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Thema: Ein weiterer Versuch zum Thema des Monats: Spielsucht und Schuldgefühle

  1. #1

    Standard Ein weiterer Versuch zum Thema des Monats: Spielsucht und Schuldgefühle

    Liebe UserInnen,

    ich starte noch einmal einen Versuch zum Thema des Monats und hoffe, dass das Thema vielleicht einige zum Schreiben anregt: Spielsucht und Schuldgefühle.

    In der Arbeit mit Betroffenen spielt das Thema Schuldgefühle häufig eine Rolle. Einerseits entstehen oft Schuldgefühle gegenüber Angehörigen, wenn beispielsweise Geld verspielt wird, was dann in der Familie fehlt oder auch aufgrund von Lügen und Verheimlichung, die Folgen des Spielverhaltens sind. Andererseits berichten Betroffene auch oft von Schuldgefühlen, die sie sich selber gegenüber haben, wenn sie sich fest vornehmen nicht mehr zu spielen und dann trotzdem wieder vor dem Automaten oder einem anderen Spielmedium landen. Diese Kontrollverluste, die ein Teil des Krankheitsbildes sind, führen auch häufig zu Schuld- und Schamgefühlen bei Betroffenen, weil sie immer wieder das Gefühl haben an sich selber und ihrer Suchterkrankung zu scheitern. Diese Erfahrungen führen häufig dazu, dass das Selbstwertgefühl und das Selbstwirksamkeitsgefühl (selber etwas in seinem Leben bewegen und verändern zu können) stark abnehmen.

    Auch aus Sicht der Angehörigen finde ich das Thema relevant, da diese sich oft durch das Verhalten der Betroffenen (Lügen, Verheimlichen, ...) verletzt fühlen. Manche Angehörige reagieren dann mit Vorwürfen auf diese Verletzungen, welche wiederum die Schuldgefühle der Betroffenen verstärken können.Für sie ist es dann schwer, zu verzeihen und Vertrauen erneut aufzubauen, da sie häufig Angst haben, wieder verletzt zu werden.

    In der Beziehung zwischen Angehörigen und Betroffenen entstehen so häufig negative Kommunikations- und Verhaltensmuster, die von Schuld- und Schamgefühlen, Misstrauen, Vorwürfen und gegenseitigen Verletzungen geprägt sind. Aus diesen Mustern auszusteigen ist häufig nicht so einfach, kann nach meiner Erfahrung aber gelingen, evtl. auch mit Unterstützung von Außen.

    Mich interessiert, wie eure Erfahrungen mit dem Thema sind und freue mich auf eure Antworten.

    Liebe, sommerliche Grüße aus Neuss

    Katharina Weege
    (Fachstellenteam)
    Geändert von Katharina Weege (19.07.2013 um 11:45 Uhr)

  2. #2
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    121

    Standard AW: Ein weiterer Versuch zum Thema des Monats: Spielsucht und Schuldgefühle

    Hallo Katharina,

    120 Aufrufe - und keine einzige Antwort...

    Nun, ich schreibe jetzt nicht nur, weil ich einen Gefallen tun möchte. Ich fürchte, das Forum dient derzeit nicht zum Austausch, aber anscheinend lesen doch reichlich Menschen nach wie vor hier und können dadurch vielleicht Hilfe finden oder nur Klarheit für ihre Gedanken und Gefühle.

    Ich für meinen Teil finde Klarheit auch durchs Schreiben - und kann zu dem Thema etwas beitragen.

    Mein Partner spielt seit Monaten nicht mehr. Es gab vielleicht ein oder zwei Rückfälle, die mit sehr geringen Einsätzen daherkamen und deshalb finanziell verschmerzbar waren. Ebenso waren sie verschmerzbar, weil es Einzelfälle waren, die die Spielfreiheit nur sehr, sehr kurz unterbrochen haben (nämlich für weniger als 15 Minuten...).

