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Thema: Er hat mich geschubst

  1. #1
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    Standard Er hat mich geschubst

    Mein Freund hat seinen - meiner Meinung nach ersten ernsthaften - Versuch gestartet mit dem Automatenspielen aufzuhören.
    59 Tage lang lief es gut.

    Letzte Woche dann kam der Rückfall.
    Er hat an einem Tag weit über 3000€ verspielt, war am nächsten Tag am Boden zerstört, sehr wütend auf sich selbst.

    Wir haben geredet - was er nicht gern freiwillig tut, und danach ging es ihm auch wieder besser.

    Heute bin ich dann - auf Verdacht - am Wettbüro vorbeigefahren und hab ihn auch prompt dort gefunden.
    Ich bin schon ein paar Mal hineingegangen wenn er gespielt hat, und auch jedes Mal prompt wieder "rausgeflogen". Es ist ihm extrem unangenehm, dabei gesehen zu werden (zumindest von mir?)

    Jedenfalls bin ich heute trotzdem wieder rein.
    Nein, nein, ich hatte nicht die Illusion ihn da wirklich rausholen zu können, aber ich wollte ihm die Ansatzmöglichkeiten vorführen
    (wir könnten jetzt woanders hingehen, oder ich könnte das Bargeld das du mit hast bis morgen an mich nehmen)

    Er hat mich aufgefordert zu gehen, ich hab es aber hinausgezögert und mich geweigert (natürlich wär ich nach ein paar Minuten wieder abgezogen, wollt aber zeigen, dass ich so leicht nicht abzuschrecken bin)
    Tja, da hat er mich beiseite geschubst - zuerst eher andeutungsweise, als ich mich dagegen gestemmt habe aber etwas fester, sodass ich tatsächlich über die Stufen hinunter gestolpert bin.

    Ich war total baff, hätte überhaupt nicht damit gerechnet, dass er handgreiflich wird - vorallem weil er gar nicht wütend war, er hat eher total gequält gewirkt.

    Um das klarzustellen, es war nicht wirklich ein fester Angriff, er wollte mir wohl nicht wehtun sondern mich nur loswerden, aber ich bin sehr erschrocken und enttäuscht.

    Auf der einen Seite weiß ich, dass ich ihn total ins Eck gedrängt hab und ihn wohl auch provoziert, auf der anderen Seite rechtfertigt nichts davon die Situation.
    Ich hab ihm daraufhin in meiner Hilf- und Sprachlosigkeit in den Arm geboxt und ihm dann auch noch eine gescheuert (nein, da bin ich nicht stolz drauf), aber in dem Moment hätte ich ihn auch total verprügeln können (theoretisch, praktisch fehlt mir da sowieso die Kraft), denn er hat sich nur noch geduckt wie ein kleines Kind, das Schläge erwartet.

    Ich will die Situation einerseits nicht überbewerten, andererseits auch bestimmt nicht auf die leichte Schulter nehmen.
    Ich weiß, niemand von euch kann mir sagen, was ich tun soll, das ist auch gar nicht nötig - ich denke ich weiß recht gut was ich tue, aber ich musste mir das jetzt irgendwie von der Seele schreiben.

    Also danke fürs lesen,
    liebe Grüße
    Leilani

  2. #2
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    Standard AW: Er hat mich geschubst

    Hallo!

    Das war eine sehr nachdenkliche Woche für mich.
    Mein Freund geht mir seitdem aus dem Weg, ist nicht zu einem Gespräch bereit.
    Ist auch nichts Neues.

    Ich habe ihm deshalb jetzt einen Brief geschrieben, weil ich so schnell nicht aufgeben möchte.
    Aber ich bin mir doch ein wenig unsicher, ob ich damit nicht vielleicht doch zu weit gehe, und möchte deshalb diesen Brief hier hereinstellen
    - mit der Bitte um eure Meinung.

    Nur bitte ich euch zu bedenken, dass das ein ziemlich intimes Detail ist, das ich hier preisgebe, auch wenn mich niemand von euch kennt.
    Und ich hab sehr wohl Angst, gleich in der Luft zerrissen zu werden.


    Lieber X,

    ich habe viel von dir gesehen – weil ich dich gut kenne, weil ich Interesse an dir habe und deshalb genau hinschaue und nicht zuletzt, weil du mir immer wieder selbst Einblick in deine Seele gewährst.
    Ich denke, einerseits möchtest du gesehen werden – denn nur wer dich so sieht, wie du wirklich bist kann wirklich DICH lieben, anstelle der perfekten Maske, anstelle der Schauspielerei.
    Andererseits ist dieser Aspekt auch mit einem Schamgefühl verbunden. Es ist peinlich, wenn jemand unser ganzes Elend, unsere Schwächen, unsere Unzulänglichkeiten sieht.

