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Thema: Mein wahrer Grund zu zocken

  1. #11
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    Standard AW: Mein wahrer Grund zu zocken

    Hallo Lila,
    das mit den Kick wenn ich Geld verspielt habe - kann als langjähriger Spieler nicht sagen, das es sich bei mir so verhielt.
    Viel mehr war es bei mir ein rauswollen aus dem täglichen Einerlei - abschalten . für sich sein - mechanisch was tun, ohne das sich Überlegungen einschalten. Diese kamen ja erst nach dem Spiel.
    Nach dem Spiel - ich spürte Zorn in mir - auf mich selbst - meine Veranlagung viel Arbeitskraft in den Automaten zu investieren - immer und immer wieder.
    Will jetzt nicht sagen, das ich in eine Art Sadismus verfiel als ich spielte.
    Nein - ich ging voller Freude zum Spiel - konnte es kaum erwarten den ersten 5er reinzuwerfen - mit einer Tasse Kaffee - den dazu obligatorischen Glimmstengel - und das gefangen sein im Spiel - einfach nicht bewußt Existenz zu sein, nur damit beschäftigt die Töne der Automaten - das Laufen der Walzen zu sehen - scheinbar zu Spüren wann denn mal ein Gewinn kam - auch zu spüren wann man hochdrücken kann - wann nicht. Es dennoch zu tun, um zu überprüfen ob man falsch liegt. Spielwelt halt - sonst nichts.
    Nicht im Bewußtsein was ich dadurch sozial für mich verursache, nicht bewußt das ich Liebe und eigene Existenz mitverspielte.
    Natürlich war es mir nach dem Spiel klar - und sagte mir fast jedes mal, den Scheiß brauchst du nicht für dich - das ist doch was für Idioten.
    Doch bald war ich wieder der Idiot - spielte - mit und ohne Spass.
    Ein Kreislauf schier nicht zu durchbrechen.
    Andere mögen andere Gründe haben - bei mir war es oberflächlich betrachtet der Spass am Spiel - das mich lange gefangen hielt und dafür sorgte, das ich auch Workaholic wurde - einfach um das Spiel weiter ausführen zu können.
    Nein - ich hatte nicht das Verlangen mir Probleme zu schaffen. Die kamen zwangsläufig durch den Einsatz von viel Geld - was an anderer Stelle fehlte.
    Ich habe mich gehasst dafür - habe geweint der Schwäche wegen - habe in meiner Verzweiflung Gott angeklagt - habe resigniert - bin wie ich bin - aber bin aufgewacht.
    Der Kreislauf ist durchbrochen - durch Liebe die ich erfuhr - und ich meine speziell für mich Gottes Nähe und Hilfe zu spüren.
    Es bewahrt mich nicht vor neuen Fehlern - aber in der Gesamtheit spüre ich ein Vorwärtskommen, ja, ich habe viel Zuwendung trotz meiner Sucht.
    So kann ich Vertrauensvoll auf das Morgen schauen - falle ich, so stehe ich wieder auf.
    Gefährde nicht mehr die eigene und andere Existienzen - und beginne mich selbst zu mögen.
    Ich denke, das die Unfähigkeit sich selbst zu lieben - das Gefühl niemals geliebt worden zu sein - tiefe Enttäuschung im Kindesalter - unser Suchterlebnis geprägt haben. Einfach nur sein zu dürfen - sich verkriechen und verstecken in einer Scheinwelt , das ist für mich die Spielsucht.
    Wir müssen uns bewußt werden, das es keinen Grund für uns gibt in einer Scheinwelt zu tauchen -müßen stolz auf uns werden . was bei einer Sucht recht schwer ist - und den festen Willen haben unsere Sucht zu beherrschen - dann wird es auch gelingen. Jeder Spieler hat diese Chance.
    Zuversicht und Anerkennung braucht ein Suchtkranker - hat er das, wird der Weg in eine positive Zukunft führen.
    Vorhaltungen treiben den Suchtkranken eher tiefer in sein Verhalten, dennoch muß ihn klargemacht werden, das man nicht bereit ist, seine Sucht mitzutragen.
    Bereit ist zu helfen - wenn er sich selbst helfen will - und das nicht nur sagt, sondern auch handelt.
    Konsequenz ist für einen Mitbetroffenen unumgänglich. Die Konsequenz das eigene Leben vorne an zu stellen - nur dann und dadurch ist Hilfe für einen Suchtbetroffenen möglich.
    Er ist letztlich für sein Leben verantwortlich - allein - du für das Deine. Vergiß das nie - sonst tuts nur noch weh.