    Was bleibt, sind Probleme, die durch einerseits nicht gelingende Kommunikation und (dabei eine große Rolle spielende) festgefahrene Konfliktmuster auftreten, so wie Du es beschrieben hast.
    Interessanterweise ist das Thema Spielen auch vor der Spielfreiheit kaum noch ein Thema gewesen, das zu großen Konflikten führte. Ganz im Gegenteil: Wir haben gelernt, darüber ruhig und sachlich zu reden - vielleicht war dies auch nur möglich, weil genau die von Dir thematisierten Schuldgefühle nicht mehr nötig waren.

    Zitat Zitat von Katharina Weege Beitrag anzeigen
    In der Beziehung zwischen Angehörigen und Betroffenen entstehen so häufig negative Kommunikations- und Verhaltensmuster, die von Schuld- und Schamgefühlen, Misstrauen, Vorwürfen und gegenseitigen Verletzungen geprägt sind. Aus diesen Mustern auszusteigen ist häufig nicht so einfach, kann nach meiner Erfahrung aber gelingen, evtl. auch mit Unterstützung von Außen.
    Leider tauchen genau diese negativen Muster bei uns in Konfliktsituationen auf. Ich habe Hoffnung, dass wir tatsächlich daraus aussteigen können, wenn beide es wollen. Ich selber habe aus dem beruflichen Bereich einiges darüber gelernt - ob ich grundsätzlich alles anwenden kann, was mir in der Theorie bewusst ist, bezweifle ich aber...

    Hilfe von außen haben wir bzw. ich schon und so bin zwar meistens ich diejenige, die sich mit Möglichkeiten (und sich selbst) mehr beschäftigt, aber bis zu einem gewissen Grad kann ich damit leben - nämlich solange, wie ich sehe, dass Erfolge dadurch schaffbar sind, dass beide! Erfolge wollen und bereit sind, an sich zu arbeiten.

    Ich hoffe, dass uns die Grundlagen der gewaltfreien Kommunikation helfen können und suche gerade nach einem einfachen Zugang dazu, der die Möglichkeit bietet, mit wenig Aufwand diese Formen einzuüben. Also eine einfache Darstellung, die nicht mit viel Drumherum daherkommt und gleichzeitig kurze und verständliche Leitlinien an die Hand gibt. In meinen Augen macht die Selbstreflektion ja schon den meisten Aufwand - da muss das theoretische Gerüst nicht auch noch aufwändig sein...

    Knapp am Thema vorbei, oder?!
    Ich glaube eigentlich nicht, denn vielleicht spielen gerade die negativen Kommunikationsmuster in Konflikten bei uns eine so große Rolle, weil sie die gleichen Voraussetzungen und Begleiterscheinungen beherbergen wie eine Spielsucht? Schuldgefühle, Misstrauen, Vorwürfe, Verletzungen, Manipulation, nicht erfüllte Bedürfnisse... Und vielleicht auch, weil uns die Zeit mit Spielen in dieser Weise geprägt hat?

    Eine gute Zeit wünscht
    Kate

  3. #3
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    Standard AW: Ein weiterer Versuch zum Thema des Monats: Spielsucht und Schuldgefühle

    Ja die "Schuldgefühle"; ich versuche sie zu verstehen, aber in dem Moment, wo mein Mann wieder gespielt hat, kann ich es nicht !
    Er hat oft gesagt, das er die "Schuld" nicht ertragen kann u. deswegen manchmal auch gespielt hat.
    Was ich nicht mehr ertragen kann, sind die ewigen Lügen. Wenn ein Spieler rückfällig wird ist es das eine, wenn der Angehörige aber über Tage/Wochen/MOnate angelogen wird, ist es was anderes.
    Ich weiß es gehört zum Krankheitsbild dazu, aber es ist für mich als Angehörige schwer zu ertragen/zu verstehen.
    Man sollte es nicht persönlich nehmen u. tut es doch. Weil es schmerzt wahnsinnig!