    Ist es das, was letzte Woche passiert ist?
    Weißt du, ich habe nicht damit gerechnet, dass du tatsächlich handgreiflich wirst, und zwar aus einem ganz konkreten Grund heraus: Ich habe keine Wut gespürt.
    Du warst gar nicht wütend, oder?
    Hast du dich einfach beschissen gefühlt, weil du zu schwach warst um den Automaten zu widerstehen? War es dir peinlich so gesehen zu werden? In deiner größten Schwäche?
    Mir wäre es vielleicht so ergangen.
    Vielleicht irre ich mich, aber du wolltest mir nicht weh tun, oder? Du wolltest mich schlicht und einfach loswerden.
    Du bist innerhalb von zwei Minuten total ausgerastet, die Provokation war relativ gering, und es war klar, dass ich letztendlich wieder gehen würde. Trotzdem hast du es nicht ertragen, die fünf Minuten abzuwarten. Was müssen da für Kräfte in dir getobt haben?
    Wie klein und zerrissen musst du dich gefühlt haben?
    Und wie geht es dir dabei das jetzt zu lesen?
    Tu ich es schon wieder? Verletze ich dein Schamgefühl?
    Das tut mir leid, das ist nicht meine Absicht. Aber du siehst ja, Absicht und Endergebnis sind nicht immer identisch.
    Aus meiner Sicht heraus musst du dich ja nicht schämen für deine (vermeintlichen) Schwächen. Denn ich liebe dich, egal was du auch tust.
    Ich sehe auch deine Rückfälle aus einem anderen Blickwinkel als du. Und abgesehen von der finanziellen Seite finde ich sie auch gar nicht so schlimm.

    Aber was nun?
    Offensichtlich bist du nicht bereit mit mir darüber zu reden – weder über deine Probleme, noch über deine Attacke.
    Ich kann mir nicht vorstellen, dass es dir besonders gut geht.
    Ich weiß nicht, ob du wirklich krank bist (es wäre jedenfalls typisch für dich, dass dein Körper auf so eine Situation mit Krankheit reagiert), oder nur mir aus dem Weg gehst (wobei das eine ja das andere nicht ausschließt).
    Aber früher oder später werden wir beide uns wieder gegenüberstehen.
    Was dann?
    Am ehesten rechne ich damit, dass du mir aus dem Weg gehen wirst. Wirst du versuchen so zu tun als wäre nichts? Auf cool machen? Wieder die Wir-sind-nur-Freunde-Nummer?
    Das werde ich nicht können.

    Egal wie es zwischen uns weitergeht, ich möchte dass du dir meine Empörung und meine ganze Wut anhörst, und dass du sie akzeptierst.
    Ich möchte dir meine ganze Traurigkeit und meine Bitterkeit entgegenschleudern.
    Und ich möchte, dass du das aushalten kannst.

    Ich weiß nicht, was du willst.
    Und mehr denn je frage ich mich, ob ich nicht vielleicht doch total verrückt bin.
    Bilde ich mir das alles tatsächlich nur ein?
    Ist es falsch auf meine Intuition zu hören, weil sie nur Wunschdenken ist?
    Bilde ich mir deine Zuneigung tatsächlich nur ein?
    Und dass du Fortschritte machst?
    Irre ich mich, wenn ich denke, dass du an dir arbeitest?
    Gehe ich dir nur auf die Nerven, anstatt dir zu helfen?
    Bin ich nur lästig mit meinen Gedanken und Gefühlen und Gesprächsversuchen?
    Schade ich dir, wo ich helfen will?
    Verfolge ich dich tatsächlich und du weißt einfach nur nicht, wie du mich loswerden sollst?
    Bin ich aufdringlich statt verständnisvoll?

    Liebst du mich, oder bin ich dir in Wahrheit völlig gleichgültig?
    Ich weiß einfach nicht mehr, was ich glauben soll.
    Ich weiß nicht mehr, woran ich mich festhalten soll, worauf mich stützen?
    Was ist richtig, was ist falsch?

    Meine Intuition sagt, du brauchst meine Liebe mehr denn je, du brauchst die Gewissheit, dass ich tatsächlich hinter dir stehe, dass ich dich tatsächlich liebe, auch wenn du „böse“ bist.
    Aber was, wenn das nicht stimmt?
    Was, wenn ich dich in Wahrheit damit nur bedränge?
    Und wo bleibe ich dabei – wer liebt mich, auch wenn ich „böse“ bin?
    Wie kann ich bleiben, wenn ich immer wieder weggestoßen werde – macht das überhaupt noch Sinn?

