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Thema: ein Lebenszeichen

  1. #1
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    Standard ein Lebenszeichen

    Ein liebevolles Hallo an alle, die mich hier noch kennen.

    Habe lange nicht mehr geschrieben.

    Auch in der nächsten Zeit werdet Ihr leider oder "Gott sei Dank" von mir nicht
    viel lesen.

    Ich bin im letzten Jahr Ende August einfach zusammengebrochen. Konnte nicht mehr, hatte
    schwere Depressionen. Habe alle meine Gefühle, Gedanken statt wie früher weggespielt die letzten Jahre weggearbeitet. Nun ja, selbst als ich noch spielte, gab es schon die Reihenfolge: zunächst die Arbeit und dann erst die Daddelhalle. Wie auch immer, seit dem Zusammenbruch bin ich zu Hause, musste mich zunächst einmal körperlich erholen.

    Hinzu kam, dass ich nach wie vor nicht mit dem Verhalten meiner Herkunftsfamilie zurecht
    komme. Für meine Eltern und Geschwister bin ich seit Beginn meiner Abstinenz vom Spielen
    nicht vorhanden. Das ist nicht einfach, wenn alle in einem Ort wohnen und wir uns
    ständig begegnen.

    Nachdem es ziemlichen Hickhack zwischen meiner Kranken- und Rentenversicherung gab, wurde
    jetzt endlich eine Rehamaßnahme genehmigt und ich fahre Anfang März für mind. 4 Wochen
    in eine Klink. Danach habe ich mir schon eine weiterführende ambulante Verhaltenstherapie
    organisiert. Mein Arbeitsplatz ist gesichert, egal wie lange ich noch krank sein werde.

    Abgesehen davon, seit endlich der Bescheid für die Reha kam, geht es mir wesentlich besser.
    Alle die mich kennen, wissen, dass ich den Kopf höchstens mal vorübergehend in den Sand
    stecke. Inzwischen tue ich viel für mich, wie unendliche Spaziergänge mit meinem Berner,
    ich lese viel, ruhe mich aus, nehme an autogenem Training teil, besuche regelmäßig
    die Hundeschule und treffe mich inzwischen auch wieder mit Freunden. Meinen Tagesablauf
    der zurzeit sehr chaotisch ist, weil keinerlei Struktur mehr, schreibe ich regelmäßig per Mail auf und schicke ihn an meine Schwester, die ich vor 6 Jahren kennenlernte durch die Aufgabe meiner Sucht.

    Ich wünsche Euch allen alles Gute
    den Spielern gute 24 Stunden
    (bei mir sind es mittlerweile ca. 36000)

    Mikesch

    P.S. Habe einige von Euch schon sehr vermisst!

  2. #2

    Standard AW: ein Lebenszeichen

    Hallo Mikesch,

    schön ein Lebenszeichen von Dir zu erhalten. Es freut mich zu lesen, dass Du Dich von Deinem Zusammenbruch erholtst und es Dir wieder besser geht.

    Ich erlebe in der direkten Arbeit mit spielsüchtigen Menschen öfter die Tendenz, die eine exzessive Verhaltensweise durch eine andere zu ersetzen. Der Job bietet sich dafür gut an, da viel arbeiten eine gesellschaftlich anerkanne Verhaltensweise ist, die für die Betroffenen selber beispielsweise auch den Vorteil hat, durch höheren Verdienst mögliche Schulden schneller abbauen zu können oder sich einen höheren Lebensstandart leisten zu können.
    Ich denke, dass Dein Beitrag, neben dem Lebenszeichen, auch für andere Betroffene wichtig sein kann, um einer solchen Entwicklung bei sich selber vorbeugen zu können. Vielleicht haben einige auch schon eine solche Phase erlebt und finden sich in Deinem Beitrag wieder.

    Du hast Dein Verhalten und die Zusammenhänge mit Deiner Lebenssituation anscheinend schon ausführlich reflektiert und die passenden Veränderungsschritte für Dich daraus abgeleitet. Ich wünsche Dir, dass Du den Weg weiter gehen kannst.

    Viele Grüße aus Neuss und weiterhin gute Genesung

    Katharina Weege (früher Schmitz)

  3. #3
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    Standard AW: ein Lebenszeichen

    Hallo Mikesch

    hab mich auch gefreut von dir zu lesen, weniger zu lesen, das es dir nicht so gut geht.