    Für mich als Angehörige ist es das Schwierigste ! Ich kann auch nicht mehr erkennen, ob ich meinen Mann oder den Spieler vor mir habe !
    Tut weh u. es ist wahnsinnig schwierig, damit zu Recht zu kommen

    Nicole

  4. #4

    Standard AW: Ein weiterer Versuch zum Thema des Monats: Spielsucht und Schuldgefühle

    Liebe Kate, liebe Nicole,

    ich freue mich, dass Ihr mit dem Thema Schuldgefühle etwas anfangen könnt und hoffe, dass von den inzwischen 194 Klicks vielleicht noch mehr in die Diskussion einsteigen (vielleicht auch Betroffene, da wir deren Meinung bisher nicht vertreten haben).

    @ Kate: Schön, dass Du für dich Klarheit durch das Schreiben erlangst und andere auch daran teilhaben lässt. Ich finde nicht, dass Du am Thema vorbei schreibst, da Du auf eure negativen Kommunikationsmuster eingehst, die meiner Meinung nach häufig auch mit dem thema Schuldgefühl zusammen hängen. Wenn ich dich richtig verstanden habe, habt ihr ja schon gelernt, konstruktiv und ruhig über das Thema Spielen zu sprechen. Das ist ja schon mal ein sehr großer Schritt. Da würde mich interessieren, was ihr genau verändert habt. Vielleicht kann man diese Veränderungen ja auch auf andere Konfliktthemen ausweiten? Deine Idee, die Gewaltfreie Kommunikation als Grundlage zu nehmen, finde ich gut. Ich schaue mal nach, ob ich etwas praxisnahes zu dem Thema habe, was kurz, knackig und gut umsetzbar ist (brauche ich allerdings ein paar Tage für). Dass Selbstreflexion einen großen Anteil an gelingender Kommunikation hat, sehe ich auch so. Entscheident ist aus meiner Sicht auch, dass man in der Lage ist, eigene Bedürfnisse und Wünsche wahrzunehmen, diese klar und möglichst Vorwurfsfrei zu benennen und sich auch in die Sichtweise des Gegenüber hineinversetzen/fühlen zu können.

    @ Nicole: Du scheinst von den Lügen und dem Vertrauensbruch deines Partners noch sehr verletzt zu sein, auch wenn Du vom Kopf her weißt, dass es ein Teil des Krankheitsbildes sein kann (Kopf und Herz haben manchmal ein unterschiedliches Tempo). Ich vermute, dass dein Partner aktuell noch spielt oder zumindest noch nicht lange spielfrei ist oder Du bisher wenig Gelegenheit hattest, die Verletzungen zu verarbeiten? Du schreibst, dass es für dich schwierig ist damit zurecht zukommen. Meinst Du damit, ihm zu verzeihen und neues Vertrauen aufzubauen? Dann würde ich deine Schwierigkeit auch als Schutz vor neuen Verletzungen deuten, der erstmal sinnvoll ist. Dieser Prozess braucht Zeit und kann meiner Erfahrung nach am ehesten gelingen, wenn sich beide auch gemeinsam mit dem Thema auseinandersetzen. Mach dir keinen Druck, dass Du mit der Situation umgehen können musst.

    Im Rahmen von Therapie-/Beratungsangeboten sind häufig auch die Möglichkeit von Paargesprächen enthalten, um die oben beschriebene Problematik gemeinsam bearbeiten zu können. Hat jemand damit schon Erfahrung gemacht?

    Vielen Dank für Eure Antworten. Ich freue mich auf weiteren Austausch.
    Liebe Grüße

    Katharina Weege
    (Fachstellenteam)

  5. #5
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    Standard AW: Ein weiterer Versuch zum Thema des Monats: Spielsucht und Schuldgefühle

    @Katharina
    Ich bin seit über 10 Jahren "Betroffene"; mein Mann war noch nie länger als 1 1/2 Jahre spielfrei. Und du hast recht, vor einigen Tagen in wieder herausgekommen, dass er gespielt hat.
    Dabei durfte ich dann feststellen, dass ich die letzten 6 Monate wieder belogen wurde. Ich ahnte es bereits, habe versucht mit ihm zu sprechen, aber er hat es vehement abgeschritten.
    Ja ich bin sehr verletzt, weil ich dies halt schon seit Jahren als "normal" hinnehmen muss.
    Ich werde des öftern gefragt, ob ich ihm verzeihen kann ? Sagen wir mal so, ich glaube nicht, dass ich die letzten Jahre vergessen kann. Fühle mich sogar traumatisiert u. bin deswegen selbst in Behandlung. Zeit ? Ja nach 10 Jahren dachte ich eigentlich, dass es irgendwann mal besser wird.