    Warum meldest du dich nicht bei mir?
    Verdiene ich es nicht, dass du mit mir redest?
    Dass du ausrastest – okay, das ist eine Sache.
    Aber warum bringst du es nicht über dich, in dem Moment wo dein Kopf wieder klar wird zum Hörer zu greifen und anzurufen?
    Warum hast du kein Bedürfnis mit mir zu reden, oder wenn du das Bedürfnis doch hättest, warum darfst du ihm dann nicht nachgeben?
    Warum macht es dir scheinbar nichts aus mir weh zu tun?
    Warum kannst du mich nicht einfach in den Arm nehmen und meinen Schmerz wegstreicheln?
    Warum ist Berührung und Nähe so schwer für dich?
    Warum kannst du meine Ängste nicht nachvollziehen?

    Weil ich dir egal bin?
    Ist die Antwort auf all diese Fragen so banal?
    Oder ist da doch mehr dahinter?

  3. #3
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    Standard AW: Er hat mich geschubst

    Hallo Leilani,

    auf Deinen ersten Beitrag habe ich absichtlich nicht geantwortet. Ich hatte den Eindruck, dass es Dir wichtig war, Dir Dein Erlebnis einfach nur einmal von der Seele zu schreiben.

    Ein weiterer Eindruck war auch, dass Du eigentlich genau weißt, was nicht richtig ist bei Dir, bei Deinem Freund, aber auch so wirklich nicht bereit bist, loszulassen, um so wohlmöglich eine Änderung herbeizuführen.

    Nun stellst Du diesen Brief hier ins Forum und fragst nach Meinungen. Hast Du ihn eigentlich schon weitergegeben? Wieso hast Du das Gefühl, jetzt von den Useren (natürlich auch von mir) in der Luft zerrissen zu werden? Und ist an so einem Gefühl nicht auch einfach immer ein kleines Stückchen Wahrheit? Ich kenne Dich nicht, weiß also nicht wie Du sonst "tickst". Vielleicht interpretiere ich auch völlig falsch, dann bitte ich Dich ganz herzlich um Verzeihung:

    Solange Dein Freund "voll drauf" ist, wird er diesen Brief nicht verstehen können/wollen. Er ist eine einzige Liebeserklärung, gleichzeitig aber auch ein (verzeih' mir das harte Wort) Betteln um Liebe. Der Brief beinhaltet alles, was Dein Freund braucht, um weiter seiner Freizeitbeschäftigung nachgehen zu können und genau zu wissen, dass - wenn er mit dem kleinen Finger schnippt - Du sofort die ganze Leilani mit Freuden dem Verbrennungsplatz zuführen wirst, freiwillig und selbstzerstörend.

    Es tut mir so leid, ich hätte Dir so unendlich gern etwas Ermutigenderes geschrieben

    Marlies

  4. #4
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    Standard AW: Er hat mich geschubst

    Hallo Leilani,

    damit Du eine zweite Meinung haben kannst, möchte auch ich Dir kurz antworten.
    Letztlich ist meine Meinung die gleiche wie die von Mikesch.
    Du machst Dich klein und liebst über die Grenzen des eigentlich möglichen hinaus.
    Du zeigst ihm, dass er im Grunde so weitermachen kann. Hauptsache Du wirst von ihm geliebt.
    Vermutlich wirst Du ihn mit diesem Brief nicht erreichen können. Verstehst Du was ich meine? Grenzen aufzeigen wäre vielleicht der richtigere Weg. Du kämpfst gegen oder auch für etwas nicht greifbares und machst Dich dabei kaputt. Wie lange hast Du die Kraft? Hast Du überhaupt noch welche? Du klingst stark und möchtest alles für ihn tun...ihm helfen....
    DAS KANNST DU NICHT!
    Er muss sich selbst helfen sonst funktioniert das nicht.

    Du hast einen Satz geschrieben, an dem ich regelrecht "hängen blieb".

