Mein Name ist Marco. Ich bin 27 Jahre alt, arbeite als Journalist und wohne in der Schweiz. Als ich zwölf Jahre alt war stand ich zum ersten Mal vor einem Geldspielautomaten. Genauer gesagt war es ein Geschicklichkeitsspiel, bei dem es nur wenig Geld zu gewinnen gab. Die Einsätze waren gering, der Gewinn auch, und entscheidend war nicht alleine das Glück, sondern auch das Geschick. Ich habe an diesem Automaten vielleicht 7 Euro verspielt, ein Verlust, der mich damals enorm schmerzte. Danach kam ich viele Jahre nicht mehr in Berührung mit Glücksspielautomaten, zumal sie in den meisten Kantonen (in Deutschland Bundesländer) nach und nach verboten wurden (bis auf einige staatlich bewilligte Automatenspielbanken, zu denen minderjährige aber keinen Zutritt hatten).

Erneut in Kontakt mit Spielautomaten kam ich auf einer Interrail-Tour 1999. Ich spielte unter anderem in der neuen Spielbank am Potsdammer Platz und in Skandinavien, wo Automaten, Blackjack- und Roulette-Tische in vielen Pubs zu finden sind. Ich hatte mich allerdings unter Kontrolle, verspielte insgesamt vielleicht 100 Euro.

Dicker kam es dann während eines Sprachaufenthaltes in Neuseeland. Dass mich Glücksspiele faszinieren, wusste ich schon längst und es war mir auch bewusst, dass ich durch das Spiel eine Gratwanderung unter die Füsse nehme. Nichts desto trotz besuchte ich zum ersten Mal ein Spielcasino. Das Casino in Auckland ist riesengross: Es gibt dort über 1000 Spielautomaten und über 100 Spieltische. Glanz und Glitzer, sowie die Aussichten auf einen grossen Gewinn faszinierten mich.

Nach anfänglichen Verlusten erlebte ich die Glückssträhne meines Lebens. Am Automatenspiel, beim Blackjack und insbesondere beim Roulette gewann ich viele Abende hintereinander, obwohl ich mit sehr bescheidenen Einsätzen spielte. Innert weniger Zeit gewann ich rund 5000 Dollar (ca. 3000 Euro) und war alsbald vom Gedanken besessen, dass diese Glückssträhne wohl für immer anhalten würde.

Sie tat es aber nicht. Ich habe während meiner Zeit in Neuseeland (rund 3 Monate) fast täglich in Spielcasinos gespielt (und mir während dieser Zeit viele Schönheiten dieses wunderbaren Landes entgehen lassen). Die 5000 Dollar habe ich wieder verloren. Zwar gewann ich immer mal wieder grössere Summen (mal 1000 Dollar, mal 2000 Dollar), unterm Strich dürfte ich letztlich aber etwa 1000 Euro verzockt haben.

Das war kein Problem, das konnte ich mir leisten. Ausserdem glaube ich heute, dass ich trotz abgebrochener Pechsträhne trotzdem riesiges Glück gehabt habe: Drei Monate Exzessiv-Casino und ein Verlust von "nur" 1000 Euro – wer kann das schon von sich sagen?

Zurück in der Schweiz wurde es allerdings schlimmer. Damals, im Jahr 2000, gab es nur einige Automatenspielbanken, die ich alsbald aufsuchte. Ich denke, dass ich damals schon süchtig war. Die Verluste wurden schnell grösser als damals in Neuseeland: mal verzockte ich 400 Euro an einem "schönen Nachmittag", an einem anderen warens schon 700 Euro, und so weiter und so fort. Das hab ich mir damals noch leisten können, weil ich als Journalist nicht schlecht verdiene. Ausserdem gab es in der Nähe meines Wohnortes keine Automatenspielbank, ich musste mit dem Zug rund eineinhalb Stunden fahren.

Gewonnen hab ich in diesen Automatenspielbanken so gut wie nichts mehr (was ja auch kein Wunder ist, die Gewinnchancen bei den Tischspielen sind ja doch um einiges grösser als bei den Automaten). Der einzige Gewinn, den ich während dieser Zeit einfuhr, betrug 350 Euro. Diesen Gewinn wollte ich in einen dreitägigen Kur-Aufenthalt in Österreich investieren. Mir war auch klar, weshalb ich dort hin wollte: es gab dort eine Spielbank, in der man – im Gegensatz zur Schweiz – auch Roulette und Blackjack spielen konnte. Die Bilanz dieser Reise: 1000 Euro verzockt. Ein weiteres Mal reiste ich in eine österreichische Stadt, ebenfalls um zu spielen: die Bilanz dieser Reise: 1500 Euro verzockt.

Noch immer hab ich mir das leisten können, weil ich ja noch immer nicht so oft spielen konnte. Wirklich schlimm wurde es aber im Sommer 2002, als in der Schweiz ein neues Spielbankengesetz in Kraft trat. Seither gibt es bei uns mehr Spielbanken, und es kann auch Roulette und Blackjack gespielt werden. Von meinem Wohnort aus erreiche ich die nächstgelegene Spielbank innert 20 Minuten, eine andere in 40 Minuten. Zwei weitere Spielbanken befinden sich je eineinhalb Stunden von mir entfernt. Die Verlockung wurde also grösser – im Gegensatz zu meinen Gewinnen.