  6. #6

    Standard AW: Ein weiterer Versuch zum Thema des Monats: Spielsucht und Schuldgefühle

    Hallo Nicole,

    habe gerade deine Antwort gelesen und leider nicht viel Zeit zu schreiben, wollte aber doch ein paar Sätze antworten.
    Dass Du dich nach 10 Jahren als Angehörige, mit gerade wieder einem aktuellen Rückfall und Lügen konfrontiert, sehr verletzt und inzwischen auch traumatisiert fühlst, kann ich mir gut vorstellen.
    Ich finde es einen sehr wichtigen Schritt, dass Du dir inzwischen selber Hilfe gesucht hast, gerade weil die Angehörigen selber ja selber kaum Einfluss auf das Spielverhalten des Partners haben und sich deshalb oft sehr hilflos fühlen. Ich hoffe, dass Du mit dieser Hilfe einen Weg findest, mit der Situation umgehen zu können, dich klar abzugrenzen und in deinem Tempo evtl. auch nözige Konsequenzen umsetzen kannst. Ganz wichtig finde ich für dich "gut für dich selbst zu sorgen" und dich nicht zu sehr auf die Suchterkrankung deines Partners zu fokussieren (ist leider in der Praxis oft schwieriger, als es sich anhört, kann aber, gerade mit Unterstützung gelingen).
    Was mich noch interessieren würde: Kannst Du dich finanziell schützen (eigenes Konto, usw.)? Habt ihr schon Paargespräche geführt, in denen auch Du deine Situation und Gefühle schildern konntest?

    Noch ein Gedanke zum Schluss: Es gibt einen Unterschied zwischen Vergessen und Verzeihen. Vergessen solltest Du die Vergangenheit auf keinen Fall. Ob es dir möglich ist Lügen und Verletzungen zu verzeihen und ob das überhaupt ein Schritt in die richtige Richtung für dich wäre, bleibt noch offen.

    Soweit erstmal für heute

    Liebe Grüße

    Katharina Weege
    (Fachstellenteam)

  7. #7
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    Standard AW: Ein weiterer Versuch zum Thema des Monats: Spielsucht und Schuldgefühle

    Hallo Katharina, ich melde mich mal als Betroffener. Schuldgefühle haben für mich immer zum Spielen dazugehört. Erstaunlicherweise begleiten Sie mich auch heute noch sporadisch, obwohl ich mittlerweile seit über sieben Jahren spielfrei bin. In Spielzeiten konnte ich Frau und Kindern nicht in die Augen schauen, weil ich zu wissen dachte, dass es ihnen so (schlecht) geht, wie es ihnen gerade geht, weil ich das Geld verspielt habe, weil ich nicht da war, als es nötig war, weil ich wieder mal gelogen, betrogen, geklaut hatte. Mich schuldig daran fühlte, dass überall um Geld, um Essen gebettelt werden musste.

    Schuldgefühle haben es mir aber auch erlaubt, den Kreislauf des Nichtstuns auf lange Zeit nicht zu verlassen. Von der Partnerin immer verzweifelter auf das Chaos hingewiesen zu werden (von mir als "du trägst Schuld an dieser, unserer Situation" wahrgenommen), verbunden mit der von ihr zwar oft angedrohten, aber lange nicht durchgezogenen Trennungsentscheidung haben dazu geführt, dass ich ein immer schlechteres Gewissen hatte und mit dem Gefühl, daran allein schuld zu sein natürlich nur die eine willkommene Lösung sah: wieder loszuziehen. Grundsätzlich habe ich oft so gehandelt: Der Berg ist riesig, egal ob Schuldgefühl, Schulden, Angst, Druck oder Ähnliches, der Berg war in meiner Phantasie riesig, nicht zu überwinden, das hat mir erlaubt weiterhin zu spielen, obwohl ich wusste, dass ein Teil der Dinge nur deshalb so war, weil ich unbedingt wieder Spielen gehen wollte.