    Das mit der Verlagerung in exessives Arbeiten kenne ich von meinem Mann. Er hat schon einige Herzinfarkte und eine Bypass Op hinter sich und macht trotzdem noch weiter. Der Körper zeigt zwar Grenzen , aber er überschreitet sie ständig.
    Wenn er nicht arbeitet, überkommen ihn Depressionen die er nicht aushalten kann und will. Wenn er arbeitet geht es ihm psychisch besser..aber wie lange das noch gut geht, steht in den Sternen. Dass ich mir täglich sorgen mache, ihn noch lebend aufzufinden wenn ich ihn wecke, interessiert ihn nicht wirklich.

    Ich kann ihm da nicht helfen, genauso wie er mir nicht helfen kann.

    Ich wünsche dir,dass du auf deine Arlamzeichen nicht nur für eine kurze Auszeit achtest, sondern dass es dir gelingt, dauerhaft zur innerlichen Ruhe zu kommen.

    lg Charlotte

  4. #4
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    Standard AW: ein Lebenszeichen

    Hallo liebe Marlis,

    es macht mich betroffen, das es Dir so schlecht geht (ging)!
    Ich hoffe, das die Reha geniessen kannst und es schaffst, Dich wieder mehr auf Dich und die schönen Dinge des Lebens konzentieren.

    Das es irgendwann so kommen mußt, war für Leute die Dich näher kennen irgendwie absehbar!
    Nur was nutzt es, wenn es andere sehen, das ist ähnlich wie bei der Sucht, nur Selbsteinsicht hilft und manchmal braucht es dafür einen Schuß vor den Bug um auszubremsen.

    Wir wünschen Dir von Herzen schnelle Genesung und danach eine gutes Gespür für die Balance zwischen Arbeit und Wohlergehen!

    Unsere Einladung steht und im Frühling ist es sehr schön hier :o)

    Liebe Grüsse

    Katy und Anton

  5. #5
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    Standard AW: ein Lebenszeichen

    Hallo Ihr Lieben,

    zunächst einmal einen ganz lieben Gruß an Euch zurück.

    Möchte euch nicht im Unklaren lassen, wie es mir geht. Reha ging 6 Wochen und hat mir sehr gut getan. Ab übermorgen beginnt nun auch endlich die Nachsorge.

    In der Zwischenzeit hat sich viel getan. Nach wie vor arbeite ich an mir, aber ich arbeite eben auch wieder fast so viel wie früher. Dafür schaffe ich es aber, meine Freizeit nach "meiner Mütze" zu gestalten. Nun ja, nicht immer, aber immer öfter. Es ist nun einmal nicht leicht, alte Gewohnheiten komplett über Bord zu werfen und ab und an kann es auch gar nicht gelingen.

    Wichtig ist doch nur, dass ich mir dessen bewußt bin und eine Balance zwischen Arbeit und Erholung finde.

    Ein ganz ganz wichtiger Schritt ist mir gelungen. Verena - falls Du dieses liest, wirst Du Dich sicherlich ganz besonders darüber freuen. Schließlich warst Du vor ca. 3 Jahren die erste und einzige, mit der ich darüber überhaupt reden konnte. Nun endlich habe ich es geschafft! Ich war beim Zahnarzt. Mittlerweile habe ich 16 Zähne weniger, keine Angst mehr und ein Provisorium. Ende diesen Monats gehts weiter. Geplant ist, dass ich in ca. 4 Monaten ein komplett neues Gebiss haben werde.

    Durch diese Aktion haben sich mir Welten erschlossen, die ich längst noch nicht vollständig erkundigt habe. Mein Selbstwertgefühl hat sich unendlich gesteigert. Es war - hoffentlich - eine meiner letzten Fesseln, die ich abstreifen konnte. Ich kann wieder frei lachen - ich muss keine Gesichtszüge mehr unter Kontrolle halten - auch etwas, was erst wieder gelernt sein will.

    Wer mich kennt, merkt, dass ich mich weiterentwickele, immer wieder ein Stückchen mehr. Weiter achte ich auf mich, was die Spielsucht angeht, aber sie steht nicht mehr an erster Stelle. Es gibt viele andere wichtige Dinge, die ich durch die Aufgabe der Sucht überhaupt erst entdeckt habe, einschließlich mich selbst.