Klar: Ich gewann mal 750 Euro, mal 350, dann wieder 200, meistens allerdings verlor ich. Auffallend war in allen Gewinn-Fällen: Geld nach Hause genommen hab ich immer nur dann, wenn ich aus terminlichen Gründen gezwungen war, die Spielbank zu verlassen. Ich bin zwar mit der Zeit vorsichtig geworden, verspielte nicht mehr so viel aufs Mal. Dafür spielte ich öfters, nicht täglich, aber oftmals wöchentlich oder an zwei Tagen hintereinander. Steter Tropfen hölt den Stein und eines Tages war mein Erspartes futsch.

Ich war zwar immer genug stark, nicht über meine finanziellen Verhältnisse zu spielen. Das heisst, ich habe keine Schulden gemacht und niemanden angepumpt. Ich habe alles daran gesetzt, mein Leben so weiter zu führen wie bis an. Unter allen Umständen wollte ich vermeiden, dass jemand von meinem Doppelleben erfährt.

Das ist mir gelungen: Ich hatte immer genug Geld, um auszugehen, meine Rechnungen zu bezahlen und mit meinen Freunden ins Wochenende oder in Urlaub zu fahren. Ich habe genau gerechnet, kalkulliert, nicht dass irgendwann mal auffallen würde, dass ich Knapp bei Kasse wäre.

Daneben habe ich aber munter weiter gespielt, jeden freien Euro in die Spielbanken getragen. Auffallend war: Sobald ich kein freies Geld mehr hatte, war es für mich kein Problem, nicht zu spielen (auch wenn ich noch Geld für Rechnungen, unvermeidlicher Lebensunterhalt auf dem Konto hatte). Dies vermutlich deshalb, weil mir die Dringlichkeit der Verheimlichung meiner Sucht doch noch wichtiger schien als das Spiel.

Ich kann nicht sagen, dass ich während dieser Zeit permanent unglücklich gewesen wäre. Ich führte mein soziales Leben weiter, ging pflichtbewusst zur Arbeit, traf mich mit meinen Freunden. Erst wenn ich wieder Geld frei hatte, nahm der Drang zum Spielen zu. Wenn ich dann verlor, war ich eine Zeitlang todunglücklich, dann aber auch wieder froh, weil der Drang zu Spielen weg war. Es klingt verrückt: Ohne freies Geld fühlte ich mich wohler, als mit freiem Geld – denn dieses musste so schnell wie möglich weg.

Ich denke, die Motivation des Spielens war für mich folgende: Ich war auf der Suche nach Glück. Ich war (und bin es vielleicht noch immer) besessen vom Gedanken, echtes Glück erspielen zu können. Ich bin meist dann spielen gegangen, wenn mir langweilig war (an Wochenenden zum Beispiel, wenn grad keine Freunde da waren und andere Freunde ihre Zeit mit ihren Freundinnen verbringen). Wenn ich schon kein Glück in der Liebe habe, so sagte ich mir, habe ich vielleicht ja Glück im Spiel. Wenn ich dann einsehen musste, dass ich weder Glück in der Liebe noch Glück im Spiel habe, war dies besonders deprimierend und das Schlimmste aller erdenklichen Gefühle.

Das letzte Mal gespielt habe ich vor rund drei Wochen. Ich verlor mal wieder alles freie Geld, hatte aber eben noch genug beisammen, um nach Gran Canaria zu fliegen, Ferien, die ich schon lange mit einem Freund vereinbart habe. Zurück aus den Ferien bin ich nun so ziemlich ebenaus, das heisst, kein Geld über, aber auch keine Schulden.

Nach reiflichen Überlegungen habe ich nun einen (vorläufigen) Schlussstrich gezogen. Ich habe gestern einen Brief zur Post gebracht, in dem ich meine Spielsperre für sämtliche Spielbanken der Schweiz beantragte. Das heisst, ich kann habe in den Casinos ab sofort keinen Zutritt mehr. Was das für mich bedeutet, weiss ich in letzter Konsequenz noch nicht. Da ich zur Zeit kein Geld frei habe, ist mein Drang zu spielen im Augenblick nicht sehr gross. Deshalb fiel es mir wahrscheinlich auch relativ leicht, diesen Brief abzuschicken. Wie es allerdings sein wird, wenn ich wieder etwas Geld frei habe, weiss ich nicht. Werden mich Entzugserscheinungen plagen?

Ich gebe zu, ganz konsequent bin ich (noch) nicht: Die Türen zu den österreichischen und den deutschen Spielbanken stehen mir nach wie vor offen. Diese sind allerdings nicht in unmittelbarer Nähe. Regelmässig hinfahren kann ich also nicht, und ein gelegentliches Spiel, so alle zwei Monate mal, könnte ich mir wohl leisten. Ansonsten gibt es in meiner Nähe nur einige ganz kleine Spielhallen (in denen ich mich nicht sperren lassen kann) mit je drei Spielautomaten. Dass ich dort oft spielen werde, schliesse ich aber ziemlich aus, weil mir das bestimmt bald langweilig würde und weil ich Angst davor hätte, erkannt zu werden.

Das wäre also meine Geschichte, die ich hier einfach mal deponieren wollte. Vielleicht mag sie jemand von Euch kommentieren? Ich bin zuversichtlich, durch die mir selbst auferlegten Schranken das Spiel in den Griff zu bekommen. Mitte Dezember bekomme ich ein 13. Monatsgehalt (doppelter Lohn). Spätestens dann werde ich wieder etwas Geld frei haben und damit hoffentlich Sinnvolleres anzustellen wissen.

Herzliche Grüsse,
Marco