    Auch nach Trennung und letzter stationärer Therapie lassen mich Schuldgefühle noch Dinge machen, von denen mir Instinkt/Bauch sagen, dass das nicht der richtige Weg ist: Ich habe mich erst vor einem Jahr scheiden lassen, obwohl wir schon seit 2005 getrennt leben. Ich zahle meinen Kindern das Taschengeld, obwohl das eigentlich über die Unterhaltszahlungen abgedeckt ist. Ich springe trotz meiner Spielschulden immer wieder mal bei finanziellen Engpässen ein. Da lassen mich die Schuldgefühle noch nicht so richtig raus bzw. fällt es mir schwer, mich entsprechend abzugrenzen.

    Lieben Gruß, Andreas

  8. #8

    Standard AW: Ein weiterer Versuch zum Thema des Monats: Spielsucht und Schuldgefühle

    Hallo Andreas,

    erstmal herzlich willkommen im Forum. Schön, dass Du dich auch als Betroffener in die Diskussion einbringst (auch wenn es anfänglich einige technische Probleme gab :-)).
    Du sprichst einen, wie ich finde, wichtigen Punkt an:den Kreislauf zwischen Schuldgefühlen und Spielen. Beide können sich gegenseitig verstärken und so die Sucht am "Leben" halten. Mich würde interessieren, wie Du damals den Ausstieg aus diesem Kreislauf geschafft hast. War ausschlaggebend,dass sich deine Frau dann ja scheinbar doch irgendwann getrennt hat oder welche Punkte haben dazu geführt, dass Du den Kreislauf des Nichtstuns, des Spielens und der Schuldgefühle verlassen hast?
    Du schreibst außerdem, dass Du in manchen Situationen auch heute noch von deinen Schuldgefühlen bestimmt bist, obwohl dein Instinkt/Bauchgefühl dir sagt, dass ein anderer Weg besser für dich wäre. Die Beispiele, die Du beschreibst,hören sich für mich nachvollziehbar an, trotzdem wäre eine ausreichende Abgrenzung in diesen Situationen wichtig. Hast Du eine Idee, was Du brauchst, um dich in diesen Situationen noch besser abgrenzen zu können?

    Soweit einige Gedanken dazu von mir.

    Ich wünsche Allen ein schönes Wochenende und freue mich auf weitere Rückmeldungen.

    Liebe Grüße

    Katharina Weege

  9. #9
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    Standard AW: Ein weiterer Versuch zum Thema des Monats: Spielsucht und Schuldgefühle

    Hallo Katharina,

    als ich eines Abends im Herbst 2005 nach Hause kam, stand quasi der Koffer, gepackt mit dem Nötigsten, vor der Tür. Meine Frau hat über mehrere Jahre hinweg eine Angehörigen-Selbsthilfegruppe besucht und sich dort das Rüstzeug geholt, Entscheidungen zu treffen. Am Ende machte sie sich eine Liste: Auf der einen Seite "das will ich, das bekomme ich", auf der anderen "das will ich nicht, das bekomme ich nicht". Die Konsequenz daraus war die Koffer-Aktion.

    Ich war nur kurz geschockt, bald eher erleichtert. Ich mußte niemandem mehr mein Handeln erklären, konnte machen, was ich wollte, mußte micht nicht mehr anstrengen zu funktionieren. Tagsüber ging ich zur Arbeit, dananch in die Spielhalle. Wenn kein Geld mehr da war oder die Halle zu machte fuhr ich zu meinem Wohnwagen ohne Strom, Heizung, Wasser und wartete auf den nächsten Morgen. Kinder und Frau waren mir egal.