    -----ich sehe auch Deine Rückfälle aus einem anderen Blickwinkel als Du.Abgesehen von der finanziellen Seite finde ich sie gar nicht so schlimm--------

    Rückfälle sind IMMER schlimm, Leilani, für einen Menschen der wirklich mit dem Spielen aufhören möchte. Das Geld, dass man verliert spielt irgendwann nur noch eine sekundäre Rolle. Natürlich ist das auch schlimm aber es sind für einen Menschen , der aufhören möchte ganz andere Dinge schlimm. Die Gefühle, die man nach einem Rückfall hat...dass man es WIEDER nicht geschafft hat. Dass man schwach und unfähig ist. Das sind die Gefühle, die zumindest in meinem Fall die viel schwerwiegenderen waren.
    Wie auch immer, ich denke es ist wirklich falsch zu sagen, dass Rückfälle, egal wie teuer sie waren nicht schlimm sind, denn dann wären Gewinne bei einem Rückfall ja ein GUTER Rückfall und so etwas gibt es nicht. Es wäre auch für ihn ein Grund immer weiter zu spielen...wenn Du es ja nicht so schlimm findest, so lange er kein Geld verliert.
    Wer so denken kann, der wird nicht trocken und wer immer Hilfe bekommt, der wird sie auch immer erwarten und nicht selbst etwas tun.
    Bring ihn in die Situation selbst etwas tun zu müssen!
    Das ist sooo wichtig!

    Ich würde mir wünschen, dass Du diesen Brief noch nicht abgeschickt hast und Du Deine Situation und das was Du schreiben möchtest noch mal überdenkst.
    Ich kann mir vorstellen , wie Du Dich fühlst und was Du gerne möchtest.

    Ich wünsche Dir Kraft!

    Sternchen*

  5. #5
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    Standard AW: Er hat mich geschubst

    LIebe Marlies,

    erst mal herzlichen Dank für deine Antwort und deine offenen Worte.

    Ja, ich denke ich habe einen relativ guten Überblick über die Situation, und darüber was nicht gut läuft.
    Mit dem Loslassen - naja, ehrlich gesagt häufen sich meine Zweifel in dem Punkt (je nachdem wie es von dir gemeint ist) mehr und mehr.
    Was mich zum einen stutzig macht, ist der Trend, den dieses Wort in den letzten paar Jahren erfährt.
    Plötzlich soll man alles und jedes loslassen, ganze Bücher tauchen zum Thema auf, und letztens hab ich sogar eine Anzeige für ein Loslassen-Seminar entdeckt.
    Ich will auch gar nicht behaupten, dass da nichts dran ist - so hab auch ich jahrelang fanatisch nach einem Weg gesucht loszulassen.
    Das ist so die zweite Sache, die mich daran stutzig macht - denn fast alle haben Probleme damit, keiner weiß so recht wie es geht, und die die es geschafft haben etwas oder jemanden loszulassen, können auch nicht erklären oder beschreiben wie sie das zustande gebracht haben.

    Und so entsteht langsam aber sicher eine Ablehnung gegen diesen Begriff in mir - weil ich einfach niemanden kenne, dem der Ratschlag loszulassen irgendwie geholfen hat.

    Aber ich möchte noch weiter gehen - gerade hier, in einem Suchtforum.
    Du hast das Wort nicht benutzt und vielleicht hast es auch nicht in dem Sinne gemeint - aber gerade im Zusammenhang mit Sucht liegen die Worte "Loslassen" und "Fallenlassen" nicht so weit auseinander.

    Und ja, es mag Situationen geben, in der das Beste was man für einen Süchtigen tun kann ist, ihn fallen zu lassen.
    Wenn die Chance besteht, dass demjenigen dann die Augen aufgehen und er bereit ist etwas zu ändern, weil er sonst jemanden verliert, dann ist das bestimmt der richtige (und der einfachere!) Weg. Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob da nicht auch nur ein Symptom gelöscht wird anstatt der ganzen Krankheit.

    Aber - ich schreibe das jetzt am Beispiel meines Freundes, bin aber der Meinung, dass es für sehr viele (oder fast alle?) anderen auch zutrifft - macht das wirklich Sinn?
    Wenn ich es nämlich rein aus der Warte des Süchtigen betrachte, und meine eigenen Gefühle, mein Ego und meine Bedürfnisse erst mal außer Acht lasse - was bleibt dann???

    Was wäre wenn ich ihn jetzt fallenlassen würde?
    Das wäre nichts Neues für ihn.
    Er ist seit über 25 Jahren Spieler, sein Vater war Spieler und Alkoholiker noch dazu. Er ist damit also aufgewachsen und hat nie etwas anderes kennengelernt.
    Ich wäre nicht die Erste die ihn fallenlässt und bestimmt auch nicht die Letzte.
    Geholfen hat ihm diese Erfahrung noch nie.
    Ich möchte aber noch weitergehen:
    Ist es nicht genau dieses fallen gelassen werden (oder verlassen werden), das uns schon in früher Kindheit so eine tiefe Wunde zufügt, diesen Mangel an Liebe - und in weiterer Folge an Selbstwertgefühl - verursacht?

