Zu meiner Person: Ich bin 51 Jahre, und war über 30 Jahre lang süchtiger Spieler. In dieser Zeit verlor ich circa 250.000 € . In erster Linie habe ich mein Geld in Daddelautomaten (Geldspielgeräte) gesteckt, und in Pferdewetten investiert. Ich bin ledig, und lebe allein.

Ich habe mich schon die letzten Jahre geistig damit beschäftig, warum ich jedes mal um den Monats Ersten mein Geld verspiele. Erst vor drei Monaten war ich vier Sitzungen in einer psychologischen Beratung, in der ich den wahren Grund für mein Verhalten herausgefunden habe. Seit dem fällt es mir leicht auf das Zocken zu verzichten. Ich bin der Überzeugung, dass dieser Grund universell für alle Spieler gilt. Da ich glaube, dass dieser Zusammenhang. noch nicht allgemein bekannt ist, habe ich ihn hier eingestellt.

Ich schildere zunächst nur mein Suchtverhalten, erst am Ende dieses Skriptes erkläre ich die wahren Beweggründe. Der geschilderte Ablauf war Monat für Monat derselbe.

Ich komme Anfang des Monats an einer Spielhalle vorbei. In meiner Geldbörse befinden sich 100 €. Das Kribbeln in der Hose wird stark. Zehn Euro kann ich ja mal “investieren”. Vielleicht gewinne ich ja heute. Vielleicht habe ich ja heute Glück. Ich betrete die Spielhalle. Sobald ich die ersten zwei Euro in den Automaten gesteckt habe verliere ich die Kontrolle über mich. Natürlich gewinne ich nichts. Ich wechsle nach und nach die ganzen 100 € ein, und verlasse mit leeren Taschen die Spielhalle. Wie konnte das wieder passieren. Dabei war mein bestes Fach in der Schule die Mathematik, und an jedem Automaten steht ja, dass er nur 60% als Gewinne wieder ausschüttet.

Der Grund warum ich gespielt habe:
Es ist keinesfalls wegen der Aussicht auf Gewinne. Nur in fünf Prozent aller Fälle habe ich die Spielhalle mit einem Gewinn verlassen, der dann umgehend in den nächsten Tagen wieder verspielt wurde. Dieser Grund dient allenfalls als Anlass die Spielhalle betreten zu dürfen. Eine Rechtfertigung für sich selbst braucht schließlich jeder Mensch. Der wahre Grund ist tiefer gehend.

Der Tagesablauf des Durchschnittsmenschen verläuft in etwa wie folgt:
Sie stehen morgens auf, frühstücken, gehen zur Arbeit, Essen zu Abend, schauen Fernsehen (oder gehen ihren Hobbys nach), und legen sich wieder schlafen. Das ganze Leben verläuft relativ gleichmäßig, und damit eintönig. Alles ist abgesichert.

Der Zocker bricht mit seinem Spielen aus dieser Eintönigkeit aus. In der Spielhalle erlebt er große Gefühle. Wenn er die Gewinnleiter bis zum Anschlag hoch drückt gibt es einen sagenhaften “Kick.”. Auch wenn ich alles verliere erlebe ich große Gefühle. Ich fühle mich dann zum Schluss völlig ausgebrannt und leer wie meine Geldbörse. Wie ich eingangs geschrieben habe, verspielte ich in den ersten Tagen eines jeden Monats auf diese Weise mein Geld. Für den Rest des Monats konnte ich also mangels Masse nicht mehr zocken. Selbstverständlich habe ich auch in dieser Zeit große Gefühle erlebt. Mir ist bloß der Zusammenhang nicht klar geworden.

In der “geldlosen Zeit” ist folgendes geschehen:
Zum einen musste ich Freunde anpumpen. Diese Erniedrigung liegt auch außerhalb des gesellschaftlichen Durchschnittslebens, und somit gibt es einen gewissen Kick. Ich musste mir ja auch häufig Gründe einfallen lassen, warum ich schon wieder Geld benötige. Das ich mein Geld verspielt habe, konnte ich natürlich nicht erzählen. Gibt der Gläubiger aus Freundlichkeit jedoch mehr als man verlangt, ist die große Gefahr da, dass alles wieder verspielt wird. Ich habe dann ja zum Beispiel 20 € über, die ich investieren könnte. Und siehe da, sobald die Spielhalle betreten ist, verliere ich wieder die Kontrolle. Auch die Ausreden warum ich am Anfang des nächsten Monats mein Versprechen nicht wahr mache, und das Geld zurück gebe, gingen mir nicht aus. Als Spieler muss ich den Rest des Monats sehr streng haushalten. Häufig war mein Traum für den nächsten Monat: Wenn das nächste Gehalt auf der Bank ist, haue ich mir mal den Kühlschrank so richtig voll, und gebe fünfzig Euro nur für Essen aus. Dazu kam es in meiner Zockerzeit nie. Es nützt auch gar nichts, wenn Verwandte zum Beispiel mit dem Zeigefinger wedeln, und denken mit viel Geld helfen zu können. Sie gleichen zum Beispiel das Girokonto in bester Absicht aus. In diesem Falle passiert folgendes:” Die finanziellen Waagschalen sind plötzlich wieder ausgeglichen, aber gerade diesen Zustand will der Zocker ja gar nicht haben. Es droht jetzt ein gleichförmiger Lebensabschnitt. Die Wellen sind zur Ruhe gekommen. Sie können sich das bildlich so vorstellen, als wenn ein Seemann nach langer Zeit zum ersten mal wieder Land betritt. Im wird schwindelig, und er möchte wieder auf sein Schiff zurück. Er wird also seinen Dispo wieder bis zum Anschlag bringen. Genau dasselbe gilt für den Fall, falls die Bank den Dispo in einen Kleinkredit umwandelt, und ihn so wieder “freischießt”. Geld sind für den Zocker nur Chips, oder Zahlen. Geld hatte für mich keine Bedeutung so lange ich zocken konnte.
Ich lebte also ständig hart am Limit. Für überraschende Extraausgaben war nie Geld vorhanden.

Zusammenfassung:
Der Gelegenheitsspieler geht in eine Spielbank, weil es für ihn ein Ereignis oder Erlebnis ist. Er plant ganz bewusst einen bestimmten Geldbetrag auszugeben, den er auch schon abgeschrieben hat.
Der Zocker betritt die Spielbank am Monatsanfang mit der fordergründigen Absicht Geld zu gewinnen. In Wirklichkeit (im tiefsten Inneren) betritt er sie, um sein ganzes Geld möglichst schnell zu verlieren. Das eigentliche Ziel ist für ihn, wieder einen ereignisreichen Monat zu haben. Natürlich sind es nur negative Thrills die er sich auf diese Art und Weise verschaffen kann.


Da ich jetzt meinen Grund kenne, habe ich es nicht mehr nötig in die Spielhalle zu gehen. Die großen Gefühle kann ich auch auf anderem Wege erreichen.
Es würde mich freuen, wenn ihr zu diesen Zeilen Stellung nehmen würden.

Viele Grüße
Holger