Nicht gesucht und doch gefunden!
Nachdenkliches von Berthold Kilian
Sie haben sich nicht gesucht.
Sie sind sich begegnet.
Einfach so und ohne Absicht.
Egal wo auf der Welt.
Durch Zufälle, wie man meint.
Aber es gibt geheime Zeichen.
Eine besondere Art Sprache.
Einer Art zu schauen, sich zu bewegen.
Und dann kann ein Vertrag entstehen.
Es wächst blitzschnell eine Bindung.
Da sagt einer, ich spüre, dass du mich brauchst.
Der andere sagt wortlos, ja, ich brauche dich.
Und alles geschieht in guter Absicht.
Eine perfekte Vereinbarung, die nutzen soll.
Aber offiziell ist nichts ausgesprochen.
Keiner weiß, was gegeben und was genommen werden soll.
Aber es tut gut.
Es ist wie mit dem „Ich liebe dich!".
Da weiß auch keiner, was das bedeutet.
Keiner kennt die Erwartungen und Bedingungen.
Es ist ein Gefühl, und Konsequenzen sind gleichgültig.
Es wird auch nicht darüber gesprochen.
Worte würden vielleicht Klarheit bringen.
Sie würden auch stören und die Sehnsucht hindern.
Eigentlich würde ich mich selber dringend brauchen.
Aber dafür habe ich jetzt keine Zeit.
Da ist einer, der mich braucht, das ist wichtig.
Wichtiger als ich mit meinen Bedürfnissen.
Endlich habe ich den Sinn gefunden, der über mich hinausgeht.
Helfen will den anderen stark machen.
Es sollen Fähigkeiten entwickelt werden, die Hilfe nicht mehr nötig machen.
Möglichkeiten der Selbsthilfe geben Kraft und schaffen neuen Selbstwert.
Der Helfer will sich selbst überflüssig machen.
Ganz anders der, der sich gebraucht weiß.
Der sich vielleicht für unersetzlich hält.
Und die, die gerne glauben, dass ihre Lösung die richtige Lösung für den anderen ist.
Da wird gerne Verantwortung übernommen, obwohl keiner sie darum gebeten hat.
Manche nehmen sich selbst in die Pflicht, dabei hat keiner sie verpflichtet.
Hier soll das Gebrauchtwerden bleiben.
Wenn es entfällt, dann kommt der Entzug.
Da trifft sich Schwach und Stark.
Der Schwache ist in der Regel nicht so schwach, wie er glaubt oder wie der scheinbar Starke es ihm vermittelt.
Und Schwachsein ist manchmal ein süßes Gift.
Da kann man Verantwortung abgeben.
Genau darauf hat der Starke gewartet.
Eine gewisse Verantwortungsscheu ist üblich.
Das ist nichts Schlimmes und nichts Unmoralisches.
Schwachsein ist auch manchmal eine Art Ausruhen.
Man kann sich vielleicht endlich mal zurücklehnen.
Mal loslassen, denn da ist einer, der hält.
In einen stressfreien Raum gehen und eine Zeit dort bleiben.
Kraft sammeln und neu starten.
Hier scheiden sich die Geister.
Der, der an meinem wieder Erstarken interessiert ist, der wird mich stützen.
Stützen in dem Maße, wie Stützung nötig ist.
Und er wird sich zurücknehmen, wenn ich wieder stärker geworden bin.
Er wird mir meine neu gewonnenen Stärken aufzeigen.
Er wird mir Mut machen und sich mit mir freuen.
Es geht auch um mein Menschenbild.
Traue ich anderen zu, dass sie sich positiv verändern können?
Auch wenn alles recht trostlos und hoffnungslos erscheint?
Ich benutze bewusst das Wort SCHEINT, weil ich zu oft erlebt habe,
dass der derzeitige Zustand nur scheinbar, also es scheint so, es ist eigentlich nicht so, so schwierig und problematisch ist.
Jeder hat das Recht sein Leben zu ändern. Manche ändern es radikal
und von Grund auf.
Und einige von JETZT auf gleich.
Andere brauchen Umwege, denn es gibt nicht DEN WEG.
Hier gilt es in unserem Inneren zu prüfen, welche Glaubenssätze in unserem Geist und in unseren Gefühlen kommen und gehen.
Es gibt immer noch viele Menschen, die sich nicht vorstellen können,
dass z.B. Süchtige dauerhaft abstinent bleiben können.
Es sind auch die, die auf Rückfälle warten, die mit ihren sorgenvollen Gesichtern in die falsche Richtung denken.
Nicht selten mit einer gewissen „Berechtigung", denn sie haben oft jahrelang nur Rückfälle und Rückschläge erlebt.
Sie müssen umlernen.
Neues, Genesung förderndes Denken und Verhalten einüben.
Und sie müssen glauben lernen.
Ein altes Kirchenlied lehrt uns: „Oh, dass du's könntest glauben, du würdest Wunder sehen!"
Es ist so und es heißt auch, dass der Glaube Berge versetzen kann.
Bei den Süchtigen, bei den Angehörigen und auch bei den Helfern.
Ich habe nämlich die Freiheit, meine Sicht der Dinge zu verändern.
Ich habe die Wahl und ich kann mich entscheiden. Das wissen viele nicht.
Denn die Dinge sind es nicht, es ist immer meine Sicht der Dinge, also mein Glauben über die Dinge, über die Menschen, über alles, was es gibt, auch über mich.
Ich kann mich um eine neue Anschauung bemühen.
Ich kann die Dinge und Menschen neu sehen lernen.
Und ich kann Menschen mitnehmen nach NEU-SEHLAND.
Manche wollen natürlich nicht mitkommen, damit muss ich rechnen.
So gibt es schlimme Krankheiten: Die Dummheit, den Trotz, den Starrsinn u.ä.
Menschen haben in der Regel Angst davor, dass ihre Sicht von der Welt nicht mehr Bestand hat und zusammenbricht.
Oft ist dieser Zeitpunkt der Beginn für eine Neuorientierung.
Das gilt für ihre Ansichten, Meinungen, Auffassungen, ihre Grundsätze,
ihre Moral, ihre Prinzipien,
eben ihr Weltbild, so auch ihr Bild von Menschen, auch von sich selbst.
Viele Menschen denken in einem Schubladensystem.
Danach bewerten sie, ordnen ein, diagnostizieren und fertig ist das Menschenbild.
Oft werden Prognosen geäußert, Vermutungen und Meinungen über Meinungen ausgesprochen.
Es gibt noch keine Tatsachen, keine Fakten, es werden Urteile vor dem Urteil benannt.
Ich frage gerne: „Woher weißt du das?", aber es kommen dann oft nur neue Vermutungen.
Die nächste Frage ist auch wichtig: „Woher kenne ich das, von wem, etwa von mir?"
Leider können wir uns bei der Begegnung mit anderen Menschen nicht LEER machen.
Wir stecken voller Vorannahmen und können sie nur durch neue Erfahrungen,
neues Nachdenken verändern und/oder austauschen.
Eine mühsame Aufgabe für uns alle.