    Ist es nicht schon die Unfähigkeit unserer Eltern uns die Liebe und Fürsorge zuteil werden zu lassen, die wir so dringend brauchen, die uns erst in die Sucht treibt?(und ich meine das jetzt völlig wertfrei!)

    Hier zwei Anmerkungen am Rande:
    Ich schreibe jetzt "wir" weil ich zwar nicht spielsüchtig bin, aber naja, sagen wir mal Probleme mit der Kontrolle meines Essverhaltens habe.
    Und zweitens, das mag vielleicht nicht für alle zutreffen, nichts liegt mir ferner als das hier zu verallgemeinern, okay?

    Aber um meine Frage zu konkretisieren:
    Wenn es Liebe ist, die uns ohnehin schon mangelt, wie bitte soll Liebesentzug uns dann weiterbringen?

    Die Frage ist nur, wie diese Liebe aussieht.
    Wie bedingungslos kann diese Liebe sein?
    Damit bin ich wieder an dem Punkt von oben, an dem ich mein Ego und meine Bedürfnisse mal außer Acht gelassen habe.
    Aber das bringt mich zu dem für mich einzig möglichen Schluss:
    Jemanden fallenzulassen mag vielfach - je nach Ausgangssituation - gut für den Süchtigen sein, aber es ist hauptsächlich gut für den, der fallen lässt, weil es eventuell seinen Bedürfnissen und seinem Ego entspricht.

    Ich möchte zumindestens versuchen, aus diesem Schema auszubrechen.
    Oft bin ich mir nicht sicher, ob ich die Kraft dafür habe - denn ich brauche diese Kraft doppelt - einmal für ihn und einmal für mich.
    Und die jüngsten Vorfälle haben mir natürlich einen ziemlichen Dämpfer versetzt.
    Und ich verstehe, dass viele Leute der Meinung sind, ich sollte mich dem nicht aussetzen.

    ABER
    ich tue das nicht nur für ihn.
    Ich bin nicht in der Lage irgendjemandem auch nur annähernd zu erklären, wieviel ich in den letzten Jahren ÜBER MICH gelernt habe.
    Oh ja, da war weiß Gott viel Schmerz und Leid, und immer wieder bin ich an meine Grenzen gestoßen oder habe sie übertreten.
    Angenehm war/ist das nicht.

    Ich bin jetzt mehr in meiner Mitte als je zuvor.
    Er - und andere Menschen - können mich zwar nach wie vor mit zwei Fingern aus dem Gleichgewicht schnippen, aber mittlerweile kann ich mich meist relativ schnell wieder zurückschnippen.

    Dadurch, dass ich mich so sehr mit seiner Problematik, und mit Sucht als Thema beschäftigt habe, habe ich so viel über mich selbst gelernt.
    Nicht selten hab ich wegen ihm ein psychologisches Buch gelesen - und mich selbst darin gefunden.
    Er ist mein perfekter Spiegel, der mir meine eigenen Mängel aufzeigt, mich auf meine eigene Problematik hinweist.
    Es ist nicht so, dass ich durch meine eigene Geschichte schon durch bin, aber ich habe mich noch nie so ruhig und frei (und gut! - trotz der Probleme!) gefühlt wie jetzt.

    Und vielleicht - nur vielleicht - habe ich die Kraft mein Ego in Bezug auf ihn ein wenig zurückzunehmen, besonders an den Punkten an denen ich ohnehin weiß, dass sie eigentlich gar nichts mit mir zu tun haben.
    Denn wenn es Liebe ist, die wir brauchen, kann Liebes - entzug nicht die Lösung sein.

    Leilani

  6. #6
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    Standard AW: Er hat mich geschubst

    Liebe Marlies,
    hier noch die Antworten die ich dir schuldig geblieben bin:

    Nein, ich hab ihm diesen Brief nicht gegeben und werde es auch nicht tun - aus verschiedenen Gründen, vielleicht auch ein bisschen aufgrund deiner Antwort.

    Bettle ich nach Liebe?
    Vielleicht.
    Auch ich bin vor diesem Bedürfnis nicht gefeit, und ich schäme mich nicht das auch zu zeigen.
    Aber bin ich auf seine Liebe angewiesen?
    Nein. Früher war das vielleicht so, aber nach und nach entdecke ich die Liebe in mir selbst.