    Herlichst Gerri

  2. #12
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    Standard AW: Mein wahrer Grund zu zocken

    Hallo Lila,

    Deine Frage nach dem Kick trifft den Kern der Sache, würde ich mal sagen.

    Ich möchte Dir von mir erzählen, was für mich die Erklärung war, warum ich spielte, über viele Jahre hinweg und nicht allein aus diesem Teufelskreis herauskam:

    Am Anfang - und ich glaube das geht jedem so, wenn man die ersten Male spielt, dann ist es ein Spiel - nicht mehr. Entwickelt zur Sucht hat es sich erst so nach und nach - und irgendwann verselbstständigt.

    Der Automat nahm mein Geld, er versprach mir die Aussicht auf Gewinn. Gewinn war gleichbedeutend für besiegen. Es war ein Kampf, den ich nur verlieren konnte, weil die Automaten nun mal so ausgerichtet sind. Weil ich immer verloren habe. Weil ich nichts anderes kannte als zu verlieren. Der Kampf ging in Sekunden hin und her. Der Automat vermittelte mir das Gefühl, ihn in jedem einzelnen Spiel besiegen zu können. Der Automat war ich, mich wollte ich besiegen.

    Ich habe es schon einmal anders erklärt: In dem Moment, in dem ich die Halle betrat, gab' ich alle meine Gedanken, meine Gefühle, meine Probleme ab am Automaten wie an einer Garderobe. Mein Kopf war leer und die Konzentration war einzig und allein aufs Spielen gerichtet. Gewann ich tatsächlich mal, dann war es nur eine Verlängerung der Spielphase und der Auszeit, die ich mir damit verschaffte.

    Warum waren mir diese Auszeiten so wichtig? Wichtiger als alles andere auf dieser Welt? Weil ich es nie kennenlernte, mit Gefühlen umzugehen. Weil ich lernte - von klein auf an - sie zu vergraben, sie nicht für andere sichtbar machen zu dürfen. Das ist jetzt nicht ganz richtig, richtiger ist: ich lernte es, die Gefühle zu zeigen, die andere von mir erwarteten und die wahren Dinge zu verheimlichen, zu verstecken.

    Ein kleines Beispiel: meine Mama war sehr böse mit mir. Sie kam vom Einkauf zurück und hatte viele Tüten mit neuen Klamotten dabei. Jedes einzelne Teil zeigte sie mir und erwartete von mir, dass ich mich mit ihr freute. Soweit ich mich erinnere, habe ich das auch, allerdings wohl nicht genug nach ihrem Geschmack. Ich weiß noch, das sie mir eine weiße Bluse um die Ohren haute und mir vorwarf, ich wäre neidisch. (Viel später -letztes Jahr- habe ich erfahren, dass sie die Sachen von meinem Geld gekauft hatte - Geld, welches das Jugendamt für mich angespart und ihr zur Verfügung stellte, als sie das alleinige Sorgerecht für mich bekam.)

    Ein weiteres Beispiel habe ich hier in meinem Beitrag "Zeitreise" beschrieben.

    Ich möchte klar und deutlich zum Ausdruck bringen, dass ich meinen Eltern keine Schuld an meiner Spielsucht gebe. Sie haben im Rahmen ihrer Möglichkeiten gehandelt und mich erzogen.

    Fakt ist, dass ich es erst jetzt lerne, wirklich zu leben mit allen Höhen und Tiefen meines Bewußtseins, ohne Versteckspiel, mit Vertrauen in mich selbst.

    Marlies

  3. #13
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    Standard AW: Mein wahrer Grund zu zocken

