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Thema: Wege...

Hybrid-Darstellung

  1. #1
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    14.11.2012
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    Berlin
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    37

    Standard Pearl is back...

    Kopiere mal meinen Text aus dem anderen Forum hierher... ;)

    Ich bin nun "schon" 3 Wochen zurück und merke immernoch den Käseglocken-Effekt. In Münchwies (Saarland) tickten die Uhren etwas anders - aber genau richtig...

    Die ersten Wochen waren ziemlich heftig. Immer wieder hatte ich das Gefühl, dass ich zu wenig Zeit für all meine Baustellen habe und hab in alles volle Kraft gesteckt - in der Freizeit immer was zusätzlich "gearbeitet" und mir wenig Auszeiten gegönnt... Himmel, was war ich ausgepowert. Mein Körper zeigte mir eigentlich ständig, dass es genug war. Ich hatte ständig mit Tinnitus und Unterdruck im Ohr + mit Schulterschmerzen zu tun gehabt. Therapiebeginn - Ohr zu! Therapieende - Ohr wieder auf... Arbeitsauftrag meiner Bezugstherapeutin lautete dann: "Dani - 5 Minuten nichts tun." Lernen, sich selbst aushalten. In den 5 Minuten nicht beschäftigen, nicht schlafen - lediglich Gedanken kommen und gehen zu lassen, nichts festhalten. Man sollte meinen, dass das kein Problem sei, aber ich habe das tatsächlich erst in den letzten Zügen hinbekommen - 5 Minuten nichts tun.

    Spannend waren meine ersten 3 Therapieeinheiten "pathologisches Glücksspiel". Oh mein Gott - alle Spieler klitscheklatschenass und noch sowas von am Anfang ihres Weges. Was kann ich hier mitnehmen? Ich war ernsthaft am Überlegen, aus der Einheit auszusteigen (wäre das überhaupt gegangen???). Aber polaris sagte mir: Die erste Einheit ist zum Schauen, die zweite zum Überprüfen und die dritte zum Entscheiden. Das half mir in soweit, dass ich nach dem ersten Mal genau hinschaute/ hinhörte und mich mit meiner Erfahrung einbrachte. Und siehe da - ich entschied zu bleiben. Und es war eine tolle Gruppe. Ich habe viele Spiegel erlebt, konnte meine Verhalten überprüfen und Werkzeuge, wie den Notfallkoffer, ausbauen und festigen. Wir haben "Rückfälle" konstruiert, um unsere Risikofaktoren zu erkennen und uns Sicherheiten/ Hilfsmittel zu schaffen, um spielfrei bleiben zu können. Am erstaunlichsten fand ich die Erkenntnis für mich, dass Rückfälle passieren können. Das sie etwas "gutes" mit sich bringen. Ich muss nicht den Weg der Selbstverachtung gehen, sondern kann schauen, wie kam es dazu und was kann ich mir in ähnlichen Situationen für Sicherheiten einbauen (Risikofaktoren erkennen und ins Handeln kommen). Wir haben uns sogar eine Notfallkarte (Rückfallkarte) erarbeitet. Jeder Spieler für sich persönlich. Zum Ende der Therapie bekam ich das Feedback, dass ich zwar "oft" den Job des Therapeuten übernommen habe, aber er bekam das Gehalt. Schon ein komisches Gefühl - ich will/ wollte nie ein Therapeut sein. Lediglich mit meinen "Ich-Botschaften" (meine Erfahrungen) und gezielten/ gelenkten Fragen an die Mitpatienten (zum selbst erkennen der möglichen Wege/ Antworten) habe ich mich in die Gruppe eingebracht. Aber, das war wohl auch genau richtig für uns alle - so funtioniert die Gruppentherapie.

    Besonders bedauert habe ich die Tatsache, dass ich in den 12 Wochen nur einen weiteren Spieler in meiner Gruppe (Wohngruppe - in der psychosomatischen Abteilung) hatte. Leider war der mit allem anderen beschäftigt, nur nicht mit der Auseinandersetzung mit dem Spielen. Eher hat er mit uns Patienten gespielt - auch mit mir, bis ich es durchschaut hatte. Gottseidank habe ich aber Kontakte zu reinen Spielergruppen aufnehmen können und mir viel aus diesen Gesprächen ziehen können. Reine Spielergruppen waren nicht Teil der Einheit "path. Glücksspiel" und haben sich alle 2 Tage in ihrer Gruppe mit den Themen auseinandergesetzt. Ich durfte mir immer wieder ihre Arbeitsblätter fotografieren und bin so weiterhin im Gespräch geblieben.