    Also Leute - alle die Ihr noch spielt - es lohnt sich damit aufzuhören. Das Leben wird nicht unbedingt einfacher - aber es gibt Erfahrungen, die mit der Sucht einfach nicht gemacht werden können. Auch wenn manches weh tut, vieles schwer fällt, wenn die Kraft fehlt und es den Anschein macht, es ist viel zu heftig, um damit umgehen zu können - scheut Euch nicht Hilfe anzunehmen, Euer Leben in den Griff zu bekommen. Es gibt nichts, was sich mehr lohnt.

    Mikesch

  6. #6
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    61

    Standard AW: ein Lebenszeichen

    Hallo Marlis,

    das offene Lachen musst Du nicht lernen, Du hast nur lernen müssen, es nicht mehr zu tun.
    Auch ich habe eine Komplettsanierung meiner Zähne hinter mir und glaube mir, die neuen Zähne werden ganz schnell Normalität, genauso wie Deine natürliche Mimik und Gestik ohne nachzudenken.

    Ich kenne Dich zwar nicht persönlich, habe mich aber in vielen Deiner Sätze wiedergefunden. Auch ich habe mich ab dem 8. Mai 1994, meinem letzten Tag in der Halle für fast 14 Jahre, in meine Arbeit gestürzt. Aus heutiger Sicht war das die Suche nach gesellschaftlicher Anerkennung bei gleichzeitiger Nichtbeschäftigung mit den verbuddelten Ängsten und Konflikten.
    Auf den letzten Sprossen der Karriereleiter habe ich nicht mehr gemerkt, das ich an einem Punkt der totalen Überforderung angekommen bin. Ich bin nicht körperlich zusammengebrochen, sondern habe meinen alten Mustern gehorcht - verstecken vor der Realität in der Halle.
    Seit 2009 bin ich nun wieder spielfrei und habe auch so einiges geändert nach dieser Rückfallzeit. Ich stelle Familie und mich an erste Stelle, auch wenn das manchmal zu Lasten des Jobs geht. Ich nehme mir bewußt Zeit für Runterkommen am Wochenende, Gespräche, mich selber. Meine Firma muss hinnehmen, das ich auch nein sage und nicht alles kann.
    Ich bin ein Spieler und werde mich auch in meinem Leben nicht mehr in die unkomplizierte, konsequent lebensbejahende fröhliche Person umwandeln. Aber ich lerne, Glücksmomente zu suchen, zu genießen und auf der anderen Seite den Alltag zu akzeptieren, ohne mich damit übermäßig zu belasten.

    Ich wünsche Dir alles Gute auf dem Weg,
    Joa

  7. #7

    Standard AW: ein Lebenszeichen

    Hallo liebe Mikesch,

    habe mich total gefreut, wieder etwas von Dir zu hören.
    Natürlich hat mich Dein Mut, denn der gehört dazu(!) Deine Zähne sanieren zu lassen innerlich wirklich jubeln lassen. Juhu, Sie hat es geschafft!!!
    Und ich bin wirklich beindruckt, wie Du Stück für Stück Deine Lebenskoordinaten neu und selbst bestimmst und Dich traust, Deine Zufriedenheit und auch Dein Dich Wohlfühlen in Deinem Körper zu einem Mittelpunkt Deines Lebens zu machen.
    Ich meine es im übertragenen Sinne: Ein wenig mehr Biss zu haben hebt den Selbstwert, sieht gut aus und trägt im Bedarfsfall dazu bei, die eigenen Grenzen zu schützen. Sei es in Bezug auf Ansprüche am Arbeitsplatz oder in privater Beziehung. Mikesch Du hast ein großes Herz, einen scharfen Verstand und ich finde Dein Bild von den Fesseln, die Du symbolisch abwirfst sehr plastisch und treffend. Du machst den anderen Menschen hier im Forum wirklich Mut, denn, wie gesagt, den brauch man/ Frau, sich auf den Weg zu machen, um wieder Herrin im eigenen Leben zu sein.

    Also, lass bei Gelegenheit wieder mal was von Dir hören!
    Herzliche Grüße aus Neuss
    Verena

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