    Während dieser Zeit unterlag ich einem gewaltigen Trugschluß. Die Vergangenheit hatte mir immer wieder gezeigt: Es geht schon irgendwie weiter. Ich muß nur "bitte, bitte" machen, "ich ändere mich auch", im Notfall auch "ich mache eine Therapie", und ich darf wieder zuhause einziehen. Diesmal war es anders. Eher zufällig bekam ich im Februar mit, sie hat einen Freund. Eine Welt brach für mich zusammen, Konsequenzen wurden mir klar. Ich konnte mir nichts mehr vormachen, nicht mehr Verantworlichkeiten an anderen Menschen festmachen......

    Ich habe das erste Mal in meinem Leben aufgehört zu spielen, weil ich es wollte. Nicht für andere Menschen in meinem sozialen Umfeld, sondern allein, weil ich für mich nicht mehr wollte. Für die bis dahin gelebte Beziehung zu meiner Frau war es zu spät, für mich, meine Kinder und auch für meine Frau aber ein Neuanfang über eine sehr schwierige Phase hinweg in ein Jetzt, in dem wir offener miteinander umgehen und uns freuen, wenn wir uns sehen. Vor allem aber in ein Jetzt, in dem ich das Spielen nicht mehr nötig habe und in dem ich mit mir selbst meistens glücklich und zufrieden bin.

    Liebe Grüße, Andreas

  10. #10
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    Standard AW: Ein weiterer Versuch zum Thema des Monats: Spielsucht und Schuldgefühle

    Hallo zusammen

    alles so Neu und ungewohnt hier :-) merke gerade mal wieder wie sehr ich alt gewohntes schätze und mir Neues immer auch etwas Überwindung abverlangt.

    ich bin vom Status Angehörige selber zur Spielrin geworden. Ich bin fast 30 Jahre mit meinem Mann zusammen . Einige Jahre gingen wir gemeinsam spielen, dann konnte mein Mann ohne Terapie und ganz für sich alleine den Weg heraus finden. Wir haben gemeinsam ein beErwegtes Leben hinter uns gebracht. Er spielt schon über 10 Jahre nicht mehr unkontolliert...ich kann nicht sagen er spielt gar nciht mehr..weil er spielt manchmal Fussballwette für ein bisschen Kleingeld...etwas was voll im Rahmen bleibt. Für mich ist er dennoch aus der Sucht ausgestiegen. Weil kein Kontrollverlust mehr ist.

    ich dagegen spielte weiter....versuchte auf zu hören..fing wieder an..und das öfter...

    Mein Mann hatte immer Schuldgefühle..manchmal denke ich er besteht nur aus Schuldgefühlen.
    Er sagte mal zu mir..er konnte aufhören mit dem spielen, weil ich angefangen hatte....Er meinte damit unsere Ehe/bezieuhng und und´ser Leben retten zu können. Er fühlte sich da verantwortlich, das gab ihm wohl die nötige Motivation und Kraft.

    Ich dagegen..konnte vieles nicht wirklich verzeihen, was vorher geschehen war...oberflächlich schon..vom Kopf her..aber nicht aus meinem inneren tiefen Gefühlen. Den Mut Konseqenzen zu ziehen und für mich Verantwortung da zu tragen hatte ich nie.
    Da waren mehr Verletzungen wie die Lügerei wegen Spielen...da waren traumatische tiefe Verletzungen geschehen..durch betrügen.
    Eine weitere Sucht..nämlich sexsucht...die Erklärungen er wäre krank...konnte ich nicht glauben, noch verstehen...ich meinte es wäre ne billige Ausrede.

    Aus dem Konflikt, keine Konseqenzen der Trennung wegen Verletzung zu ziehen, wurde ich Spielrin. Ich tat es aus Trotz..später aus Langeweile, Erfolgs-Lust/Bestätigung und Abhängigkeit...

    Es wurde immer schlimmer. manchmal verbrachte ich mehr als 30 Std am Stück vor Automaten und konnte nicht aufgeben..mein Geld zurück zu gewinnen, was ich zuvor verloren hatte. Es brachte mich mehrmals zu Nervenzusammenbrüchen. Wo ich mich selber abrundtief hasste und sehr viel Aggressionen gegen mich hatte..mit gleichzeitiger Hilflosigkeit und Selbstmitleid. Einfach völliges Chaos.