    Meine Wohngruppe bestand aus 12 Patienten mit psychosomatischem Hintergrund. Wir hatten gemeinsam Ergotherapie, Wohngruppensport, Körpertherapie, Patientengruppe (ohne therapeutische Begleitung) und Gruppentherapie. Obwohl wir so unterschiedlich waren, auch mit unterschiedlichen Diagnosen, war die gemeinsame Zeit neben den Therapien die bereichernste. Die vermeintlich nicht therapeutischen Gespräche waren meist die, die mich weiter gebracht haben, die mir neues oder auch vergessenes aufzeigten und mich nochmal hinschauen/ hinfühlen ließen. Immer wieder zeigten mir die Themen der anderen auch meine Themen/ Baustellen auf.

    Es war insgesamt eine harte/ emotionale, arbeitsreiche und auch absolut bereichernde Zeit. Ich habe viel mitnehmen und auch dort lassen können. Allein die Aufarbeitung meiner Biografie, der "Abschluss" mit der Baustelle unter der Spielsucht war es wert, den Weg gegangen zu sein. Ich habe in der Stabilisierungsgruppe Werkzeuge/ Techniken im Umgang mit meinen Gefühlen/ Gedanken/ Stimmungen erlernt. Dazu gehören das "Freude-Tagebuch", das rosa Tütchen, Achtsamkeitsübungen, einige sehr schöne Imaginationsübungen und mein "Sicherer innerer Ort". Die Trauma-Gruppe habe ich abgelehnt, fühlte mich nicht ausreichend stabil dafür und hab ja auch ohne diese an der Aufarbeitung des Traumas gearbeitet.

    Ich habe 3 Wochen Verlängerung angeboten bekommen, aber sie abgelehnt. Ich habe meine mir gesteckten Ziele alle erreicht, alle "neu entdeckten" Baustellen kann ich auch ohne Münchwies angehen. Ich habe anfang des Jahres den Mut zur Veränderung und das Durchhaltevermögen für diesen Weg gehabt - es war nur eine Etappe - es geht weiter... Die Nachsorge ist bereits bewilligt, die SHG habe ich auch wieder besucht. Alles ist im Fluss... Und schon jetzt merke ich die Veränderungen, die ihren Anfang in Münchwies hatten. Ich kann mich besser für meine Wünsche und Bedürfnisse einsetzen, höre "besser" auf meinen Körper, fühle mich gefestigter im Umgang mit der "unheilbaren" Spielsucht und bin alles im allen stabiler... Ich bin dankbar für alle meine WegbegleiterInnen und die Unterstützung in Form von Worten und Taten...

    Es gibt noch so viel mehr zu berichten, aber für heute reicht es erstmal...
    Vielen Dank für's Lesen...

  2. #2

    Standard AW: Wege...

    Hallo Pearl,

    schön wieder von dir zu lesen. Das hört sich so an, als hättest Du die Zeit in Münchwies gut für dich genutzt und viel an deinen Themen gearbeitet. Scheinbar ist dir ja auch der Übergang in den Alltag gelungen (oft ein Stolperstein, wenn Betroffene aus dem geschützten Therapierahmen wieder in die reale Welt zurückkehren). Mich würde interessieren, wie es dir jetzt nach einigen Wochen geht. Konntest du erreichte Veränderungen und neue Einstellungen bzw. Erkenntnisse im Alltag umsetzen und stabilisieren, oder hast Du das Gefühl wieder in alte Muster zurück zu fallen? Fühlst Du dich in der Nachsorge gut aufgehoben? Wenn Du magst, schreib doch etwas dazu, wie es dir gerade geht.

    Danke außerdem für die ausführliche Schilderung deines Therapieprozesses. Ich glaube, dass das für andere Betroffene und auch Angehörige sehr interessant und ermutigend sein kann. Oft haben Menschen, die noch nie eine Therapie gemacht haben nur eine sehr vage Vorstellung, wie eine Therapie abläuft. Schilderungen wie deine können helfen Hemmschwellen und Ängste bezüglich Therapiemaßnahmen abzubauen.

    Ich wünsche dir, dass Du weiter deinen Weg gehst.

    Schönes Wochenende

    Katharina Weege
    Fachstellenteam

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