    Hallo ihr Lieben,
    Aufmerksamkeit. Bei mir gehr es darum aufzufallen. Raus aus der grauen Uniform. Wenn ich im Lauf des Spielens war, war ich auch wer. Sonst kam ich in meinem Leben gar nicht vor.
    Wenn der Geldspielautomat vor deem ich saß bimmelte unt tutete bekam ich ja diese Aufmeksamkeit. Alles was sonst noch in der Halle rumstand blickte zu mir. "The Winner is ...."
    Wenn ich zur Sparkasse ging und die von mir gefälschten Schecks (meiner Mutter) einlöste. bekam ich Aufmerksamkeit. Zur Legitiomation legte ich meinen Ausweis vor. Einmal wurde ich fast zurückgewiesen. Die Gültigkeitsdauer des Ausweises lief ab. Trotzem dekam ich das Geld. Und - ich bekam Adrianin ohne Ende! Keine Ahnung was mein Herz alles mit dem Blutdruck zu verarbeiten hatte. Mir ging es nur gut, wenn ich "unter Strom" stand. Das war mein Kick.
    Claus schreibt: Kick = Ärger.
    Im Sommer 1989 bekam ich aus einem Spielautomaten eine Gewinnserie, dessen Ausspielung satte 3 Stunden daiuerte. Damals der absolute Höchstgewinn!. Ich lieft jubelnd aus der Halle raus als der Kasten noch spielte, in die anderen Hallen rein (alle im Rotlichtviertel) und euphorisierte mein Glück. Steckte anschließend die Kohle ein, nonchalant ein Trinkgeld verabreichend und ging locker an der Sparkasse - Ich habe in dieser Situation habe ich das erste Mal den Schmerz des Spielens gespürt, als ich an dem Geldinstitut, an dem ich meinen Betrug vollzogen habe vorbei wollte. Es war wie ein heftiger Keulenschlag!.
    Ich muße noch zwei Mal in den folgenden 4 Wochen in diese Sparkassenfiliale gehen.
    Dann fand ich den Weg - über den Weg der Selbstanzeige (bei der Kripo) - in meine Selbsthilfegruppe.
    Schöne 24 Stunden
    Andreas

  4. #14
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    Standard AW: Mein wahrer Grund zu zocken

    Vielen Dank Euch allen!
    Ich finde es toll, wie weit ihr mit Eurer Reflektion der Sucht gegenüber schon gekommen seid ( komischer Satz, aber ich kann es gerade nicht besser formulieren).
    Leider ist mein Freund noch nicht im entferntesten so weit.
    Als gestern ein Arbeitskollege ( den ich nicht kenne, kommt also nicht von mir )ihn aufs "Spielen" angesprochen hat, hat er anscheinend umgehend gekündigt. Wo er jetzt ist, kann ich nur vermuten...
    Liebe Grüße
    Lila

  5. #15
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    Standard AW: Mein wahrer Grund zu zocken

    Hoch interessant, wirklich war. Ich kann so vieles von dem Geschriebenen nachvollziehen.

    Der Threaderöffner schrieb: Wenn alles im Lot war, musste ich zocken gehen.

    Das kenne ich sehr gut. Da kämpft man sich mit seinem Partner aus dem finanziellen und emotionalen Tief, das Konto ist einigermaßen schick, man könnte sogar was Schönes kaufen. Aber das war auf einmal nicht mehr attraktiv. Dann schlug der Spieldruck mit voller Kraft zu. Meistens geht es ja in die Hose, aber man fängt wieder von vorne an zu kämpfen. Alles auf Anfang. Nicht weiterentwickeln.

    Ein anderer schrieb, es wäre die Lust am Spiel, das ausloten der Möglichkeiten, das überlegen von Strategien. Auch das kenne ich. Zu gut.

    Nur der Wunsch zu verlieren, den hatte ich wirklich nie.

    Man vergleicht die Wirkung des Adrenalins beim Spielen mit dem von Kokain. Das erklärt evtl. Außenstehenden diese Macht der Spielsucht. Es knallt einfach im Kopf. Und das möchte man immer wieder.

  6. #16
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    Standard AW: Mein wahrer Grund zu zocken

    Hallo Zusammen!
    Vielen Dank für alle Beiträge zu meinem Thema. Schön das ihr Euch alle so geöffnet habt. Ich selbst hatte als Nachkömmling liebevolle Eltern, und eine vielleicht alzu behütete Kindheit. Zum Beispiel habe ich erst mit ca. 15 Jahren Taschengeld bekommen. Dies hat vermutlich dazu beigetragen, dass ich nicht gelernt habe mit Geld richtig umzugehen.

    Ich möchte mein Thema jetzt nur noch einmal für Princess und Lila ergänzen, beziehungsweise abrunden:

    Alle süchtigen Spieler haben mit Sicherheit zwei Eigenschaften:
    Sie sind alle Optimisten, und Masochisten.

    zu Optimisten:
    Das erklärt sich glaube ich von selbst. Wenn ein Zocker regelmäßig jeden Monat sein Geld verspielt, und dann am nächsten Ersten wieder die Spielhalle betritt (mit der Begründung: Heute habe ich Glück!) muss ein wahrer Optimist sein.