    Ich begann mit dem Spielen vor über 26 Jahren und versuche wirklich ernsthaft seid 7 Jahren auf zu hören. Doch das gestaltete sich sehr schwierig. Immer wieder hatte ich Rückfälle..mal längere...wenn sich der geldliche Verlust in Grenzen hilt...mal nur Kurze..wenn mich schnell mein vertretbares Limit eingeholt hatte.

    Ein schlechtes Gewissen hatte ich schon oft..aber Schuldgefühle..nicht so. Jedenfals nahm ich sie nicht so wahr.
    Im Gegenteil...ich ging immer spilen..mit dem Motiv..mir etwas zu gönnen..mir etwas zu erlauben...da war viel Trotz dabei.

    Mit meinem Mann reden..kann ich manchmal sehr gut..manchmal überhaupt nicht. Es hat verschiedene Gründe...und die liegen auch an mir selber.

    Schuldgefühle..hatte ich nicht wegen Spielen..aber wegen anderen Dingen. Zbsp...nicht zu genügen...nicht gut genug zu sein usw

    Ich lernte mein Mann kennen, da hatte ich schon eine Ehe mit einem Alkohliker. ich konnte aus dier Beziehung nur aussteigen durch den Ersatz der Neuen. Ich brachte in beiden Beziehungen meine psychischen Störungen mit..und traf auf den Deckel..der passte..

    Die größte Abhängigkeit die ich habe..ist meine Beziehungsabhängkeit..und Störung damit. Erst daraus haben sich andere Süchte und destruktive Verhalten entwickelt.

    Seid ich es nun schaffe..mich daraus immer etwas mehr zu befreien..klappt es auch mit meiner Spielfreiheit besser...Kann ich verzeihen und Schuldgefühle wegen Wertlosigkeit endlich immer öfter loslassen.

    Verstehen, Annehmen , verzeihen und loslassen sind für mich wichtige Hilfen geworden...die mir die nötige Stabilität bringen um spielfrei zu bleiben.

    Es war nicht leicht oder einfach dahin zu kommen...es hat mein halbes Leben gedauert.

    Aktuell bin ich mit mir zufrieden, ich spiele schon einige Monate nicht mehr..und auch davor gab es längere spielfreie Zeiten. Im Moment habe ich kein Bedüfnis zu spielen und merke durch die spielfreie Zeit auch, dass ich das Spielen zum Leben nicht mehr brauche. Trotzdem weiß ich, dass sich dies schnell auch wieder ändern kann und ich auf mich weiter achten muss.

    Das ist mein Ding...nicht das meines Partners. Das Ding meines Mannes ist...für sich zu entscheiden..in wie weit..er meine Probleme mit mir zu tragen bereit ist...oder sich davon trennt /abgrenzt.

    Ich habe deshalb auch keine Schuldgefühle. Weil es seine Verantwortung ist für sich zu sorgen..und nicht meine.
    Wenn ich Verantwortung teile oder Übernehme..dann freiwillig und nicht weil es sein muss oder verlangt wird.

    Ich wünschte...das würde er genauso sehen..und sich für mich nicht mehr verantwortlich fühlen..und mir endlich meine Verantwortung allein mir überlässt..denn das würde mich zwingen und es mir leichter machen..sie auch immer zu Übernehmen..und nicht wenn es mal unbeqeum wird..dann abzutreten. Denn das hält mich ja nur in der Beziehungsabhängigkeit gefangen...und ich glaube..genau das will er auch !!

    Es liegt aber an mir..da auf mich auf zu passen.

    viel geschrieben, aber es wollte heute so raus...

    wer nicht folgen kann /konnte...ist nicht schlimm..hab es auch mehr für mich selber hier gelassen..als für andere....
    denn es hat ja jeder sein Eigenes...was beschäftigt und genügt.

    lg charlotte

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