    Wieso habe ich das Gefühl gleich in der Luft zerrissen zu werden?
    Erfahrung!
    Besonders in meinem Umfeld - das größtenteils nichts mit Sucht zu tun hat - neigen die Leute dazu die Hände über dem Kopf zusammen zu schlagen und zu fragen "Mein Gott warum verlässt du dieses Arschloch nicht einfach?"
    Ist Wahrheit dran?
    Ja, vielleicht, bis zu einem gewissen Punkt. Aber wieviel?
    Und wessen Wahrheit?

    Und zuletzt, das ist ein wackliger Punkt für mich:

    Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich denke nicht dass er "voll drauf" ist momentan - bzw. bezieht sich das auf die Zeit vor diesem Vorfall.
    Es ist nicht der erste Brief den ich ihm geschrieben hab, und irgendetwas kommt immer an - manchmal mehr, manchmal weniger.
    Und dass sein Kopf etwas nicht versteht bedeutet noch lang nicht, dass sein Herz oder sein Bauch es nicht verstehen - auch eine Erfahrung aus dieser "Langzeitstudie" ;O)

    Lange Zeit hab ich gezweifelt, es gab Momente, in denen ich mir nicht sicher war, ob ich mich nicht selbst zerstöre.
    Heute weiß ich, ich zerstöre mich nicht, ich heile mich.
    Und ich bin überzeugt am richtigen Punkt aussteigen zu können , wenn nötig - bevor es zu gefährlich wird.

    Ich denke nicht, dass ich ihm alles biete, was er braucht um seiner Freizeitbeschäftigung weiter nachzugehen.

    Ich gestehe, das war vielleicht nicht immer so - das ist aber zu kompliziert um es hier zu erklären.
    Aber je mehr ich mich selbst finde, umso strikter werde ich auch ihm gegenüber.
    Je klarer ich sehe, desto eindeutiger wird auch meine Haltung ihm gegenüber.
    Er kennt meine Grenzen, vor allem weil er ständig dagegenkracht, und ich glaube schon, dass es das ist, was ihn schön langsam aus seiner Erstarrung aufweckt.

    Aber ich habe da sicher noch einiges zu lernen.

    Ganz liebe Grüße,

    Leilani

  7. #7
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    Standard AW: Er hat mich geschubst

    Hallo Sternchen,

    auch dir vielen Dank für deine Meinung!
    Es tut mir gut mich hier austauschen zu können.

    Mache ich mich klein? Ich weiß nicht.
    Was genau bedeutet das eigentlich, "sich klein machen"
    Und liebe ich ihn über die Grenzen des eigntlich möglichen hinaus - das widerspricht sich schon selbst.
    Ich glaube, dass ich hier - auch aufgrund meiner eigenen Geschichte - eine ganz besondere Fähigkeit habe, nämlich die "sehr weit", weiter als die meisten anderen, lieben zu können.
    Das macht mich so stark.
    Ich bin sehr sensitiv veranlagt, kann oft Schwingungen, Energien, Gefühle von anderen aufnehmen, oft fühle ich auch woher sie kommen, was sie auslöst. Das scheint mir die Möglichkeit zu geben, mich besser auf die Bedürfnisse anderer einstellen und sie erfüllen zu können.
    Es war ein langer Prozess zu lernen, dabei auf meine eigenen Bedürfnisse zu achten, und ich gebe zu er ist noch nicht abgeschlossen.
    Aber schön langsam bekomme ich ein Gespür dafür.


    [QUOTE=Sternchen]
    Du klingst stark und möchtest alles für ihn tun...ihm helfen....
    DAS KANNST DU NICHT!
    Er muss sich selbst helfen sonst funktioniert das nicht.
    [/QUOTE]

    Gib einem Hungernden einen Fisch und er wird einen Tag lang satt sein.
    Lehre einen Hungernden zu fischen, und er wird sein Leben lang satt sein.

    Ich kann ihm helfen, SICH SELBST ZU HELFEN.
    Aber ich kann Erkenntnis nicht erzwingen, die muss er alleine finden.
    Wie oben schon geschrieben - er wurde sein Leben lang immer wieder fallen gelassen, offensichtlich ist das nicht der Weg zum Ziel.
    Vielleicht ist meiner das auch nicht, aber einen Versuch ist es wert.

    [qupte] Du hast einen Satz geschrieben, an dem ich regelrecht "hängen blieb".

