieler ist ein Lügner- nicht jeder Lügner ist ein Spieler etc.

    Ich höre ab und zu mal- wir Spieler sind eben schwierige Charakter. Nein- ich glaube nicht das wir schwieriger sind als andere Menschen. Es gefällt mir nicht wenn man den Spieler oder den süchtigen einfach mit diesen Worten einstuft. Ein gute Sache finde ich- wenn man seine schlechten Charaktereigenschaften selbst erkennt- und versucht etwas dagegen zu unternehmen. Viele Spieler setzen sich mit sich- ihren Fehlern weit mehr auseinander als die „normalen“ Menschen. So erlebe ich es zumindest.

    Grüessli Boomer

  10. #10
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    Standard AW: Wo und wann beginnt der Rückfall

    Ich bin ich - und ich muß mich letztlich so akzeptieren wie ich bin.
    Mit meinen Fehlern und Schwächen. Wie Boomer in meinen Augen passend schreibt, setzen sich Suchtkranke wohl entschieden mehr mit sich selbst auseinander als es "normale Menschen" tun.
    Ich forsche in mich - suche meine Fehler - versuche sie abzustellen - stelle Theorien über mein Verhalten an - und kann letztlich nur eines ändern.
    Meinen Weg in die Zukunft - ohne Spiel - ohne meine Sucht zu leben.
    Ein Rückfall ist eine schlimme Sache für mich. Doch er wird mich letztlich nicht von meinen Weg abbringen.
    Nämlich das starke Verlangen in mir ,mich nicht weiter von meiner Sucht steuern zu lassen. Ich habe das Ruder für mich übernommen - auch wenn es mir noch mal aus den Händen gleitet - ich werde es wieder ergreifen und weiter rudern.Da kann passieren was da will.
    Ich darf nicht vergessen, das in den Boot das ich steuere, Menschen sitzen. Meine Angehörigen. Ich darf mein Boot nicht kentern lassen, damit wir nicht ins kalte Wasser stürzen.
    Sollte ich doch die Gewalt über das Boot verlieren, so hoffe ich sehr, das meine Mitreisenden sich mittels eines Beibootes schnell absetzen und in Sicherheit bringen können. Denn ich liebe meine Mitreisenden - und möchte sie nicht mit runter ziehen. Aber so lange mein Boot nur wackelt - werden Sie es sein, die neue Stabilität geben - das weiß ich genau.
    Während mir in den SHGs und auch hier im Forum die Richtung angegeben wird, in der ich rudern soll, sind es meine Angehörigen, die mein Boot stabilisieren und alle Hilfe geben, das es nicht kentert.
    Das ist ein gutes, sicheres Gefühl - ich darf wackeln - ich werde nicht kentern, weil mir geholfen wird in die Spur zu bleiben.
    Euch allen lieben Gruß
    Gerri

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