Hallo,
gezockt wird ja im allgemeinen, um Gewinne zu erzielen. Bei uns Spielsüchtigen sehe ich es jedoch ein wenig anders.
Ich wollte gewinnen, um zu beweisen das ich ein Gewinner bin.
Das war mir anfänglich gar nicht bewußt - habe mich gefreut, wenn mal ein Gewinn kam.
Im Laufe meiner " Spielerkarriere " war es eigentlich egal, ob ich gewann - denn ich hörte nicht auf. Ein Gewinn verlängerte mein Aufenthalt in der Spielstätte - manchmal auch über Tage.
Nach der Arbeit dann mal schnell ein paar Stündchen zocken. Ruhe fand ich erst, wenn das Geld total verspielt war.
Nun hatte ich den Vorteil einer selbstbewußten und starken Partnerin.
Sie verwaltete und ordnete die finanziellen Dinge, so das ich nicht in Versuchung kam Konten zu plündern. Wohl aber heimlich Kredite aufnahm - für meine Sucht - mir zusätzliche Arbeit aufbürdete - Überstundenvergütungen verheimlichte. All das war meins - sah ich so- und all das wanderte in Spielgeräte.
Neben dem Geld war es aber auch die Zeit die ich in den Hallen verbrachte. Zeit die fehlte um Familie und Liebe zu leben. Aber auch die Zeit die ich brauchte um durch Zusatzarbeit genügend Spielgeld zu haben.
Das alles führte zu einer immensen körperlichen Belastung.
Auch dahingehend, das ich zeitweise keine Lust auf Zärtlichkeit , Erotik und Sex hatte. Zu sehr materte es in meinen Gehirn - und alles drehte sich um die heimliche Beschaffung von Spielgeld.Um die Ausreden, die parat sein mußten wenn ich erklärte wo ich die Zeit verbringe. Also - ein gewaltiges Lügennetz aufbaute, welches viel Energie verbrauchte es aufrecht zu erhalten.
Wahrheit sprechen ist einfach - sich nicht beim Lügen ertappen zu lassen mitunter eine Kunst der besonderen Art. Das jedoch gelang mir mit einem geradezu erstaunlichen Einfallsreichtum.
Wo aber - so frage ich mich heute - mit 57 - wo ist mein Leben geblieben ?
Es ist an mir vorbei gerauscht. Spürte keine Freude in mir - verdrängte Trauer und Kummer - und ständig die Schuldgefühle - und die Meinung wertlos zu sein.
Alles worüber sich Menschen freuen - erlebte es nur wie durch einen Filter.
Kein Vogelgezwitscher am Morgen - kein schönen Sonnenuntergang am Abend - all das nahm ich nicht bewußt wahr. Auch nicht, wenn meine Frau sich besonders chic machte um mir zu gefallen. Welch armes Leben....
Mein Leben bestand aus Spiel - starken schwarzen Kaffee - unendlich vielen Zigaretten - und Lügengeschichten die ich teilweise schon selbst glauben konnte.
Mein Leben ...wo liegt der Sinn darin??
Etwas davon ist übrig - muß meine Sinne schärfen es wahrzunehmen.
Konzentriere mich auf das Vogelgezwitscher am Morgen - den Wind der durch Haare und Baumwipfel fegt - den Sonnenuntergang - den Regen in meinen Gesicht - beginne zu Leben - endlich zu Leben, weil ich meine Sucht nicht mehr zulasse.
Kann Gott endlich Danke sagen - für mein Leben.
Ja, es ist voller wert Mensch zu sein -
jedoch NICHTS wert, wenn ich die Marionette meiner Sucht bleibe.

Ich finde zu mir - es war und bleibt ein schwerer Weg. Doch je weiter ich ihn gehe, je leichter wird er.

Ich wünsche einen jeden Mensch zu sein - und nicht die Marionette einer Sucht.

Lieben Gruß
Rudi