    -----ich sehe auch Deine Rückfälle aus einem anderen Blickwinkel als Du.Abgesehen von der finanziellen Seite finde ich sie gar nicht so schlimm--------

    Rückfälle sind IMMER schlimm, Leilani, für einen Menschen der wirklich mit dem Spielen aufhören möchte. Das Geld, dass man verliert spielt irgendwann nur noch eine sekundäre Rolle. Natürlich ist das auch schlimm aber es sind für einen Menschen , der aufhören möchte ganz andere Dinge schlimm. Die Gefühle, die man nach einem Rückfall hat...dass man es WIEDER nicht geschafft hat. Dass man schwach und unfähig ist. Das sind die Gefühle, die zumindest in meinem Fall die viel schwerwiegenderen waren.
    Wie auch immer, ich denke es ist wirklich falsch zu sagen, dass Rückfälle, egal wie teuer sie waren nicht schlimm sind, denn dann wären Gewinne bei einem Rückfall ja ein GUTER Rückfall und so etwas gibt es nicht. Es wäre auch für ihn ein Grund immer weiter zu spielen...wenn Du es ja nicht so schlimm findest, so lange er kein Geld verliert.
    Wer so denken kann, der wird nicht trocken und wer immer Hilfe bekommt, der wird sie auch immer erwarten und nicht selbst etwas tun.
    Bring ihn in die Situation selbst etwas tun zu müssen!
    Das ist sooo wichtig!

    [/QUOTE]

    Hmmm.
    Wie ich oben schon kurz angerissen habe, weiß ich schon, was es bedeutet süchtig zu sein.
    Ich habe Essattacken und auch wenn ich es oft im Griff habe, oft hab ich es auch nicht im Griff.
    Obwohl ich das erste Mal im Leben das Gefühl habe, da eine Mauer durchbrochen zu haben, und das erste Mal eine Chance sehe, auf dem richtigen Weg zu sein.
    Ich weiß, in mancherlei Hinsicht kann man das nicht mit Spielsucht vergleichen, in mancherlei Hinsicht aber doch.

    Glaub mir, ich weiß wie sich ein Rückfall anfühlt.
    Und ich habe damit bestimmt nicht gemeint, dass es nicht so schlimm ist und nur das Geld zählt, das er verloren hat.
    Wahrscheinlich war das auch schlecht formuliert.

    Wenn ich eine Attacke habe, dann fühle ich mich auch total schlecht - und zwar nicht erst nachher, sondern schon mitten drin.
    Ich weiß, dass es dumm ist was ich tue, dass mir nachher sowohl körperlich als auch seelisch speiübel sein wird. Trotzdem kann ich nicht aufhören.

    Was ich damit gemeint habe, war darauf bezogen, dass mir der finanzielle Teil, die finanzielle "Schuld" wenigstens erspart bleibt (Obwohl so eine Attacke auch ganz schön teuer sein kann!)

    Und der Grund warum ich das geschrieben habe ist folgender:
    Man fühlt sich schon Scheiße genug.
    Man hat versagt.
    Man geht mit sich selber so unendlich viel härter ins Gericht, als man es jemals mit jemand anderem tun würde.

    Er hat in dieser Situation regelrechten Selbsthass entwickelt.
    Doch Rückfälle sind normal, auch wenn sie noch so tragisch sind.
    Man kann nicht etwas, das man sein ganzes Leben lang (in unser beider Fall) oder auch sonst jahrelang gelebt hat, von heute auf morgen einfach so aufgeben.
    Man muss das akzeptieren.
    Selbsthass bringt uns nicht weiter.
    Wichtig ist der Entschluss, es weiter zu versuchen, es immer und immer wieder zu versuchen, nicht aufzugeben.

    Verstehst du, das ist ein Teufelskreis.
    Du hast einen Rückfall, bist am Boden zerstört, hasst dich selbst, machst dir Vorwürfe, beschimpfst dich in Gedanken mit den schlimmstmöglichen Schimpfworten - zumindest ich habe das getan, und ich weiß, dass er es auch tut.
    Du machst dich also selbst total fertig, setzt dich unter Druck - und was passiert, wenn ich mich so unter Druck setze, Spannung aufbaue?
    ICH ESSE.
    Und er spielt.
    Und damit fängt es von vorne an.

    Viel wichtiger finde ich es deshalb, sich selbst zu verzeihen und nicht so streng mit sich selber zu sein. Das kleine Kind, das in jedem von uns drin steckt, in den Arm nehmen, es zu trösten - tatsächlich so wie man es bei einem kleinen Kind tun würde.

    Wie gesagt, ich habe vermutlich schlecht formuliert - das liegt daran, dass mir dieser Geldaspekt - und somit auch seine Bedeutung in dem Ganzen - fremd ist, nicht so leicht nachvollziehbar ist für mich.
    Hier kann ich sicher noch was lernen.
    Es ist aber auch so, dass wir ja über diesen Rückfall bereits gesprochen haben, und ich denke, dass er aufgrund dessen auch verstehen könnte, was ich damit sagen will.