    Zu Masochisten:
    Ich möchte das Motto einer großen Fussballlegende einmal aufgreifen:
    "Nach dem Spiel ist vor dem Spiel". Das gilt auch für den Zocker.

    Nachdem ich mein Geld an den Automaten für diesen Monat verspielt hatte, war das "kleine Spiel" für diesen Monat abgeschlossen. Als kleines Spiel bezeichne ich einmal das verspielen von meinem Geld.

    Danach folgte das "große Spiel". Ich verweise hier auf den Beitrag von Jürgen und AndreasG, die auf anschauliche Art und Weise beschrieben haben, was so alles in einem Zockerleben passieren kann.
    Ich nenne es das grosse Spiel, weil sich für den Rest des Monats der "Spieleinsatz" deutlich erhöht. Dementsprechend ist der Kick natürlich auch bedeutend höher. Ich kann mir also in dieser Phase deutlich mehr Schmerzen zufügen.
    Das liegt an folgendem: Ich spiele nun mit gewachsenen Beziehungen zu Menschen. Diese habe ich mir über die Jahre aufgebaut. Die Frage lautet also für den nassen Spieler: Wie weit kann ich gehen, bevor die Bezugsperson die Beziehung abbricht? Wenn sie dabei tolleriert ,dass das Girokonto ständig am Dispolimit liegt, dann wird die Grenze weiter gezogen. Zum Beispiel: Ich verkaufe unser gemeinsames Auto um weiter zocken zu können (selbstverständlich ohne die Einverständniserklärung vom Lebenspartner).
    Wenn die Ehefrau ihn darauf hin aus dem Haus schmeißt, und ich als Obdachloser am Ende unter der Brücke schlafen muss, auch das ist eine Grenzerfahrung und verspricht "große Gefühle", viel größere als ich in der Spielhalle je erreichen könnte.
    Das einzige Problem dabei ist folgendes: Nachdem ich unter der Brücke schlafe habe ich wirklich alles verloren. Nicht nur das Geld, sondern auch meine sämtlichen Freunde und Bekannte. Das schlimme daran ist, dass es dann ganz schwierig ist aus dieser Situation heraus zu kommen, und wieder ein soziales Netz aufzubauen, durch das ich gerade gefallen bin. Selbst ich als Nichttrinker würde wahrscheinlich in diesem Falle zur Flasche greifen, mich selbst bedauern, und meine Lebenserwartung würde jeden Monat um ein Jahr sinken.

    Angehörige tun also dem Spielsüchtigen keinen Gefallen wenn sie nachsichtig sind, und immer wieder "die Grenzen" in Bezug auf Geld verschieben. Hier greifen nur radikale Lösungen. Spontan fällt mir folgender Vorschlag ein:
    Die Ehefrau vereinbahrt mit dem spielsüchtigen Ehemann, dass sie zukünftig nur noch ein Konto haben werden, auf dem nur sie die Berechtigung zum Abheben hat. Sein Gehalt wandert auch auf ihr Konto. Er erhält von Ihr ein wöchentliches Taschengeld von zum Beispiel 25 €. Über dieses Geld kann er dann wirklich völlig frei verfügen. Wahrscheinlich wird er es jeden Montag sofort in der Spielhalle verballern. Wichtig ist die wöchentliche Auszahlung, denn dann hat er eine kürzere Wartezeit "bis zum nächsten Schuß".
    Alle anderen Ausgaben müssen dann aber von dem Konto der Ehefrau bestritten werden. Sollte er einmal tanken müssen, bekommt er mit dem Beleg die Auslagen zurück erstattet.
    Der einzige Nachteil bei diesem Weg ist, dass die Ehefrau unter Umständen denkt, sie hätte jetzt ein neues Kind das nie richtig erwachsen wird. Sehen Sie bitte darüber hinweg. Sie haben immer noch ein Kind mit "Schulter zum Anlehnen".

    Das liegt daran, weil ein Zocker eines wirklich gelernt hat. Das ist verlieren zu können. Ein guter Verlierer hat den Vorteil nicht um jeden Preis gewinnen zu müssen. Er ist in der Regel auch ein guter Zuhöhrer und ohne Geld in der Regel ein friedlicher Zeitgenosse.

    Liebe Grüße
    Holger

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