    Ganz liebe Grüße
    Leilani

  8. #8

    Standard AW: Er hat mich geschubst

    Hallo Leilani,
    Deine Beiträge sprechen mich an und deswegen habe ich mich hier erneut registriert. Ich bin ein ungebetener Gast hier weil ich ausgestiegen bin aus diesen Verallgemeinerungen…..
    Und ich spreche jetzt nur für mich, ich bin dadurch sehr zufrieden und glücklich geworden. Denn was für Person A..B..C…richtig ist, muss für mich noch lange nicht richtig sein. Höre auf Dein Bauch und der Rest wird kommen…………….

    Liebe Grüße
    Jürgen

  9. #9
    Registriert seit
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    Standard AW: Er hat mich geschubst

    Guten Morgen Leilani,

    ich möchte mich erst einmal dafür bedanken, dass Du mich an Deinen Gedanken teilhaben läßt. Leider fehlt mir im Moment die Zeit mich so ganz ausführlich damit auseinanderzusetzen. Es ist mir allerdings wichtig, auf einen Gedanken von Dir gesondert einzugehen (obwohl alle anderen sind es natürlich auch wert):

    Loslassen - Fallenlassen

    Ich habe keine Bücher über das Thema gelesen. Auseinandergesetzt damit habe ich mich allerdings sehr intensiv, allein schon aus meiner persönlichen Situation heraus.

    Loslassen bedeutet für mich, jemanden in Liebe seinen Weg gehen zu lassen. Einen Weg, den ich nicht mehr mitgehen kann, sei es weil ein Kind erwachsen und für sich selbst verantwortlich geworden ist, sei es, weil jemand am Ende seines Weges angekommen ist (Tod), sei es weil der/diejenige einen Weg geht, der nicht der meine sein kann, z. B. mit süchtigem Verhalten. Loslassen bedeutet für mich manchmal Schmerz - ganz extrem bei Tod, aber auch, als meine Tochter im letzten Jahr aus beruflichen Gründen plötzlich 400 km weit wegzog und ich seitdem nicht mehr sofort für sie da sein kann, wenn sie mal ein Problem hat. Loslassen bedeutet auch die Rücknahme meiner Äußerungen zu Verhaltensweisen von Familie, Bekannten, Freunden, Verwandten mit denen ich nicht konform gehen kann, weil mir eben diese Verhaltensweisen nicht guttun. Trotzdem ist immer Liebe dabei oder manchmal auch nur Zuneigung und...... wenn sie mich um Hilfe bitten, die ich leisten kann, dann bin ich da! Loslassen bedeutet für mich auch, solchen Menschen nicht mehr meine Hilfe anzubieten, sondern abzuwarten, ob sie bereit sind mich darum zu bitten, sprich mit offenen Händen,unterstützend und mit angemessenen Mitteln dazusein, wenn jemand seine Situation ernsthaft ändern möchte.

    Fallenlassen hingegen bedeutet für mich, jemandem mit einem intensiven Tritt in den A..... wegzustoßen und die Beziehung - egal welcher Art - für immer zu beenden. Fallenlassen hat oftmals etwas mit Verletzen oder auch "Rückzahlung der von ihr mir zugefügten Verletzungen zu tun" und manchmal auch mit Hass.

    Dieses mal auf die Schnelle meine ganz persönlichen Gedanken und Erfahrungen zu den beiden Worten.

    Bis die Tage
    und alles Gute von mir

    Marlies

  10. #10
    Registriert seit
    03.04.2006
    Beiträge
    324

    Standard AW: Er hat mich geschubst

    Hallo Leilani,
    ich schalte mich da auch mal ein, weil in meiner/unserer 40-jährigen Beziehung eine Krise durch mein krankes unreifes Verhalten entstand.
    Unser Paatherapeut führte uns in die Gestalt-Therapie ein und hier lernten wir beide etwas in der Richtung den Anderen "gehen-lassen"!

    Am besten drückt sich das hier aus:

    von Fritz Perls (08.07.1893 - 1970) - Begründer der GestaltTherapie

    Gestalt-Gebet von Fritz Perls

    Ich lebe mein Leben und du lebst dein Leben.
    Ich bin nicht auf dieser Welt, um deinen Erwartungen zu entsprechen -
    und du bist nicht auf dieser Welt, um meinen Erwartungen zu entsprechen.

    Ich bin ich und Du bist du -
    und wenn wir uns zufällig treffen und finden, dann ist das schön,
    wenn nicht, dann ist auch das gut so.

    oder noch eingehender hier: http://www.dieg.org/Wissenschaft/pdf/Paarvorlesung.pdf

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